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50 Jahre nach "1968" ist es Zeit für einen frischen Blick auf die Ereignisse, die bis heute die Republik spalten. Anhand von erstmals ausgewerteten neuen Quellen erschüttert Christina von Hodenberg die alten Gewissheiten und zeigt das andere Achtundsechzig jenseits der immer wieder erzählten Legenden. In unserer Erinnerung ist Achtundsechzig eine Angelegenheit junger männlicher Studenten in Großstädten wie Berlin und Frankfurt. Im Hintergrund wirkt ein Generationenkonflikt, der sich aus dem Streit um die NS-Vergangenheit speist. Rudi Dutschke, der SDS und die Berliner Kommune I stehen im…mehr

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Produktbeschreibung
50 Jahre nach "1968" ist es Zeit für einen frischen Blick auf die Ereignisse, die bis heute die Republik spalten. Anhand von erstmals ausgewerteten neuen Quellen erschüttert Christina von Hodenberg die alten Gewissheiten und zeigt das andere Achtundsechzig jenseits der immer wieder erzählten Legenden. In unserer Erinnerung ist Achtundsechzig eine Angelegenheit junger männlicher Studenten in Großstädten wie Berlin und Frankfurt. Im Hintergrund wirkt ein Generationenkonflikt, der sich aus dem Streit um die NS-Vergangenheit speist. Rudi Dutschke, der SDS und die Berliner Kommune I stehen im Mittelpunkt der Darstellung. Doch war das wirklich alles? In ihrem glänzend geschriebenen Buch zeigt Christina von Hodenberg, was an diesem Bild nicht stimmt und was es auslässt. Achtundsechzig war auch weiblich, es spielte ebenso abseits der großen Metropolen, die NS-Vergangenheit war nicht die zentrale Antriebskraft und die Eltern hatten viel mehr Verständnis für die Anliegen ihrer Kinder, als es im Rückblick scheint. Indem es das in den Blick nimmt, was sonst meist ausgeblendet wird, liefert dieses Buch die erste wahre Gesellschaftsgeschichte der Revolte von 1968.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Christina von Hodenberg ist Professorin für Europäische Geschichte an der Queen Mary University in London.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2018

Frauen kämpften gleich an mehreren Fronten

Der Konflikt der Generationen stand nicht im Zentrum: Christina von Hodenberg revidiert Ansichten über die Achtundsechziger.

Von Christoph Möllers

Zu den verstörenden Eigenheiten des historischen Buchmarkts gehört seine zunehmende Fixierung auf Jahres- und Gedenktage, also auf Themen, die von keiner eigenständigen Fragestellung veranlasst sind. Wenn alle Epochen gleich zu Gott sind, kann man es natürlich auch dem Zufall in Form eines Jubiläums überlassen, einen Gegenstand zu wählen. Leider beeilen sich die Verfasser von Gedenktagsware aber häufig mit der Versicherung, gerade ihr Thema sei von besonderer Aktualität. So hat uns natürlich ausgerechnet der Krieg, der vor vierhundert Jahren begann, besonders viel über die Gegenwart zu sagen. Welch schöner Zufall, wie sich der Weltgeist den Bedürfnissen des Buchmarkts fügt.

Christina von Hodenbergs Buch über das "andere Achtundsechzig" erscheint zwar rechtzeitig zum fünfzigsten Jahrestag ihres Gegenstands, aber die Autorin entgeht der Beliebigkeit des Datums schon dadurch, dass ihre Forschung einen genuin wissenschaftlichen Anlass hat: einen Quellenfund. Im Keller des Psychologischen Instituts der Heidelberger Universität entdeckte die Verfasserin, Professorin für Europäische Geschichte an der Londoner Queen Mary University, sechshundert Tonbänder, auf denen seit 1965 Interviews mit Senioren aufgezeichnet wurden.

In der "Bonner Längsschnittstudie des Alterns" (BOLSA) befragten und untersuchten die ersten deutschen Altersforscher um den Bonner Psychologieprofessor Hans Thomae gut zweihundert vor dem Jahr 1909 geborene Personen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Diese Studien als Kern einer alternativen Mentalitätsgeschichte des Jahres 1968 zu verwenden ist der schöne Einfall des vorliegenden Buches. Ergänzt wird der Bestand durch zwei weitere Generationenkohorten: eine Interviewreihe desselben Instituts mit knapp zweihundert Personen der Jahrgänge 1909 bis 1934 über ihr Verhältnis zur "heutigen Jugend" und einen Satz im Jahr 2005/2006 entstandener Befragungen von 16 Personen, die sich in der Bonner Studentenbewegung engagiert hatten.

Um diese Quellenbestände herum, freilich nicht immer eng auf sie bezogen, entwickelt Hodenberg ein Bild, das man früher wohl als Sittengemälde der Stadt Bonn des Jahres 1968 bezeichnet hätte. In seinem Vordergrund stehen die Bonner Altersforscher um Thomae und seine Mitarbeiter, darunter die spätere Familienministerin Ursula Lehr, sowie die älteren Menschen, die mit ihnen Eindrücke ihrer Gegenwart teilen. Gerahmt wird das Bild vom Verlauf der Proteste in der Universitätsstadt Bonn. Hodenbergs Interesse besteht in einer Neudeutung der historischen Ereignisse, die sie aus ihrer überlieferten Beschränkung auf in West-Berlin aktive männliche bürgerliche Studenten der bekannten Jahrgänge 1938 bis 1948 befreien möchte. In den Ereignissen der Jahre 1967/68 spielten auch andere Orte, Generationen und Schichten ihre Rolle.

Mit diesem Zugriff widerlegt Hodenberg zunächst die These vom Generationenkonflikt um den Nationalsozialismus. Anhand ihrer Quellen kann sie zeigen, dass diese Auseinandersetzung innerhalb von Familien so gut wie gar nicht stattfand. Vielmehr erweisen sich Generationenkonflikt und Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus als abstrakte und genuin politische, teilweise erst später nachgeholte Phänomene, während im Privaten das Verständnis zwischen Eltern und Kindern selbst über die NS-Zeit erstaunlich groß war. Gerade die politisch aktiven Studenten kamen zudem signifikant häufig aus Familien mit einer Tradition linken Protests. Der Umgang der Studenten mit dem Nationalsozialismus war damit maßgeblich eine Frage politischer Opportunität. So wurde an der Universität Bonn der unbescholtene, aber habituell konservative Rektor Schneemelcher als Nazi denunziert, während die nationalsozialistischen Schriften des dynamischen und als Typ modernen Altersforschers Thomae niemanden interessierten. Er bekam nach einem Ruf an die Uni Heidelberg sogar einen studentischen Fackelzug.

So wenig kritisch die Jungen mit der Vergangenheit ihrer eigenen Eltern umgingen, so wenig kategorisch dachte die Elterngeneration über die Jungen. Zwar war die Furcht vor Gewalt und Unordnung verbreitet, aber in der Sache konnten viele der Älteren den Zielen der Studentenbewegung etwas abgewinnen. Dies gilt auch für ein Markenzeichen der Generation, die Sexualpolitik, deren Entwicklung aus Sicht der Verfasserin aber kaum der Studentenrevolte zuzurechnen ist.

Zu den wichtigsten Anliegen des Buches gehört es, eine Epoche, für die ein Haufen junger Männer emblematisch geworden ist, den Frauen zurückzugeben, ohne die sie nicht möglich gewesen wäre. Diese hatten regelmäßig einen Zwei-Fronten-Konflikt gegen die Verhältnisse und gegen ihre eigenen männlichen Mitkämpfer zu führen, die sie politisch nicht ernst nahmen und zu Hilfsdiensten einspannen wollten. Dieser Kampf war erfolgreich. Aus Hodenbergs Sicht lässt sich keine andere gesellschaftliche Entwicklung so klar mit 1968 in Verbindung bringen wie die Emanzipation der Frau. Trotzdem wird ihre Bedeutung bis in die neueste Zeit marginalisiert.

Der Anspruch der Verfasserin, die Ereignisse von 1968 neu zu interpretieren, geht deutlich über die Quellenbestände hinaus, die ihrem Buch die Form geben. Dies schlägt sich in der Uneinheitlichkeit sowohl des methodischen Zugriffs als auch des Stils nieder. Der Text wandelt sich von einer quellennahen, fast literarischen Darstellung des Bonner Universitätsmilieus, die freilich extrem betulich geschrieben ist, zu einem kritischen Literaturbericht, in dem die Verfasserin Einseitigkeiten der historischen Debatte aufarbeitet, ohne immer hinreichend deutlich zu machen, wie sehr die Geschichtsschreibung die Zäsur von 1968 seit längerem relativiert.

Methodische Feinheiten quantitativer Forschung sind weniger Sache der Autorin. So erfahren wir weder, mit welchen Verfahren in der BOLSA-Studie vorgegangen wurde, noch wie sie selbst die Aufnahmen ausgewertet hat. Problematisch erscheint etwa, dass sie aus den drei Alterskohorten, zu denen ihr Befragungen vorlagen, unversehens eine generationelle Abfolge von Kindern, Eltern und Großeltern macht, in der zwischen gesamtgesellschaftlicher und binnenfamiliärer Dynamik nicht genau unterschieden wird. So hatte die vor 1909 geborene Alterskohorte, die den zentralen Quellenbestand der Untersuchung ausmacht, eine Lebenserwartung von unter 50 Jahren. Als repräsentative "Großelterngeneration", die sich zum Handeln ihrer Enkel noch verhalten kann, taugt sie nicht. Repräsentativ war es für die 68er des Jahres 1968 eher, keine Großeltern mehr zu haben.

Wer diese Mängel in Kauf nehmen will, wird das Buch sowohl seiner lebendigen Darstellung als auch seines entschlossenen Deutungswillens wegen mit Gewinn lesen. Zu seinen Qualitäten gehört es auch, dass die Verfasserin weder positiv noch negativ eine Rechnung mit 1968 offen hat. Gegen allen Aktualisierungsrummel kann sie ihren Gegenstand als das behandeln, was er ist - ein Stück Vergangenheit.

Christina von Hodenberg: "Das andere Achtundsechzig".

Gesellschaftsgeschichte einer Revolte.

C. H. Beck Verlag, München 2018.

250 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Originell und erhellend findet die Historikerin Isabell Trommer Christina von Hodenbergs Buch zu 1968, denn Hodenberg begreift die Revolte nicht als bloßen Studentenprotest oder Generationenkonflikt, sondern als eine gesamtgesellschaftliche Bewegung, deren zentrale und nachhaltigste Errungenschaft die Politisierung der Geschlechterverhältnisse war. Bemerkenswert findet die Rezensentin auch das Vorgehen der Autorin, die anhand von archivierten Interviews drei Generationen in den Blick nehme: die Revoltierenden selbst, ihre Eltern und ihre Großeltern. Dabei kommt keine affirmative Heldengeschichte heraus, versichert die Rezensentin. Hodenberg betone vielmehr, dass viele gesellschaftliche Wandlungen schon zuvor eingesetzt hatten, dass 1968 auch provinziell und heterogen war und auch der Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Geschichte begrenzt: Die politischen Gegner wurde zwar gern als Nazis und Faschisten attackiert, aber die eigenen Eltern selten mit der Vergangenheit konfrontiert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Dieses flüssig zu lesende Buch ist wichtig, lehrreich und verdienstvoll. Sein besonderer Wert besteht darin, einige Irrtümer aufzuzeigen, die sich in einer jahrzehntelangen Deutung der Revolte verfestigt haben."
Neue politische Literatur, Dieter Rucht

"Ein enorm wichtiges Buch, das die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit schonungslos aufzeigt."
Carsten Tergast, BÜCHER magazin, August 2018

"Ein Augenöffner."
Petra Gehring, Emma, Juli 2018

"Äußerst lohnenswerte Studie."
Paula Pfoser, ORF.at, 18. Juni 2018

"Brillant geschriebene Gesellschaftsgeschichte."
Badische Neueste Nachrichten, 13. Mai 2018

"Dieses Buch empfiehlt sich allen, die sich mit der Mythologisierung von 1968 nicht zufriedengeben wollen, wie sie gerade wieder weidlich betrieben wird."
Claudia Kühner, journal21.ch, 5. Mai 2018

"Erhellend, reich an Aha-Momenten."
PM History, 5/2018

"Gibt der Deutung jener bewegten Epoche einen neuen Spin."
Michael Hirz, Cicero, 22. März 2018

"Überaus nützlich und voller schönstem Anschauungsmaterial."
Deutschlandfunk Kultur, 15. Februar 2018

"In Ihrem Buch (...) erinnert Christina von Hodenberg an vergessene Aktivistinnen und zeigt: 1968 war weiblich."
Claudia Wallbrecht, ARD ttt, 11. Februar 2018

"'Das andere Achtundsechzig' dürfte für Aufsehen sorgen, weil es auf eine Leerstelle der bisherigen Geschichtsschreibung zu 1968 hinweist: die Frauen."
Marc Reichwein, Die WELT, 3. Februar 2018
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