Auch wenn der Klappentext fälschlicherweise von einer Protagonistin namens Erika spricht, folgen wir in Wahrheit der Ich-Erzählerin I, die ihren eigenen Vornamen genauso auf den Anfangsbuchstaben reduziert wie die ihres Mannes und der beiden Kinder. I ist gerade mit M, Tochter E und Babysöhnchen B
von den USA in die Schweiz, genauer nach Genf, gezogen. Ihr Mann ist beruflich so stark eingebunden,…mehrAuch wenn der Klappentext fälschlicherweise von einer Protagonistin namens Erika spricht, folgen wir in Wahrheit der Ich-Erzählerin I, die ihren eigenen Vornamen genauso auf den Anfangsbuchstaben reduziert wie die ihres Mannes und der beiden Kinder. I ist gerade mit M, Tochter E und Babysöhnchen B von den USA in die Schweiz, genauer nach Genf, gezogen. Ihr Mann ist beruflich so stark eingebunden, dass er kaum zuhause ist. Und so ist es an I, die Zeit mit ihren beiden Kindern in der kleinen, engen Wohnung zu verbringen. Ist sie einmal draußen, versteht sie noch nicht einmal die fremde Sprache. Und so zieht sich die Erzählerin nach und nach zurück, isoliert sich so stark, dass die Grenze zwischen Mutterliebe und Wahnsinn irgendwann so schmal ist, dass sie überschritten wird...
"Das brennende Haus" ist der bemerkenswerte Debütroman Kyra Wilders, die ihrerseits mit ihrer Familie aus den Staaten in die Schweiz zog, wo sie bis heute lebt. Das Faszinierendste an ihm ist die Stimme der Erzählerin. Die Leser:innen müssen sich auf diese Stimme verlassen, wenn sie die dargelegte Handlung glauben wollen. Problematisch wird es immer dann, wenn der Roman Dinge auslässt, verschweigt - oder sogar umdeutet, wie im fast selbst wahnsinnig machenden dritten Teil.
Aufgeteilt ist "Das brennende Haus" in eben drei Teile. Während man sich im ersten Teil der Erzählerin und ihrer Familie annähert, befürchtet man im zweiten Teil das Schlimmste. Immer wieder zerfasert die Handlung, indem sie in kursiver Sprache Schritt für Schritt klar macht, wo sich die Erzählerin in diesem zweiten Teil befindet.
Und so schleicht sich mehr und mehr das Grauen ein. Die Ich-Erzählerin selbst sieht und hört in ihrem Haus plötzlich fremde Gesichter und Stimmen und sieht sich in einer besonders beeindruckenden Szene plötzlich Hunderten Frauen in grünen Kleidern ausgesetzt - weil die hübsche Assistentin ihres Mannes ein solches Kleid in der vorherigen Begegnung trug. In diesen Szenen nähert sich "Das brennende Haus" dem Horror-Genre, überschreitet die Grenzen dazu vielleicht sogar auf psychologischer Ebene.
Und auch wenn die Erzählerin im Finale versucht, das Furchtbare ungeschehen zu machen, haben sie die Leser:innen längst durchschaut. Hier gibt es nichts mehr zu beschönigen, nichts wiedergutzumachen.
Obwohl der Roman nur gut 250 Seiten aufweist, hatte ich an einigen Stellen das Gefühl, dass noch weniger sogar mehr gewesen wäre. Denn einige liebevolle Rituale, die I mit ihren Kindern durchführt, wiederholen sich doch sehr oft, genauso wie zentrale Nebenfiguren wie eine andere Mutter, die von I "Nell" genannt wird, keine große Entwicklung aufweisen.
Dennoch ist "Das brennende Haus" ein faszinierender Roman, bei dem sich das Grauen auf leisen Sohlen anschleicht und sich nicht mehr aus den Gedanken vertreiben lässt. Originell, radikal - und sehr bedrohlich.