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Bruno Daldossi ist ein erfolgreicher Fotograf, der sich auf die Arbeit in Krisen- und Kriegsgebieten spezialisiert hat. Nach vielen Jahren, in denen er für das Hamburger Magazin "Estero" in Tschetschenien oder im Irak, im Sudan oder in Afghanistan fotografiert hat, geht er mit Anfang Sechzig nur noch sporadisch auf seine gefährlichen Missionen. Als ihn aber seine langjährige Gefährtin Marlis, eine Zoologin, mit der er in Wien zusammenlebt, wegen eines anderen Mannes verlässt, verliert der so gehärtete Mann völlig den Halt. In seine Trauer um den Liebesverlust mischt sich immer stärker die…mehr

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Produktbeschreibung
Bruno Daldossi ist ein erfolgreicher Fotograf, der sich auf die Arbeit in Krisen- und Kriegsgebieten spezialisiert hat. Nach vielen Jahren, in denen er für das Hamburger Magazin "Estero" in Tschetschenien oder im Irak, im Sudan oder in Afghanistan fotografiert hat, geht er mit Anfang Sechzig nur noch sporadisch auf seine gefährlichen Missionen. Als ihn aber seine langjährige Gefährtin Marlis, eine Zoologin, mit der er in Wien zusammenlebt, wegen eines anderen Mannes verlässt, verliert der so gehärtete Mann völlig den Halt. In seine Trauer um den Liebesverlust mischt sich immer stärker die Frage, wie mit dem Leid der Welt, das er in seinen Bildern festhält, zu leben und wie damit umzugehen ist. Wie viel Wahrheit halten wir aus? Wie viel Einfühlung, wie viel Nähe sind uns möglich? Daldossi freundet sich mit der Journalistin Johanna Schultheiß an, die aus Lampedusa berichten soll, und reist ihr nach. Und er versucht, Marlis zurückzugewinnen und Verantwortung zu übernehmen für wenigstens eins der Schicksale, die seinen Weg gekreuzt haben. In diesem kühnen Roman erzählt Sabine Gruber dicht, genau, schön und spannend von journalistischer Wahrheitsfindung, Krieg, Krisen und von einer großen Liebe.


Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Sabine Gruber, geboren 1963 in Meran, lebt als freie Schriftstellerin in Wien. Für ihr Werk, Erzählungen, Hörspiele und Theaterstücke sowie ihre Romane "Aushäusige", "Die Zumutung", "Über Nacht" und "Stillbach oder Die Sehnsucht" und den Gedichtband "Fang oder Schweigen" erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, u. a. den Priessnitz-Preis, den Förderungspreis zum österreichischen Staatspreis, das Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien, den Anton Wildgans-Preis, das Robert Musil-Stipendium und den Veza Canetti-Preis der Stadt Wien.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.11.2016

Die Kamera und
ihre Opfer
Sabine Gruber hat einen Roman über das Dilemma
des Foto-Reporters in Kriegsgebieten geschrieben
VON BURKHARD MÜLLER
Jeder kennt sie, und jedem ist bei ihnen leicht mulmig zumute: die Fotos von Kriegen, Krisen und Katastrophen, welche die jedesmal von Neuem überraschende Tatsache ins Bild setzen, dass es stets die Unschuldigen trifft, die Alten, Frauen und Kinder. Diese Bilder brachen vor einem halben Jahrhundert ins westdeutsche Bewusstsein ein, mit den großen Augen und Hungerbäuchen der Waisen von Biafra. Sie strömen in breiter Front in unsere Gegenwart herein, von den Opfern der afrikanischen und nahöstlichen Konflikte zu den Flüchtlingsmiseren vor der europäischen Haustür, und sie werden das, wie es den Anschein hat, noch lange tun.
  Denn weder die Erfindung des Schießpulvers noch die der Kamera lässt sich rückgängig machen. Beide Arten, zu zielen und abzudrücken, einander in Technik und Vokabular so ähnlich, gehören unauflöslich zusammen. Was da im Sekundenbruchteil geschieht, hat Bestand für die Ewigkeit; ein eben noch lebender Mensch ist dauerhaft tot, und der tote lebt fort im visuellen Gedächtnis der Öffentlichkeit, potenziell für immer. Zu beiden auch gehört der ethische Diskurs, der sie grundsätzlich infrage stellt, ohne ihre Praxis je im mindesten zu erschüttern.
  Kann man über Leute, die berufsmäßig solche Bilder schießen, einen Roman schreiben? Sabine Gruber hat es versucht. „Daldossi oder Das Leben des Augenblicks“ hat sie ihr Buch genannt. Es ist ein Titel, dem man sofort misstraut: Individuum und Problem sollen allein schon durch ein schwaches Bindewort zur Deckung gebracht werden. Und man ahnt, noch ehe man von ihm mehr kennt als den Namen, schon gleich, was dieser Daldossi für ein Kerl ist. Ein Mann im Vollsinn des Wortes ganz bestimmt, nicht mehr jung (denn für Jungspunde langt ein Nachname nicht aus), verwittert in Sand und Stürmen gefährlicher Himmelsstriche, tollkühn, wenngleich nicht immer tapfer, wenn der Granatenhagel niedergeht, ausgelaugt von all dem Elend und ihm doch zäh und süchtig auf der Spur – einer muss es ja machen! –, kein Verächter von Frauen und harten Getränken, doch unter einer abgebrühten Pelle im tiefsten ein Romantiker.
  Sein Vorname tut nichts zur Sache und wird selbst von der jeweiligen, gern deutlich jüngeren Geliebten kaum zum Vorschein gebracht. Zurück aus Tschetschenien, Bosnien oder Ruanda, fehlt ihm daheim (doch was heißt für ihn noch „daheim“?) die Geduld mit den joghurtbecherspülenden mitteleuropäischen Normalzivilisten, er eckt an durch Ticks und zynische Sprüche. Das, wie gesagt, ahnt man, ehe es losgeht. Und genauso kommt es.
  Die Autorin hat größte Mühe, aus diesem charakterlichen Zustand eine Handlung zu entwickeln, wie sie es bei einem Roman doch muss. Daldossi also kehrt wieder einmal aus dem Einsatz zurück (wie seine Erfinderin stammt er aus Südtirol und hat seinen Hauptstützpunkt in Wien). Diesmal aber muss er feststellen, dass ihn seine langjährige Lebensgefährtin Marlis, überdrüssig der Angst, der langen Trennungen und der ewigen Streitereien, verlassen hat.
  Der Streit dreht sich vor allem um den jeweiligen Beruf, den die beiden gewählt haben: Ist es nicht menschenverachtend, Sterbende abzuknipsen? Ist es nicht sentimental, eine Auffangstation für traumatisierte Bären in Zwettelsdorf zu betreiben, wenn überall auf der Welt so viele Menschen getötet werden? (Dass Daldossi mit Vornamen ausgerechnet Bruno heißt, muss man wohl als einen Zug von stillem Humor buchen.) Marlis ist mit einem friedlich-bescheidenen italienischen Lehrer durchgebrannt, Daldossi setzt ihr nach per Telefon, SMS und Flugzeug, treibt sich nächtlich stundenlang vor der Haustür des Paars in Venedig herum, trinkt, was er kriegen kann und ist im Verlauf des Buchs kaum je nüchtern. Von Venedig treibt es ihn nach der trostlosen Insel Lampedusa, wo Johanna, Journalistin und alte Bekannte, eine Reportage über Flüchtlinge in Schlauchbooten und Lagern machen will (nicht gerade die erste, wie sie weiß), und man kommt einander näher. Ach ja, und ganz zum Schluss (wirklich auf der allerletzten Seite) organisiert er die Einreise eines nigerianischen Kindes nach Südtirol; es ist die verschämte Coda eines schlechten Gewissens.
  Dieses Minimum an Geschehnis wird durchlässig für Flashbacks und Reflexionen. Im Irak hat Daldossi einmal zwischen den staubigen Polstern eines Taxis ein menschliches Auge gefunden. Einen Preis gewann er für das Bild eines zum Skelett abgemagerten Mädchens im Südsudan, dem ein Geier bedenklich nahe kam – ikonisches Menetekel oder Geschäft mit fremdem Elend? Sowohl als auch, wie man nach reiflicher Überlegung finden wird. Es ist einerseits nötig, dass es solche Bilder gibt, sonst verlören wir völlig aus den Augen, was im Südsudan passiert; andererseits hilft uns das wohleingeführte Genre „Bildreportage“, das Entsetzliche mit mäßigem emotionalem Aufwand in unser Alltagsleben einzubetten: So ist die Welt eben, an ihren Rändern zumindest. „Ich hab mir den Arsch aufgerissen, hatte Bruno gesagt, bin von einem Kriegsschauplatz zum anderen gehetzt, aber die – er hatte sich im Bett aufgesetzt – blättern einfach weiter.“
  Was erwartet er? Es ist eine arbeitsteilige Weltgesellschaft, wobei sein Part in der Lieferung grausiger Bilder besteht. Nur unter dieser Voraussetzung wird so etwas wie Katastrophenhilfe möglich, ein Tropfen auf den heißen Stein, gewiss, aber besser als gar nichts. Gruber kommt bei der Erörterung solcher Widersprüche und Vereinbarkeiten nicht weit, nicht weiter jedenfalls als ihr physisch und seelisch verkaterter Protagonist. Die Sprache dieses Buchs, das von den Taffen und Sentimentalen handelt, ist ebenfalls taff und sentimental. „Es schien, als prallten die Strahlen am Wasser ab, als wäre seine Fläche aus einer festen und harten Materie, wie bei einem Sprung aus hundert Metern Höhe, wenn der menschliche Körper nicht mehr einzutauchen vermag, ohne sich zu verletzen.“
  Die Sonne scheint, das Wasser glitzert, wie sie es im Mittelmeer immer tun, aber hier bilden sie die Kulisse für verschmachtende Flüchtlinge, und also muss eine möglichst brutale Metapher her, mit hundert Metern Fallhöhe – warum nicht gleich tausend? „So starben immer mehr Bootsinsassen an Erschöpfung und Austrocknung. Die Flüssigkeit entschwand über den Urin, den Stuhlgang, den Schweiß und die Atemluft aus ihren Körpern. Anfangs wurden die Toten noch mit Gebeten verabschiedet, später warfen die Flüchtlinge die leblosen Körper schweigend ins Meer.“
  Nichts davon ist erlebt und empfunden, das Schreckliche kommt in einer anschauungslosen Diktion daher, so seicht und ohnmächtig, wie es auch die Gefühle des Fernsehzuschauers sind. Dieses Buch hat sich vorgenommen, die mediale Aufbereitung der misslichen Weltlage als seinen Stoff zu gestalten. Das ist ihm misslungen, es gehört selbst zum Stoff, den es ergreifen wollte, als angestrengtes Beispiel einer sehr viel allgemeineren Hilflosigkeit. Als solches ist es höchst lehrreich.
Es ist eine arbeitsteilige
Weltgesellschaft, sein Part besteht
in der Lieferung grausiger Bilder
          
  
  
  
Sabine Gruber:
Daldossi oder Das Leben des Augenblicks. Roman.
Verlag C.H. Beck, München 2016. 315 Seiten, 21,95 Euro. E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

Milieu der Maulhelden

Autorinnen erzählen vom Krieg, Teil 2: Sabine Grubers Roman "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" über einen Kriegsfotografen.

Von Daniela Strigl

Es ist ein übel beleumdeter Berufsstand, dessen Ehrenrettung Sabine Gruber in ihrem neuen Roman unternimmt: Kriegsfotografen und -reportern sagt man nach, sie wären abgestumpft und zynisch, Voyeure allesamt, Zeugen des Schrecklichen, die zuschauten, ohne je einzugreifen, ohne zu helfen. Grubers Titelheld entspricht diesem Klischee nicht - oder nur auf den ersten Blick. Bruno Daldossi, renommierter und preisgekrönter Fotograf, ist einer, dem das, was er sieht und abbildet, nach wie vor an die Nieren geht, einer, der sich "die indifferenten Gefühle bei der Arbeit" erst antrainieren musste, das Ruhebewahren in gefährlichen Situationen, das Draufhalten mit der Kamera.

Als Anfänger in diesem Geschäft hat er im Südsudan noch seine Habseligkeiten an die Hungernden verschenkt. Nun hat der Profi nur Verachtung übrig für die "Mitfühler und Mitfühlerinnen", die ihn "mit ihrem aufgesetzten Leidensblick" auf seine Bilder ansprechen und ihm vorwerfen, "ich würde daran auch noch verdienen". Daldossis Berufsehre gründet auf einer Ethik der "Klarheit und Präzision", der Respekt des Berichterstatters zeigt sich für ihn in der Akribie der Recherche. Und doch weiß er nur zu genau, was der Selbstgerechtigkeit der Kritiker nicht zugänglich scheint: dass die obszöne Schönheit mancher dieser Fotos sich allein der Empathie verdankt.

Deshalb ist der müde Veteran zum Trinker geworden, deshalb wird er bis in seine Albträume von den Bildern verfolgt, die er vermeintlich festgehalten hat. "Das Leben des Augenblicks" erweist sich als zäher, denn ihm lieb sein kann. Daldossi, deutlich jenseits seiner besten Jahre, war überall, in Tschetschenien, Bosnien, Afghanistan und im Irak, und langsam hat er genug vom Dienst an der vordersten Front. Konzentrationsschwierigkeiten plagen ihn, er reagiert zu langsam, verspürt vor allem immer weniger Lust zu fotografieren.

Die Geschichte setzt ein, als der Fotograf seinen Rückzug beschlossen hat und nun in der Wiener Wohnung vor den Trümmern seines Privatlebens steht. Seine Lebensgefährtin Marlis, die wie er (und die Autorin) aus Südtirol stammt, hat ihn verlassen und ist ihrem Liebhaber nach Venedig gefolgt. Seit langem schon hat Daldossis Arbeit, so faszinierend, ja erregend sie Marlis einmal erschienen war, die Beziehung untergraben, hat die ständige Sorge um den Söldner der Reportage ihre Liebe zersetzt. Auch die Ehe von Daldossis Kollegen Schultheiß ist zwischen Alltag und Extremsituation erodiert: Dessen Frau hat sich von ihm getrennt, nachdem er ihr im Urlaub beim Versuch, sie zu schützen, das Bein gebrochen hatte. Ein Feuerwerk war schuld gewesen am Reflex.

Sabine Gruber erzählt mit stupender Einfühlung aus der Perspektive ihres Helden, eines routinierten Herzensbrechers, für den es lange selbstverständlich war, seinen erschütterten Seelenfrieden mit Hilfe von vagabundierendem Sex zu reparieren, und dem das mit fortschreitendem Alter immer schlechter gelingt, ein Abgehalfterter in mancher Hinsicht. Daldossis bis zuletzt vergebliche Versuche, die geliebte Frau zurückzugewinnen, bilden den roten Faden dieser Geschichte, jedoch nicht ihr eigentliches Thema: Das ist die Frage nach Schuld des Beobachters und der Schuld all jener, die das Beobachtete konsumieren und sich in einem lauen Unbehagen häuslich eingerichtet haben. Die Autorin lässt ihre Figuren diese Fragen differenziert verhandeln und gleichsam durchexerzieren. Anschaulich auch im buchstäblichen Sinn, zwingt "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" den Leser zum Hinschauen: In sechzehn Karteikarten gleich in die Erzählung montierten Texten werden Daldossis Bilder schmerzhaft genau und sachlich beschrieben, mit Titel, Ort, Datum der Aufnahme und Angaben zur Publikation.

Sabine Gruber hat den Roman als realitätsgesättigte Erfindung mit der ihr eigenen Gründlichkeit komponiert und recherchiert, ja sie hat sogar, wie sie in einer Nachbemerkung verrät, an einem Überlebenstraining teilgenommen, das die Bundeswehr seit dem Tod zweier "Stern"-Journalisten im Kosovo 1999 für Kriegsberichterstatter anbietet. Einer der beiden war Grubers Freund gewesen. "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" lässt sich auch als Pendant zu Norbert Gstreins um diese Figur kreisenden Roman "Das Handwerk des Tötens" (2003) lesen.

Davon, dass das nach wie vor als männliches Handwerk gilt, hat die Autorin sich zu Recht nicht abschrecken lassen. Das Milieu der rauhen Gesellen, der Maulhelden und Herrenwitzbolde schildert sie selbstverständlich authentisch, ohne Anbiederung, aber auch ohne Naserümpfen. Als weiblicher Widerpart fungiert nicht nur Marlis, die leidenschaftliche Bärenforscherin, sondern auch die Journalistin Johanna, Daldossis Bekannte von früher, der er nach seinem persönlichen Schiffbruch vor den Toren Venedigs nach Lampedusa nachfährt, wo sie für eine Reportage über den Menschenhandel mit Afrikanerinnen recherchiert und ihn tatkräftig davon überzeugt, dass er keineswegs zur "Frauenscheuche" geworden ist.

Kunstvoll inszenierten Momenten magischer Intensität zum Trotz bleibt die Erzählstimme auf merkwürdige Art distanziert. Sie vermag Bruno Daldossis Seelennöte zwischen Resignation und Sich-Aufraffen glaubwürdig zu machen, doch wirklich nahezugehen scheinen sie ihr nicht. Der Rucksack, den Sabine Gruber ihrem Helden und damit dem Roman umgehängt hat, erweist sich denn auch zu schwer für Menschenkraft: Vom Totenschiff vor Lampedusa bis zum Tahrir-Platz, von den Phosphorbomben der amerikanischen Marines in Falludscha bis zur Zwangsprostitution nigerianischer Flüchtlingsfrauen hat sie alles hineingepackt.

"Graurauschen" hat Daldossis Kollege Schultheiß ein Gefühl des Ennui, des einsickernden Weltekels genannt. Für Daldossi war das schon "zu viel Poesie". Was er, der Augenmensch, am meisten fürchtet, ist die undurchdringliche Schwärze der Nacht. Am Ende bleibt offen, ob sich für ihn im Herzen der Finsternis noch ein erleuchtetes Fenster auftut.

Sabine Gruber: "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks".

C. H. Beck Verlag, München 2016. 315 S., geb., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die Südtirolerin Sabine Gruber zählt zu Österreichs wichtigsten Schriftstellerinnen."
Profil, Wolfgang Paterno

"ein mit großer erzählerischer Energie inszeniertes Lehrstück über Moral"
Paul Jandl, Die Welt, 29. Dezember 2016

"Kunstvoll inszenierte Momente magischer Intensität"
Daniela Strigl, FAZ Literaturbeilage, 26. November 2016

"Sabine Gruber's neuer, genau konstruierter Roman erzählt von Krieg, Krisen, Wahrheitsfindung und großer Liebe"
Rotraut Schöberl, Das Magazin 5 plus, 2016

"Faszinierend"
Christine Lötscher, Schweizer Literaturclub, 15. November 2016

"Man liest diesen Roman und geht anschließend anders ins Leben."
Nicola Steiner, Schweizer Literaturclub, 15. November 2016

"Ein ehrenwertes Buch. Dieser Roman hat keinen Fehl und keinen Makel."
Martin Ebel, Schweizer Literaturclub, 15. November 2016

"Ihrer hochsensiblen Sprache ist es geschuldet, dass sich hier nichtbloß Abbilder von Reporter-Veteranen in einem Helden verdichten, sondern es ist ihr ein zarter, wertschätzender Text über Heimatlose und deren Unmöglichkeit des Ankommens gelungen"
Peter Grubmüller, Oberösterreichische Nachrichten, 12. November 2016

"Die Schriftstellerin nimmt ihre Leser so intensiv mit, als ob sie selbst durch die Linse des Kriegsfotografen schauen"
BR Rundschau, 11. November 2016

"Gruber [...] erzählt dicht, genau, schön und spannend"
buch aktuell, Herbst 2016

"Ein moderner 'Krieg und Frieden' mit politischem Tiefgang"
Helmut Groschup, Dolomiten, 8. September 2016

"Sabine Gruber stellt in ihrem packenden und kenntnisreichen Roman Fragen, die uns alle angehen"
Antje Liebsch, Brigitte, 3. August 2016

"Spannend, klug, gefühlsstark"
Deutschlandradio, 2. August 2016

"Ein Meisterstück"
Julian Schafferhofer, Kleine Zeitung, 30. Juli 2016

"Die personale Erzählweise des ebenso sorgfältig recherchierten wie komponierten Romans ist eine Herausforderung, die Sabine Gruber bravurös meistert"
Daniela Strigl, Der Standard 16. Juli 2016

"Kein überflüssiges Wort steht bei Sabine Gruber"
Peter Pisa, Kurier Wien, 23. Juli 2016

"Nicht nur ein gutes, sondern auch ein wichtiges Buch"
Joachim Leitner, Tiroler Tageszeitung, 21. Juli 2016

"Sie hat einen spannenden, klugen, gefühlsstarken Roman geschrieben, den man nicht vergisst"
Jörg Magenau, Deutschlandradio Kultur Lesart, 22. Juli 2016

"Überzeugend"
Thomas Rothschild, Die Presse, 23. Juli 2016
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Die Kamera und
ihre Opfer

Sabine Gruber hat einen Roman über das Dilemma
des Foto-Reporters in Kriegsgebieten geschrieben

VON BURKHARD MÜLLER

Jeder kennt sie, und jedem ist bei ihnen leicht mulmig zumute: die Fotos von Kriegen, Krisen und Katastrophen, welche die jedesmal von Neuem überraschende Tatsache ins Bild setzen, dass es stets die Unschuldigen trifft, die Alten, Frauen und Kinder. Diese Bilder brachen vor einem halben Jahrhundert ins westdeutsche Bewusstsein ein, mit den großen Augen und Hungerbäuchen der Waisen von Biafra. Sie strömen in breiter Front in unsere Gegenwart herein, von den Opfern der afrikanischen und nahöstlichen Konflikte zu den Flüchtlingsmiseren vor der europäischen Haustür, und sie werden das, wie es den Anschein hat, noch lange tun.

  Denn weder die Erfindung des Schießpulvers noch die der Kamera lässt sich rückgängig machen. Beide Arten, zu zielen und abzudrücken, einander in Technik und Vokabular so ähnlich, gehören unauflöslich zusammen. Was da im Sekundenbruchteil geschieht, hat Bestand für die Ewigkeit; ein eben noch lebender Mensch ist dauerhaft tot, und der tote lebt fort im visuellen Gedächtnis der Öffentlichkeit, potenziell für immer. Zu beiden auch gehört der ethische Diskurs, der sie grundsätzlich infrage stellt, ohne ihre Praxis je im mindesten zu erschüttern.

  Kann man über Leute, die berufsmäßig solche Bilder schießen, einen Roman schreiben? Sabine Gruber hat es versucht. „Daldossi oder Das Leben des Augenblicks“ hat sie ihr Buch genannt. Es ist ein Titel, dem man sofort misstraut: Individuum und Problem sollen allein schon durch ein schwaches Bindewort zur Deckung gebracht werden. Und man ahnt, noch ehe man von ihm mehr kennt als den Namen, schon gleich, was dieser Daldossi für ein Kerl ist. Ein Mann im Vollsinn des Wortes ganz bestimmt, nicht mehr jung (denn für Jungspunde langt ein Nachname nicht aus), verwittert in Sand und Stürmen gefährlicher Himmelsstriche, tollkühn, wenngleich nicht immer tapfer, wenn der Granatenhagel niedergeht, ausgelaugt von all dem Elend und ihm doch zäh und süchtig auf der Spur – einer muss es ja machen! –, kein Verächter von Frauen und harten Getränken, doch unter einer abgebrühten Pelle im tiefsten ein Romantiker.

  Sein Vorname tut nichts zur Sache und wird selbst von der jeweiligen, gern deutlich jüngeren Geliebten kaum zum Vorschein gebracht. Zurück aus Tschetschenien, Bosnien oder Ruanda, fehlt ihm daheim (doch was heißt für ihn noch „daheim“?) die Geduld mit den joghurtbecherspülenden mitteleuropäischen Normalzivilisten, er eckt an durch Ticks und zynische Sprüche. Das, wie gesagt, ahnt man, ehe es losgeht. Und genauso kommt es.

  Die Autorin hat größte Mühe, aus diesem charakterlichen Zustand eine Handlung zu entwickeln, wie sie es bei einem Roman doch muss. Daldossi also kehrt wieder einmal aus dem Einsatz zurück (wie seine Erfinderin stammt er aus Südtirol und hat seinen Hauptstützpunkt in Wien). Diesmal aber muss er feststellen, dass ihn seine langjährige Lebensgefährtin Marlis, überdrüssig der Angst, der langen Trennungen und der ewigen Streitereien, verlassen hat.

  Der Streit dreht sich vor allem um den jeweiligen Beruf, den die beiden gewählt haben: Ist es nicht menschenverachtend, Sterbende abzuknipsen? Ist es nicht sentimental, eine Auffangstation für traumatisierte Bären in Zwettelsdorf zu betreiben, wenn überall auf der Welt so viele Menschen getötet werden? (Dass Daldossi mit Vornamen ausgerechnet Bruno heißt, muss man wohl als einen Zug von stillem Humor buchen.) Marlis ist mit einem friedlich-bescheidenen italienischen Lehrer durchgebrannt, Daldossi setzt ihr nach per Telefon, SMS und Flugzeug, treibt sich nächtlich stundenlang vor der Haustür des Paars in Venedig herum, trinkt, was er kriegen kann und ist im Verlauf des Buchs kaum je nüchtern. Von Venedig treibt es ihn nach der trostlosen Insel Lampedusa, wo Johanna, Journalistin und alte Bekannte, eine Reportage über Flüchtlinge in Schlauchbooten und Lagern machen will (nicht gerade die erste, wie sie weiß), und man kommt einander näher. Ach ja, und ganz zum Schluss (wirklich auf der allerletzten Seite) organisiert er die Einreise eines nigerianischen Kindes nach Südtirol; es ist die verschämte Coda eines schlechten Gewissens.

  Dieses Minimum an Geschehnis wird durchlässig für Flashbacks und Reflexionen. Im Irak hat Daldossi einmal zwischen den staubigen Polstern eines Taxis ein menschliches Auge gefunden. Einen Preis gewann er für das Bild eines zum Skelett abgemagerten Mädchens im Südsudan, dem ein Geier bedenklich nahe kam – ikonisches Menetekel oder Geschäft mit fremdem Elend? Sowohl als auch, wie man nach reiflicher Überlegung finden wird. Es ist einerseits nötig, dass es solche Bilder gibt, sonst verlören wir völlig aus den Augen, was im Südsudan passiert; andererseits hilft uns das wohleingeführte Genre „Bildreportage“, das Entsetzliche mit mäßigem emotionalem Aufwand in unser Alltagsleben einzubetten: So ist die Welt eben, an ihren Rändern zumindest. „Ich hab mir den Arsch aufgerissen, hatte Bruno gesagt, bin von einem Kriegsschauplatz zum anderen gehetzt, aber die – er hatte sich im Bett aufgesetzt – blättern einfach weiter.“

  Was erwartet er? Es ist eine arbeitsteilige Weltgesellschaft, wobei sein Part in der Lieferung grausiger Bilder besteht. Nur unter dieser Voraussetzung wird so etwas wie Katastrophenhilfe möglich, ein Tropfen auf den heißen Stein, gewiss, aber besser als gar nichts. Gruber kommt bei der Erörterung solcher Widersprüche und Vereinbarkeiten nicht weit, nicht weiter jedenfalls als ihr physisch und seelisch verkaterter Protagonist. Die Sprache dieses Buchs, das von den Taffen und Sentimentalen handelt, ist ebenfalls taff und sentimental. „Es schien, als prallten die Strahlen am Wasser ab, als wäre seine Fläche aus einer festen und harten Materie, wie bei einem Sprung aus hundert Metern Höhe, wenn der menschliche Körper nicht mehr einzutauchen vermag, ohne sich zu verletzen.“

  Die Sonne scheint, das Wasser glitzert, wie sie es im Mittelmeer immer tun, aber hier bilden sie die Kulisse für verschmachtende Flüchtlinge, und also muss eine möglichst brutale Metapher her, mit hundert Metern Fallhöhe – warum nicht gleich tausend? „So starben immer mehr Bootsinsassen an Erschöpfung und Austrocknung. Die Flüssigkeit entschwand über den Urin, den Stuhlgang, den Schweiß und die Atemluft aus ihren Körpern. Anfangs wurden die Toten noch mit Gebeten verabschiedet, später warfen die Flüchtlinge die leblosen Körper schweigend ins Meer.“

  Nichts davon ist erlebt und empfunden, das Schreckliche kommt in einer anschauungslosen Diktion daher, so seicht und ohnmächtig, wie es auch die Gefühle des Fernsehzuschauers sind. Dieses Buch hat sich vorgenommen, die mediale Aufbereitung der misslichen Weltlage als seinen Stoff zu gestalten. Das ist ihm misslungen, es gehört selbst zum Stoff, den es ergreifen wollte, als angestrengtes Beispiel einer sehr viel allgemeineren Hilflosigkeit. Als solches ist es höchst lehrreich.

Es ist eine arbeitsteilige
Weltgesellschaft, sein Part besteht
in der Lieferung grausiger Bilder

          
  
  
  
Sabine Gruber:
Daldossi oder Das Leben des Augenblicks. Roman.
Verlag C.H. Beck, München 2016. 315 Seiten, 21,95 Euro. E-Book 17,99 Euro.

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