Das Vermächtnis eines großartigen Autors und Menschenkenners. Oliver Sacks hat mit seinen neurologischen Fallgeschichten Millionen Leser weltweit erreicht und ihr Denken verändert: Was auf den ersten Blick als krank oder abweichend erscheint, ermöglicht oft besondere Fähigkeiten der Wahrnehmung und des Fühlens. Und das sogenannte Normale ist meist fragwürdiger, als wir es gern wahrhaben wollen. Am 30. August 2015 starb Oliver Sacks in New York. In seinen letzten Lebensmonaten hat er eine Reihe von Aufsätzen geschrieben und veröffentlicht, in denen er über das Altern, über seine Krankheit, über den nahenden Tod nachdenkt - und in denen er seine Dankbarkeit ausdrückt für alles, was er in 82 Jahren erleben durfte. Es sind anrührende, meditative Texte über die grundlegenden Fragen von Leben und Tod, Glauben und Wissen. Auch über seine jüdische Herkunft und sein Verhältnis zur Religion legt Oliver Sacks Zeugnis ab. Und er beschreibt, warum die exakten Naturwissenschaften, vor allem das Periodensystem der chemischen Elemente, ihn zeitlebens fasziniert und begeistert haben. Illustriert mit Fotos von Oliver Sacks' Lebensgefährten Bill Hayes.
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Wie man die letzten drei Essays des britischen Neurologen Oliver Sacks bloß rezensieren soll, fragt sich Hannes Stein zu Beginn seiner Besprechung und lässt im Folgenden lieber erst einmal Zitate aus dem dünnen Bändchen "Dankbarkeit" sprechen. Beeindruckt zeigt sich Stein von der würdevollen Gelassenheit Sacks' angesichts des nahenden Krebstodes, vom Verzicht auf Bitterkeit und Zweifel. Beim Lesen hat den Rezensenten deshalb "eine komplizierte Art von prophylaktischem Neid" befallen, gibt er zu, so unbeschwert und heiter wie der Autor wolle er auch einmal sterben. Am meisten bewegt hat ihn aber der letzte Essay, denn dort blickt Sacks dankbar darauf zurück, wie er als Homosexueller zum traditionellen Freitagabendmahl eingeladen wurde und auf diese Weise seinen späten Frieden mit dem Judentum machte, erzählt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2015Warum er Steine liebte
Lebensrückblicke: Vier späte Texte von Oliver Sacks
Der Neurologe, Psychiater und Erzähler Oliver Sacks starb Ende August im Alter von zweiundachtzig Jahren. Ein halbes Jahr zuvor hatte er in einem in der "New York Times" erschienenen Text öffentlich gemacht, dass ihm ein diagnostizierter Tumor nur noch wenig Lebenszeit lasse. Das Erscheinen seiner kurz vor dieser Diagnose abgeschlossenen Biographie erlebte Sacks noch. Auch der Rowohlt Verlag beeilte sich und brachte die deutsche Ausgabe nur wenige Wochen nach der englischen heraus (F.A.Z. vom 6. Juni). Nun folgt, wieder fast gleichzeitig mit der Originalausgabe, ein Bändchen mit vier späten kurzen Texten von Sacks.
Der erste ist eine knapp vor seinem achtzigsten Geburtstag niedergeschriebene Betrachtung über die zurückgelegte Lebensstrecke, aber auch ein Blick voraus auf den Tod, der schon so viele Freunde rings um ihn ereilt hatte. Jetzt erst könne er, den Krankheit bisher verschonte, sich vorstellen, ja in allen Fasern spüren, wie ein Jahrhundert beschaffen sei. Der zweite Text ist der eingangs erwähnte Beitrag in der NYT, in dem Sacks sich an seinen "Lieblingsphilosophen" David Hume hält, der an einem Apriltag des Jahres 1776, als er von seiner unheilbaren Krankheit erfahren hatte, in einem Zug die Betrachtung "Mein Leben" niederschrieb. Der dritte entstand in diesem Sommer und nimmt noch einmal das Motiv des Periodensystems der Elemente auf, das Sacks von Kindheit an faszinierte. Seit damals seien die Naturwissenschaften ihm Zuflucht gewesen, wenn das Leben schwierig worden sei; und wie als Kind, so umgebe er sich auch jetzt mit Metallen und Mineralien, "kleinen Symbolen der Ewigkeit".
Der letzte Text, "Sabbat", an dem Sacks noch zwei Wochen vor seinem Tod schrieb, blickt zurück auf diese Kindheit in einer jüdisch-orthodoxen Familie im London der Vorkriegsjahre - und erzählt von späten Begegnungen mit orthodox gebliebenen Verwandten.
Es sind keine ganz neuen Facetten über die Biographie und die zuvor schon einmal beschriebene Kindheit hinaus, mit denen dieses Bändchen aufwartet. Aber sie zeigen einen einnehmenden Autor, für den sich Gegenwart und Erinnerung vor dem Hintergrund der auslaufenden Lebenszeit auf anrührende Weise zusammenfügen.
hmay
Oliver Sacks: "Dankbarkeit".
Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt
Verlag, Reinbek 2015. 80 S., geb., 8,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lebensrückblicke: Vier späte Texte von Oliver Sacks
Der Neurologe, Psychiater und Erzähler Oliver Sacks starb Ende August im Alter von zweiundachtzig Jahren. Ein halbes Jahr zuvor hatte er in einem in der "New York Times" erschienenen Text öffentlich gemacht, dass ihm ein diagnostizierter Tumor nur noch wenig Lebenszeit lasse. Das Erscheinen seiner kurz vor dieser Diagnose abgeschlossenen Biographie erlebte Sacks noch. Auch der Rowohlt Verlag beeilte sich und brachte die deutsche Ausgabe nur wenige Wochen nach der englischen heraus (F.A.Z. vom 6. Juni). Nun folgt, wieder fast gleichzeitig mit der Originalausgabe, ein Bändchen mit vier späten kurzen Texten von Sacks.
Der erste ist eine knapp vor seinem achtzigsten Geburtstag niedergeschriebene Betrachtung über die zurückgelegte Lebensstrecke, aber auch ein Blick voraus auf den Tod, der schon so viele Freunde rings um ihn ereilt hatte. Jetzt erst könne er, den Krankheit bisher verschonte, sich vorstellen, ja in allen Fasern spüren, wie ein Jahrhundert beschaffen sei. Der zweite Text ist der eingangs erwähnte Beitrag in der NYT, in dem Sacks sich an seinen "Lieblingsphilosophen" David Hume hält, der an einem Apriltag des Jahres 1776, als er von seiner unheilbaren Krankheit erfahren hatte, in einem Zug die Betrachtung "Mein Leben" niederschrieb. Der dritte entstand in diesem Sommer und nimmt noch einmal das Motiv des Periodensystems der Elemente auf, das Sacks von Kindheit an faszinierte. Seit damals seien die Naturwissenschaften ihm Zuflucht gewesen, wenn das Leben schwierig worden sei; und wie als Kind, so umgebe er sich auch jetzt mit Metallen und Mineralien, "kleinen Symbolen der Ewigkeit".
Der letzte Text, "Sabbat", an dem Sacks noch zwei Wochen vor seinem Tod schrieb, blickt zurück auf diese Kindheit in einer jüdisch-orthodoxen Familie im London der Vorkriegsjahre - und erzählt von späten Begegnungen mit orthodox gebliebenen Verwandten.
Es sind keine ganz neuen Facetten über die Biographie und die zuvor schon einmal beschriebene Kindheit hinaus, mit denen dieses Bändchen aufwartet. Aber sie zeigen einen einnehmenden Autor, für den sich Gegenwart und Erinnerung vor dem Hintergrund der auslaufenden Lebenszeit auf anrührende Weise zusammenfügen.
hmay
Oliver Sacks: "Dankbarkeit".
Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt
Verlag, Reinbek 2015. 80 S., geb., 8,- [Euro].
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.12.2015Elementar
Die vier letzten Texte von
Oliver Sacks in einem Bändchen
Als Autor hat der britische Neurologe Oliver Sacks das Genre der narrativen Medizin wiederbelebt. In Büchern wie „Awakenings: Zeit des Erwachens“ (1973) oder „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ (1985) erzählte er Fallgeschichten nach den Vorbildern des 19. Jahrhunderts. Doch zuletzt suchte Sacks Trost in einer Welt, „in der es kein Leben gibt, aber auch keinen Tod“. Schon als Kind hatte er seine Geburtstage mit den Ordnungszahlen der Elemente verbunden (mit elf Jahren war er beispielsweise Natrium, Element 11) – und das Periodensystem zu seinem Gefährten gemacht. „Mein Selbstverständnis als Arzt der Vergessenen und Ausgegrenzten“, so schreibt er, „macht auch vor der anorganischen Welt nicht halt und manifestiert sich in meinen Gefühlen für Bismut“, das „selbst von Metall-Aficionados“ häufig missachtet werde.
Seinen Bismut-Geburtstag (Element 83) hat er nicht mehr erlebt. Kurz nachdem er 2014 seine Autobiografie „On the Move“ abgegeben hatte, erfuhr Sacks, dass er nur noch Monate zu leben haben würde. Binnen weniger Tage schrieb er den Essay „Mein Leben“, mit dem er in der New York Times seine unheilbare Krebserkrankung öffentlich machte. Diesen Abschieds-Text sowie drei weitere Texte, die noch in seinem letzten Sommer entstanden, versammelt nun ein kleiner Band mit dem Titel „Dankbarkeit“. Im abschließenden Essay „Sabbat“ schreibt Sacks über seine Homosexualität, die ihn aus der streng gläubigen Familie ausschloss. Erst kurz vor seinem Tod versöhnte er sich mit seiner jüdisch-orthodoxen Herkunft. „Mir kommt der Sabbat in den Sinn, der Tag der Ruhe, der siebte Tag der Woche, vielleicht auch der siebte Tag des eigenen Lebens, der einem das Gefühl gibt, man habe seine Arbeit getan und dürfe nun guten Gewissens ruhen.“ Oliver Sacks starb am 30. August 2015 im Alter von 82 Jahren. Seine Lehren sind aus Element 79: Gold.
CHRISTOPHER SCHMIDT
Oliver Sacks: Dankbarkeit. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Reinbek 2015. 64 Seiten, 8 Euro.
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Die vier letzten Texte von
Oliver Sacks in einem Bändchen
Als Autor hat der britische Neurologe Oliver Sacks das Genre der narrativen Medizin wiederbelebt. In Büchern wie „Awakenings: Zeit des Erwachens“ (1973) oder „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ (1985) erzählte er Fallgeschichten nach den Vorbildern des 19. Jahrhunderts. Doch zuletzt suchte Sacks Trost in einer Welt, „in der es kein Leben gibt, aber auch keinen Tod“. Schon als Kind hatte er seine Geburtstage mit den Ordnungszahlen der Elemente verbunden (mit elf Jahren war er beispielsweise Natrium, Element 11) – und das Periodensystem zu seinem Gefährten gemacht. „Mein Selbstverständnis als Arzt der Vergessenen und Ausgegrenzten“, so schreibt er, „macht auch vor der anorganischen Welt nicht halt und manifestiert sich in meinen Gefühlen für Bismut“, das „selbst von Metall-Aficionados“ häufig missachtet werde.
Seinen Bismut-Geburtstag (Element 83) hat er nicht mehr erlebt. Kurz nachdem er 2014 seine Autobiografie „On the Move“ abgegeben hatte, erfuhr Sacks, dass er nur noch Monate zu leben haben würde. Binnen weniger Tage schrieb er den Essay „Mein Leben“, mit dem er in der New York Times seine unheilbare Krebserkrankung öffentlich machte. Diesen Abschieds-Text sowie drei weitere Texte, die noch in seinem letzten Sommer entstanden, versammelt nun ein kleiner Band mit dem Titel „Dankbarkeit“. Im abschließenden Essay „Sabbat“ schreibt Sacks über seine Homosexualität, die ihn aus der streng gläubigen Familie ausschloss. Erst kurz vor seinem Tod versöhnte er sich mit seiner jüdisch-orthodoxen Herkunft. „Mir kommt der Sabbat in den Sinn, der Tag der Ruhe, der siebte Tag der Woche, vielleicht auch der siebte Tag des eigenen Lebens, der einem das Gefühl gibt, man habe seine Arbeit getan und dürfe nun guten Gewissens ruhen.“ Oliver Sacks starb am 30. August 2015 im Alter von 82 Jahren. Seine Lehren sind aus Element 79: Gold.
CHRISTOPHER SCHMIDT
Oliver Sacks: Dankbarkeit. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Reinbek 2015. 64 Seiten, 8 Euro.
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Sacks schreibt mit solcher Begeisterung über Wissenschaft, dass man umgehend den eigenen Beruf an den Nagel hängen und Forscher werden möchte. Kathrin Passig Die Zeit