Matthias Willing untersucht die Bemühungen von öffentlicher und privater Fürsorge in Deutschland, ein ,Bewahrungsgesetz' zu schaffen. Mit diesem Gesetz sollten Randgruppen der Gesellschaft, die vielfach als ,Asoziale' diskriminiert wurden, zwangsweise in geschlossenen Fürsorgeanstalten untergebracht und zu geregelter Arbeit angehalten werden können. Nachdem in der Weimarer Republik zahlreiche Initiativen zu seiner Verwirklichung gescheitert waren, versuchten die Fachkreise der Gefährdetenfürsorge erfolglos eine repressivere Variante des Bewahrungsgesetzes im Nationalsozialismus durchzusetzen. Sofort nach dem zweiten Weltkrieg verfolgte man die Bewahrungsidee in den Westzonen und der Bundesrepublik weiter. Diese Bemühungen wurden schließlich 1961 mit der Aufnahme einer Zwangsbewahrungsmöglichkeit im Bundessozialhilfegesetz (§ 73 Abs. 2 BSHG) von Erfolg gekrönt. Erst 1967 erklärte das Bundesverfassungsgericht die zwangsweise Unterbringung ,gefährdeter' Personen in geschlossenen Anstalten grundsätzlich für verfassungswidrig. Die rechtshistorische Analyse des Autors zeichnet diesen rund 50 Jahre umfassenden Prozeß nach, beleuchtet Konzeptionen und Motive führender Persönlichkeiten der Fürsorge und zeigt gedankliche und personelle Kontinuitäten von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus in die Bundesrepublik der 60er Jahre auf. Indem auch die politischen Parteien und weitere Akteure außerhalb der Gefährdetenfürsorge (z. B. Frauenbewegung, Psychiater) in ihren Bemühungen für das Bewahrungsgesetz mit einbezogen werden, entsteht ein facettenreiches Gesamtbild. Es läßt erkennen, daß die autoritären Gedanken des Bewahrungsgesetzes im Untersuchungszeitraum breite Akzeptanz in der Gesellschaft besaßen. Geboren 1960; Studium der Geschichtswissenschaft, Politik und Pädagogik an der Philipps-Universität Marburg; 1990 Promotion zum Dr. phil.; wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Arbeits- und Sozialrecht in Bamberg; seit 2007 Gymnasiallehrer in Nordrhein-Westfalen.
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