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Geschichte des Auswärtigen Amts von 1870/71 bis 2000
Am Anfang war Otto von Bismarck. Und vor dem Karriereende steht gerade Guido Westerwelle. So kommt ein Büchlein zum richtigen Zeitpunkt, das die an Behördengeschichte Interessierten, aber auch den nächsten Minister mit der Entwicklung des Auswärtigen Amts (AA) von der Gründung in Berlin 1870 bis zur Rückkehr vom Rhein an die Spree vertraut macht. Eckart Conze lässt 130 Jahre AA-Geschichte(n) auf knappen 138 Seiten gekonnt und meinungsstark Revue passieren.
Im Kapitel "Diplomatie und Diplomaten" macht er darauf aufmerksam, dass sich "der Kampf gegen einen - tatsächlichen oder vermeintlichen - Bedeutungsverlust" durch die Geschichte dieser Behörde zieht, dem die Diplomaten einst und heute mit einem besonderen Selbstverständnis und einem ausgeprägten Korpsgeist begegneten. Mitten im Ersten Weltkrieg gab es erste Reformansätze, die als Schülersche Reform 1920 zur Zusammenlegung der diplomatischen und der konsularischen Laufbahn, zur Einführung des Regionalsystems in der Berliner Zentrale, zur Gründung einer Außenhandelsstelle sowie zur Öffnung für Seiteneinsteiger führten: "Mit einem Schlag wurde die soziale, adelig bestimmte Homogenität des diplomatischen Dienstes und insbesondere seiner Spitzengruppe aufgebrochen." Edmund Schüler nahm 1921 seinen Abschied, so dass es zu einer Reform der Reform kam, bei der Constantin Freiherr von Neurath beabsichtigte, das AA "von unliebsamen Neulingen ohne geeignete Vorbildung, darunter diverse Juden, zu reinigen".
Trotz partieller Rückgängigmachung trugen Schülers Initiativen entscheidend zu jener "republikanischen Außenpolitik" bei, die mit dem Namen Gustav Stresemanns eng verbunden ist. Nach dessen Tod am 3. Oktober 1929 setzte ein rascher Kurswechsel ein, den als Reichsaußenminister von Juni 1932 an der Karrierediplomat Neurath verantwortete. Ob dessen Ablösung 1938 und die Berufung des Nationalsozialisten Joachim von Ribbentrop eine Zäsur bildeten, bezweifelt Conze: "Denn zum einen hatte die Beteiligung der Wilhelmstraße an der nationalsozialistischen Gewaltpolitik in ihren vielen Dimensionen unmittelbar 1933 begonnen, und zum anderen war auch nach 1938 das Amt als Institution mit einer Vielzahl ,alter' und ,neuer' Diplomaten an den NS-Verbrechen beteiligt." Allerdings brachte der neue Minister 74 Referenten aus seiner "Dienststelle Ribbentrop" mit ins AA. Nach Kriegsbeginn wuchs das Ressort weiter an durch Aufgaben in dem unter Hitlers Kontrolle stehenden europäischen Ausland. "Nicht wenige deutsche Diplomaten", darunter auch "alte Karrierebeamte", müssten "als Täter oder Mittäter des Holocaust" bezeichnet werden.
Zum Widerstand im AA zählt Conze eigentlich nur hingerichtete Regimegegner, während Überlebende wie die Brüder Kordt unerwähnt bleiben. Ausdrücklich hervorgehoben werden die Judenretter Fritz Kolbe und Gerhard Feine. Treffend bemerkt der Autor, dass der Staatssekretär der Jahre 1939 bis 1943, Ernst Freiherr von Weizsäcker, nicht zur Opposition gegen das Regime gehörte - "das hat er selbst nicht anders gesehen. Erst nach 1945 ist ihm vor dem Hintergrund des Nürnberger Wilhelmstraßen-Prozesses, in dem der ehemalige Staatssekretär auf der Anklagebank saß, nicht zuletzt von ehemaligen AA-Beamten eine führende Widerstandsrolle zugewiesen worden, was ihren früheren Chef, aber auch sie selbst entlasten sollte."
Schließlich skizziert Conze die Bonner Diplomatie seit 1951. Dabei räumt er ein, dass sich bereits um 1990 im Ministerium ein kritischerer Blick auf die Behörde im "Dritten Reich" durchsetzte. Das heutige AA habe mit dem des Deutsches Reiches "kaum mehr etwas gemein". Daher sollte es 2020 nicht sein 150-jähriges Bestehen feiern, sondern ein Jahr später das 70-jährige Jubiläum des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik!
RAINER BLASIUS
Eckart Conze: Das Auswärtige Amt. Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart. C.H. Beck Verlag, München 2013. 143 S., 8,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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