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Die eigene Zeit als Kolonialmacht sei im Vergleich mit Ländern wie Frankreich oder Großbritannien kurz und relativ unproblematisch gewesen: So sah man es hierzulande lange. Doch das war ein Irrtum. Heute steht die deutsche koloniale Vergangenheit zu Recht im Zentrum kontrovers geführter Debatten über das koloniale Erbe in einer globalen Welt. Dieses Buch beleuchtet mit dem Auswärtigen Amt einen zentralen Akteur des deutschen Kolonialismus und spannt den Bogen vom Deutschen Kaiserreich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Dabei richtet sich der Blick nicht nur auf Deutschland, sondern auch in…mehr

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Produktbeschreibung
Die eigene Zeit als Kolonialmacht sei im Vergleich mit Ländern wie Frankreich oder Großbritannien kurz und relativ unproblematisch gewesen: So sah man es hierzulande lange. Doch das war ein Irrtum. Heute steht die deutsche koloniale Vergangenheit zu Recht im Zentrum kontrovers geführter Debatten über das koloniale Erbe in einer globalen Welt. Dieses Buch beleuchtet mit dem Auswärtigen Amt einen zentralen Akteur des deutschen Kolonialismus und spannt den Bogen vom Deutschen Kaiserreich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Dabei richtet sich der Blick nicht nur auf Deutschland, sondern auch in die betroffenen Gesellschaften Afrikas, Asiens und Ozeaniens. Mit dem Versailler Vertrag von 1919 endete die formale deutsche Kolonialherrschaft. Doch koloniales Denken lebte in der Mitte der deutschen Ge sellschaft fort - so auch im Auswärtigen Amt, dem eine Mitverantwortung für Gewalt und Verbrechen in den deutschen Kolonien zukommt. Die Folgen seines Handelns sind noch bis in unsere Gegenwart spürbar. In der Zeit der NS-Diktatur verbanden sich nationalkonservative, monarchistische und antirepublikanische Haltungen im Auswärtigen Amt mit den expansionistischen und rassistischen Zielen des Nationalsozialismus. Ab 1949 prägten Indifferenz und Ignoranz, Passivität und Relativierung die bundesdeutsche Politik gegenüber den ehemaligen Kolonien im globalen Süden. Heute ist das Amt maßgeblich an Verhandlungen über Restitution und Wiedergutmachung beteiligt. Zudem wird es von einer diverser gewordenen deutschen Gesellschaft mit Fragen zur kolonialen Vergangenheit konfrontiert. Aus Gründen der historischen Gerechtigkeit, aber auch angesichts einer veränderten Weltlage muss sich das Amt seiner eigenen Kolonialgeschichte stellen.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Carlos Haas war von 2013 bis 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und ist seit April 2020 Akademischer Rat a. Z. am Historischen Seminar der LMU München. Lars Lehmann ist Wissenschaftlicher Koordinator des Schelling-Forums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an der Universität Würzburg. Brigitte Reinwald ist Professorin für die Geschichte Afrikas am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover. David Simo ist emeritierter Professor für German Studies an der Université de Yaoundé 1 in Kamerun. Er ist Reimar-Lüst-Preisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Rezensent Wolfgang Stenke liest den von Carlos Alberto Haas, Lars Lehmann, Brigitte Reinwald und David Simo herausgegebenen Sammelband über die Rolle des Auswärtigen Amts bei der deutschen Kolonialpraxis mit Interesse. Auch wenn die Autoren des Bandes keine geschlossene Gesamtdarstellung anbieten und nicht alle Erkenntnisse neu sind, hält Stenke den Band doch für wichtig im Sinne eines weiteren Schritts in die richtige Richtung, d.h. Zur Aufklärung der Kolonialgeschichte, zumal das Außenamt den Band ohne Einflussnahme finanziert hat, wie er anmerkt. Unter den 17 Beiträgen von Historikern, Germanisten und Museumsleuten sticht für Stenke derjenige von Kokou Azamede hervor, der die koloniale Mitwirkung Indigener in Togo behandelt. Die Beiträge über Restitutionsfragen zeigen laut Stenke, wie gleichgeschaltet Beamte des Außenministeriums und Museumsleute in den 1970ern und 80ern agierten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2024

In bester Beamtenmanier
2010 enthüllte ein Buch die Verstrickung des Auswärtigen Amts in die Naziverbrechen. Nun erscheint eines zum Anteil der Behörde an den Kolonialverbrechen. Von Christoph Nonn
Es war ein Aufreger. Als 2010 „Das Amt und seine Vergangenheit“ erschien, entfachte das Buch eine scharfe öffentliche Debatte. Ergebnis eines groß angelegten Forschungsprojekts, das noch unter der Ägide von Joschka Fischer als Chef des Auswärtigen Amts angestoßen worden war, skandalisierte es publikumswirksam die Rolle der deutschen Diplomaten im Dritten Reich. Dass die auf dem Buchdeckel als Autoren genannten Professoren die empirische Kleinarbeit großenteils ihren Mitarbeitern überlassen hatten, hielt sie nicht davon ab, meinungsstark die vollmundige These zu formulieren, das „Amt“ sei an den Verbrechen des Nationalsozialismus, nicht zuletzt der Judenverfolgung, wesentlich beteiligt gewesen.
Das soeben erschienene Buch „Das Auswärtige Amt und die Kolonien“ geht noch einen Schritt weiter zurück. Auch dieser Band ist unter grüner Führung des Ministeriums entstanden – und doch ist vieles anders: Die finanzielle Unterstützung war diesmal vergleichsweise gering, sie beschränkte sich weitgehend auf die Druckkosten. Zudem werden die Autorinnen und Autoren der Texte allesamt genannt. Und es fehlt der Gestus der Empörung, der in „Das Amt“ gelegentlich die differenzierte historische Analyse überlagerte.
Birgt der neue Band dennoch ähnlich viel Sprengstoff wie seinerzeit „Das Amt und seine Vergangenheit“? Zunächst einmal erfährt man viel, was so unerfreulich wie wenig überraschend ist. Etwa dass die deutschen Diplomaten – wie andere Europäer auch – gegenüber Afrikanern, Asiaten und Ozeaniern ein ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl hatten. Oder dass die Deutschen als Newcomer auf dem imperialen Parkett dilettantisch improvisierten. Auch die Kontinuität kolonialer Denkmuster über 1918 und 1945 hinaus ist kein Geheimnis, das erst noch gelüftet werden musste.
Die Tatsache, dass sich Deutsche in ihren überseeischen Kolonien wieder und wieder grausam aufgeführt haben, ist entsprechend unstrittig. So gerechtfertigt die moralische Empörung darüber ist, sollte sie aber doch nicht dazu verleiten, klischeehafte Schwarz-Weiß-Geschichten zu erzählen. Im kolonialen Kontext waren nicht nur Weiße Täter, Schwarze nicht nur Opfer. In Afrika bedienten sich die weißen Herren aus Deutschland überall schwarzer Söldner und Kollaborateure, die entweder aus den jeweiligen Kolonien selbst oder anderen Teilen des Kontinents rekrutiert wurden.
Die einheimischen Söldner übernahmen bereitwillig den Großteil des Prügelns, Folterns und Mordens. In den Beiträgen des Bandes zu Südwest- und Ostafrika wird das zwar mehrfach erwähnt, aber leider nicht näher thematisiert. David Simo und Holger Droessler stellen dagegen gerade diese Kollaboration gewinnbringend ins Zentrum ihrer Analysen zu Kamerun und Samoa. Kokou Azamede zeigt darüber hinaus am Beispiel der vermeintlichen deutschen Musterkolonie Togo, wie sich die Einheimischen dort die von den Kolonialherren und ihren Hausa-Landsknechten etablierte Gewaltkultur im Laufe der Zeit sogar kulturell so weit aneigneten, bis sie Prügelstrafen schließlich als indigene Tradition missverstanden.
Das Bild deutscher Kolonialherrschaft wird dadurch alles andere als heller, aber vollständiger. Und erst dann lässt sich auch die Rolle des Auswärtigen Amts klarer erfassen. Schon bei den kolonialen Besitzergreifungen spielten die jeweiligen Interessen weißer und schwarzer Akteure im globalen Süden eine wichtige Rolle. Deren Drängen kamen Bismarck und seine Nachfolger als Reichskanzler in Berlin seit 1884 zunehmend nach – teils aus innenpolitischen Motiven, teils aus Angst, sonst bei der Aufteilung der Welt zu spät zu kommen.
Deutsche und manche Einheimische vor Ort taten anschließend ihr Möglichstes, um zum eigenen Nutzen das Deutsche Reich tiefer und tiefer in den kolonialen Sumpf zu ziehen. Die Beamten des Auswärtigen Amts spielten dabei jedoch kaum eine eigenständige Rolle. Sie waren im wesentlichen Befehlsempfänger der Reichskanzler. Spielräume hatten sie wohl nur in der Kontrolle der deutschen Akteure vor Ort – und die nutzten sie nach bester deutscher Beamtenmanier vor allem passiv: durch Nicht-Nachfragen, durch Wegschauen und durch besänftigende Rechtfertigung, wenn blutige Details der Praxis kolonialer Ausbeutung zum Objekt von Kritik durch Sozialdemokraten oder linker Liberale im Reichstag wurden.
Die Redaktion des Bandes lässt alles in allem allerdings manche Wünsche offen. Gleich vier Autoren thematisieren mit großen inhaltlichen Überschneidungen die Berliner Kongokonferenz, die Entwicklung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts und ihre Personalstruktur. Und zu „Deutsch-Südwestafrika“ gibt es mehr Bücher als zu allen anderen deutschen Kolonien zusammen – warum wurde für den Band dann gerade Matthias Häussler als Autor verpflichtet, dessen Arbeiten hinter den von Jan-Bart Gewald und Jürgen Zimmerer markierten Forschungsstand zurückfallen?
Leider auffallend arm an Thesen ist darüber hinaus die Einleitung der Herausgeber, sonst ja eigentlich ein Ort beherzter Zuspitzung. Hier prägt den Text das fast schon ängstliche Bemühen, nur ja keinen Anstoß zu erregen, in kein Fettnäpfchen zu treten. Symptomatisch dafür ist die Triggerwarnung, dass die „diffamierenden und rassistischen Begriffe“ der zitierten historischen Quellen „von Dritten übernommen wurden und somit Produkt ihrer Zeit und daher selbst wieder Quelle von historischer Erkenntnis sind“. Wenn man als Historiker geschichtspolitische Debatten in der Öffentlichkeit mitgestalten möchte, täte etwas mehr Mut durchaus gut.
Christoph Nonn ist Professor für Neueste Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und unter anderem Autor der im Jahr 2020 erschienenen Studie „12 Tage und ein halbes Jahrhundert – Eine Geschichte des deutschen Kaiserreichs 1871-1918“ (C. H. Beck).
Carlos Haas,
Lars Lehmann, Brigitte Reinwald, David Simo:
Das Auswärtige Amt und die Kolonien – Geschichte, Erinnerung, Erbe.
C.H. Beck, München 2024. 592 Seiten, 36 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"Möchte ich sehr ans Herz legen."
Annalena Baerbock

"Herausgeber und Autorenteam gehen wichtige Schritte auf dem Wege zu genauerer Aufklärung der deutschen Kolonialgeschichte."
Deutschlandfunk, Wolfgang Stenke

"Das Auswärtige Amt stellt sich den Schattenseiten der eigenen Geschichte."
Podcast Table.Media, Helene Bubrowski

"Wissenschaftler aus Afrika, Asien, Europa und Amerika haben sich mit der Rolle des Auswärtigen Amts in der Kolonialzeit befasst."
dpa und weitere Medien

"Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler [haben] die Rolle des Außenministeriums in der Kolonialzeit und deren Bedeutung untersucht."
epd und weitere Medien

"Ein ziemlich schonungsloses Fazit. ... Der Sammelband wirft die zum Umgang mit diesen Kontroversen nötigen Fragen auf - und macht neugierig auf mehr."
taz, Dominic Johnson

"Ein grundlegendes Buch."
Dresdner Morgenpost

"Für das Verständnis der Problematik ist die Lektüre dieses Sammelbandes ein großer Vorteil."
Amerindian Research, Mario Koch

"Zusammenschau von relevanten Themen und Zugängen"
FAZ, Andreas Eckert