Der fast schon archaische Drang zu einem besseren, aufregenderen Anderswo
Es geht nicht um das Glück, sondern um die Sehnsucht danach, die Sehnsucht nach dem Verlorenen, Unerreichbaren. Sarah Pines Figuren sind allesamt Gestrandete, Verlorene, vom Leben Vergessene, Betrogene, Abhängige. Mit
schnellen Pinselstrichen entwirft die Autorin eine ganze Welt voller Melancholie, atmosphärisch dicht,…mehrDer fast schon archaische Drang zu einem besseren, aufregenderen Anderswo
Es geht nicht um das Glück, sondern um die Sehnsucht danach, die Sehnsucht nach dem Verlorenen, Unerreichbaren. Sarah Pines Figuren sind allesamt Gestrandete, Verlorene, vom Leben Vergessene, Betrogene, Abhängige. Mit schnellen Pinselstrichen entwirft die Autorin eine ganze Welt voller Melancholie, atmosphärisch dicht, geheimnisvoll, skurril, tragisch, komisch und auch voller maroder Poesie.
Der Leser sehnt sich nach einem Fortgang der Erzählungen, möchte diese Momentaufnahmen verlängern, eine mögliche Zukunft erkennen. Aber diese ist nicht Thema, die Figuren verharren in ihrer Trauer und Erstarrung, eine Veränderung und auch Zukunft ist nicht möglich. Immer wieder möchte man einzelne Gestalten schütteln, sie auf den Boden der Realität zurückholen: Warum gestaltet ihr nicht eure Umgebung? Warum diese Passivität? Dieses Leiden und diese Opferrolle? Dieses Verharren im ewig Gestrigen? Wie Wagners Götter, die zu müde und erschöpft sind, um ihr Schicksal selbst zu formen, ertragen z.B. die Göttinnen Hollywoods das Ende ihrer Karriere, das Ende des Schwarz-Weiß-Films, suchen den echten und symbolischen Tod im Sturz vom Götterhimmel.
Die Geschichten sind extrem dicht, ohne zu sehr ins Detail zu gehen wird die jeweilige Atmosphäre in Zürich, Amerika oder Südeuropa sicher gezeichnet - die schöne, zerbrechliche Mutter, der alkoholabhängige Vater, der es zu großem Vermögen gebracht hat, der verwunderte Sohn, die verwelkende Hollywood-Diva, die depressive Ehefrau aus der amerikanischen Vorstadt, der griechische Gigolo, der sich Rettung in Deutschland erhofft, die verlorene Schlossherrin, die zur Mörderin wird - die Einsamkeit zwischen den Personen ist der rote Faden zwischen den unterschiedlichen Settings.
Das ganze Ambiente und die Stimmung sind plastisch vorstellbar und die Sprache passend, ohne große Worte, lakonisch, ganz der amerikanischen Short Story verpflichtet.
"Shania versucht ein letztes Mal, Blickkontakt herzustellen (...) Sie ist verloren. Das Geschöpf einer versinkenden Welt. Die Zukunft gehört ihr nicht und die Stiefel kneifen an den Waden."
Eine äußerst lesenswerte Sammlung von Kurzgeschichten, die einen starken Sog ausüben und in eine Welt voller morbider Schönheit, Melancholie und Trauer entführen.