Der Überraschungsbestseller über die Wissenschaft des Paranormalen.
Im März des Jahres 1967 sagt der Telefonist Alan Hencher einen Flugzeugabsturz im Mittelmeerraum mit 123 oder 124 Toten voraus. Genau 30 Tage später wird eine Bristol Britannia am Flughafen Nikosia, Zypern, in den Boden geflogen. 124 Menschen sterben sofort. Diese wahrgewordene Prophezeiung ist der erste von vielen »Erfolgen« des »Büros für Vorahnungen«, das in den 1960er Jahren unter der Leitung des Psychiaters John Barker Vorahnungen, Prophezeiungen, Träume und Visionen zahlreicher Menschen sammelt, um sie wissenschaftlich nutzbar zu machen. Denn Alan Hencher ist nicht der einzige beunruhigend Begabte unter den Informanten des Büros ...
Sam Knights Buch bewegt sich zwischen Schicksal und Zufall, lotet die Grenzen der Wissenschaft und unseres Verstandes aus - und konfrontiert uns mit unserer ureigenen Angst vor dem Paranormalen.
»Ein fulminantes, beunruhigendes Buch, großartig geschrieben und tiefgründig.« Patrick Radden Keefe.
»Wunderschön geschrieben, menschlich und allumfassend.« Hilary Mantel.
»Ich habe dieses faszinierende Buch geliebt.« Emma Cline.
Im März des Jahres 1967 sagt der Telefonist Alan Hencher einen Flugzeugabsturz im Mittelmeerraum mit 123 oder 124 Toten voraus. Genau 30 Tage später wird eine Bristol Britannia am Flughafen Nikosia, Zypern, in den Boden geflogen. 124 Menschen sterben sofort. Diese wahrgewordene Prophezeiung ist der erste von vielen »Erfolgen« des »Büros für Vorahnungen«, das in den 1960er Jahren unter der Leitung des Psychiaters John Barker Vorahnungen, Prophezeiungen, Träume und Visionen zahlreicher Menschen sammelt, um sie wissenschaftlich nutzbar zu machen. Denn Alan Hencher ist nicht der einzige beunruhigend Begabte unter den Informanten des Büros ...
Sam Knights Buch bewegt sich zwischen Schicksal und Zufall, lotet die Grenzen der Wissenschaft und unseres Verstandes aus - und konfrontiert uns mit unserer ureigenen Angst vor dem Paranormalen.
»Ein fulminantes, beunruhigendes Buch, großartig geschrieben und tiefgründig.« Patrick Radden Keefe.
»Wunderschön geschrieben, menschlich und allumfassend.« Hilary Mantel.
»Ich habe dieses faszinierende Buch geliebt.« Emma Cline.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mit diesem Band hat Sam Knight ein interessantes und unterhaltsames Sachbuch geschrieben, findet Rezensent Oliver Jungen. Darin geht der Journalist der Geschichte des in den sechziger Jahren in London angesiedelten Projekts einer Sammelstelle für Visionen und Prophezeiungen unter der Leitung des Psychiaters John Barker nach. Letzterer begriff seine Auswertung von Einsendungen zu vorgeahnten Ereignissen als wissenschaftliche Studie und glaubte, so der Rezensent, fest an die Erforschbarkeit des Übersinnlichen. Schwachstellen hat Knights Buch, so der Rezensent, wo es sich dem bedeutungsschwangeren Tonfall seines Gegenstands annähert oder etwas pathetisch vorhergesehene Unglücksfälle nacherzählt. Als kurzweilige Darstellung einer wenig bekannten Einzelpersönlichkeit sowie als aussagekräftige Studie über die anhaltende gesellschaftliche Bereitschaft zum Glauben an das Übersinnliche weiß Jungen das von Regina M. Schneider übersetzte Buch jedoch zu schätzen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein Tatsachenbericht über die Erforschung des Paranormalen in den Sixties, der sich wie ein Mystery-Schmöker liest.« Buchkultur 20240614
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2024Kann eine Todeserwartung Blutgefäße im Gehirn platzen lassen?
Ich sehe was, was du nicht siehst: Sam Knight erzählt die Geschichte des britischen Büros für Vorahnungen, das in den Sechzigern Visionen und Prophezeiungen sammelte
Das prognostische Dilemma kennen wir von Karl Lauterbach. Schlagen Epidemiologen harte Maßnahmen vor, um die Zuspitzung einer Pandemie zu verhindern, könnte man ihnen das Ausbleiben der Katastrophe als Fehlurteil anrechnen. Freilich funktioniert das auch andersherum: Das Ausbleiben des Prognostizierten kann als Erfolg aller Maßnahmen reklamiert werden. Hellseher haben ein ähnliches Problem, vor allem, wenn ein Unglück vorausgesehen wird. Lässt es sich verhindern, ist der Prophet düpiert. Auch das kann man anders herum formulieren: "Wenn eine Katastrophe ausbleibt, dürfte es auch keine Vorahnungen geben, theoretisch jedenfalls." So zitiert der Journalist Sam Knight den britischen Psychiater John Barker, den Spiritus Rector des sogenannten "Büros für Vorahnungen" in den Sechzigerjahren. Zu den avisierten "Frühwarnmeldungen" durch das Büro ist es nie gekommen.
Von der belächelten Idee, Vorahnungen der Zukunft seien eine reale und der Erforschung würdige Gegebenheit, war Barker aber nie abzubringen. Wo sie mit der Logik kollidierte, ließ er sich auf abenteuerliche neue Theorien der Zeit jenseits des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik (Zeitpfeil) ein. Dass er hierin nicht allein war, macht das Buch von Sam Knight kulturgeschichtlich spannend. Weshalb gab es gerade im wissenschaftsgetriebenen zwanzigsten Jahrhundert diesen dialektischen Gegenschlag ins Okkulte? Knight bietet freilich nur kursorische Erklärungen an wie die Auflösung aller Gewissheiten oder Traumatisierungen durch die Weltkriege: "Der moderne Waffeneinsatz und das massenhafte Sterben machten die Schlachtfelder in Nordfrankreich zu einem Ort der Visionen (...) Den eigenen Tod vorauszuahnen, oder den eines Kampfgenossen, war eines der häufigsten Phänomene."
Wie schon die Historikerin Monica Black in dem faszinierenden Buch "Deutsche Dämonen" (F.A.Z. vom 27. November 2021) über Wunderheiler in der Nachkriegszeit will Knight die Bereitschaft eines Teils der Gesellschaft, an Übersinnliches zu glauben, am konkreten Beispiel thematisieren. Anders als Black hat er sich mit John Barker, dessen beruflicher Weg detailliert nachvollzogen wird, eine wenig bekannte Persönlichkeit herausgesucht. Bereits als Student hatte sich Barker für Geistererscheinungen interessiert, später schrieb er ein Buch über Menschen, die sich zu Tode gefürchtet haben sollen - in der Regel nach einer Todesprophezeiung.
Zugleich war Barker, zuletzt leitender Facharzt am Shelton Hospital in Shropshire, wissenschaftlich anerkannt. Er erforschte das Münchhausen-Syndrom und glaubte, mittels Elektroschock-Aversionstherapie jeden Menschen umprogrammieren zu können. In die Medien aber brachte ihn seine Offenheit für die "außersinnliche Wahrnehmung".
Nachdem sich der umtriebige Wissenschaftsredakteur des "London Evening Standard", Peter Fairley, an Barker gewandt hatte, nahm die Idee einer Sammelstelle für Vorahnungen Gestalt an. Fairley wusste, dass es einigen Unterhaltungswert hatte, solche Vorhersagen für sein Blatt auszuwerten. Das von Knight ein wenig überverkaufte "Premonitions Bureau" war also nicht viel mehr als ein journalistisches Projekt beim "Evening Standard" zwischen 1967 und 1968, das Barker gleichwohl als Instrument der Forschung ansah. Hunderte Visionen wurden eingesandt, kaum "Treffer" waren darunter. Und die wenigen, die sich zu bewahrheiten schienen (drei Prozent), waren meist vage Vorhersagen von Flugzeug-, Zug- oder Feuerunglücken; ausgerechnet den Großbrand im Shelton Hospital im Februar 1968 hatte niemand vorhergesehen, was Barker einigen Spott eintrug.
Zwei der Seher taten sich besonders hervor, eine Klavierlehrerin und ein Telefonist. Ihre Warnungen ließen sich leichter mit prominenten Unglücken verbinden. "Das Wort Attentat ist immer noch da. Ich kann es nicht trennen von Robert Kennedy", schrieb besagte Miss Miller etwa zwei Monate vor dem tatsächlichen Attentat im Vorwahlkampf 1968. Über eine erneute Heimsuchung der Kennedys war allerdings viel spekuliert worden. Fairley misstraute daher auch den beiden Hobbywahrsagern, und die zu "kleinen Berühmtheiten" Gewordenen teilten Barker mit, ein eigenes Buch herausgeben zu wollen.
Auch sonst haben weder das "Büro" noch Barkers weitere Präkognitionsforschungen nennenswerte Spuren hinterlassen, was auch an seinem frühen Tod im August 1968 liegen mag. Diesen hatten ihm seine Star-Seher mehrfach, aber sehr allgemein prognostiziert. Knight lässt sich den Clou nicht entgehen, dass Barker, der zuletzt "in einen Zustand tödlicher Erwartung" geraten sei, von seinen eigenen Theorien eingeholt wurde. Ob die Todeserwartung tatsächlich Blutgefäße im Gehirn platzen lassen kann - so die medizinische Todesursache -, ist damit noch nicht bewiesen.
Die inhaltliche Antiklimax steht in Spannung zum oft andeutungsvollen Tonfall des Buchs, dem man anmerkt, aus einer Reportage hervorgegangen zu sein. Auch der Autor stand vor einem Dilemma: Er achtet auf die Distanz zu den verrückten Ideen seiner Protagonisten ("Logiken und Kausalitäten erkennen zu wollen, wo es keine gibt, ist eine Möglichkeit, den Schrecken des Daseins zu kompensieren"), aber er braucht auch den Kitzel des Schicksalseinblicks.
Vorausgesehene Unglücke wie der Haldenrutsch von Aberfan werden im pathetischen Einfühlungsstil nacherzählt: "Männer schnitten sich an scharfkantigen Trümmern, und Blut tropfte in den Schlamm." Das ist journalistisches Storytelling, das den Kitsch streift. Andere Anekdoten wirken wahllos angestückt, etwa die über einen abergläubischen Rennfahrer, der aufgrund einer simplen Analogie seinen Tod erahnt haben soll.
Noch unbefriedigender sind eingestreute Bemerkungen zur Bedeutung von Annahmen, die dem Gegenstand mehr Tiefe verleihen sollen, aber wie eine Fehlverschaltung wirken, weil die Kantische Philosophie (Gegenstände richten sich nach der Erkenntnis), die Theorie der hypothesengeleiteten Wahrnehmung (Mustererwartung) oder der Nocebo-Effekt (negative Wirkung eines Placebos) allenfalls assoziativ etwas gemein haben mit dem eigentlichen Sujet des Buchs: der vielleicht gar nicht so zeitgebundenen Faszination selbst gebildeter Menschen für die Möglichkeit, zukünftige Ereignisse vorherzusehen (Fairley hatte das Nebeninteresse Pferdewetten; auch da versagten die Visionen).
Dass die These, die Zukunft sei bereits gänzlich in der Gegenwart enthalten, mit einer Leugnung der Grundlagen der etablierten Wissenschaft einhergeht, wird von Knight zu wenig beleuchtet. Und trotz der deutlichen religiösen Obertöne der Vorahnungstheorie geht der Autor nicht der Frage nach, was es bedeutet, esoterische Glaubensinhalte und wissenschaftliche Rhetorik so radikal zu überblenden.
Als lebendig geschriebenes Porträt eines Psychologen an den Grenzen seiner Wissenschaft und als Fallstudie zur Anziehungskraft des Paranormalen ist das Buch aber so anregend wie unterhaltsam - und laut Verlag sogar ein "Überraschungsbestseller". Dabei hätte man das, wo es um ein nah bei der frenetisch beliebten Astrologie beheimatetes Thema geht, wohl durchaus vorausahnen können. OLIVER JUNGEN
Sam Knight: "Das Büro für Vorahnungen". Die Geschichte eines außergewöhnlichen Experiments.
Aus dem Englischen von Regina M. Schneider. Aufbau Verlag, Berlin 2024. 296 S., Abb., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Ich sehe was, was du nicht siehst: Sam Knight erzählt die Geschichte des britischen Büros für Vorahnungen, das in den Sechzigern Visionen und Prophezeiungen sammelte
Das prognostische Dilemma kennen wir von Karl Lauterbach. Schlagen Epidemiologen harte Maßnahmen vor, um die Zuspitzung einer Pandemie zu verhindern, könnte man ihnen das Ausbleiben der Katastrophe als Fehlurteil anrechnen. Freilich funktioniert das auch andersherum: Das Ausbleiben des Prognostizierten kann als Erfolg aller Maßnahmen reklamiert werden. Hellseher haben ein ähnliches Problem, vor allem, wenn ein Unglück vorausgesehen wird. Lässt es sich verhindern, ist der Prophet düpiert. Auch das kann man anders herum formulieren: "Wenn eine Katastrophe ausbleibt, dürfte es auch keine Vorahnungen geben, theoretisch jedenfalls." So zitiert der Journalist Sam Knight den britischen Psychiater John Barker, den Spiritus Rector des sogenannten "Büros für Vorahnungen" in den Sechzigerjahren. Zu den avisierten "Frühwarnmeldungen" durch das Büro ist es nie gekommen.
Von der belächelten Idee, Vorahnungen der Zukunft seien eine reale und der Erforschung würdige Gegebenheit, war Barker aber nie abzubringen. Wo sie mit der Logik kollidierte, ließ er sich auf abenteuerliche neue Theorien der Zeit jenseits des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik (Zeitpfeil) ein. Dass er hierin nicht allein war, macht das Buch von Sam Knight kulturgeschichtlich spannend. Weshalb gab es gerade im wissenschaftsgetriebenen zwanzigsten Jahrhundert diesen dialektischen Gegenschlag ins Okkulte? Knight bietet freilich nur kursorische Erklärungen an wie die Auflösung aller Gewissheiten oder Traumatisierungen durch die Weltkriege: "Der moderne Waffeneinsatz und das massenhafte Sterben machten die Schlachtfelder in Nordfrankreich zu einem Ort der Visionen (...) Den eigenen Tod vorauszuahnen, oder den eines Kampfgenossen, war eines der häufigsten Phänomene."
Wie schon die Historikerin Monica Black in dem faszinierenden Buch "Deutsche Dämonen" (F.A.Z. vom 27. November 2021) über Wunderheiler in der Nachkriegszeit will Knight die Bereitschaft eines Teils der Gesellschaft, an Übersinnliches zu glauben, am konkreten Beispiel thematisieren. Anders als Black hat er sich mit John Barker, dessen beruflicher Weg detailliert nachvollzogen wird, eine wenig bekannte Persönlichkeit herausgesucht. Bereits als Student hatte sich Barker für Geistererscheinungen interessiert, später schrieb er ein Buch über Menschen, die sich zu Tode gefürchtet haben sollen - in der Regel nach einer Todesprophezeiung.
Zugleich war Barker, zuletzt leitender Facharzt am Shelton Hospital in Shropshire, wissenschaftlich anerkannt. Er erforschte das Münchhausen-Syndrom und glaubte, mittels Elektroschock-Aversionstherapie jeden Menschen umprogrammieren zu können. In die Medien aber brachte ihn seine Offenheit für die "außersinnliche Wahrnehmung".
Nachdem sich der umtriebige Wissenschaftsredakteur des "London Evening Standard", Peter Fairley, an Barker gewandt hatte, nahm die Idee einer Sammelstelle für Vorahnungen Gestalt an. Fairley wusste, dass es einigen Unterhaltungswert hatte, solche Vorhersagen für sein Blatt auszuwerten. Das von Knight ein wenig überverkaufte "Premonitions Bureau" war also nicht viel mehr als ein journalistisches Projekt beim "Evening Standard" zwischen 1967 und 1968, das Barker gleichwohl als Instrument der Forschung ansah. Hunderte Visionen wurden eingesandt, kaum "Treffer" waren darunter. Und die wenigen, die sich zu bewahrheiten schienen (drei Prozent), waren meist vage Vorhersagen von Flugzeug-, Zug- oder Feuerunglücken; ausgerechnet den Großbrand im Shelton Hospital im Februar 1968 hatte niemand vorhergesehen, was Barker einigen Spott eintrug.
Zwei der Seher taten sich besonders hervor, eine Klavierlehrerin und ein Telefonist. Ihre Warnungen ließen sich leichter mit prominenten Unglücken verbinden. "Das Wort Attentat ist immer noch da. Ich kann es nicht trennen von Robert Kennedy", schrieb besagte Miss Miller etwa zwei Monate vor dem tatsächlichen Attentat im Vorwahlkampf 1968. Über eine erneute Heimsuchung der Kennedys war allerdings viel spekuliert worden. Fairley misstraute daher auch den beiden Hobbywahrsagern, und die zu "kleinen Berühmtheiten" Gewordenen teilten Barker mit, ein eigenes Buch herausgeben zu wollen.
Auch sonst haben weder das "Büro" noch Barkers weitere Präkognitionsforschungen nennenswerte Spuren hinterlassen, was auch an seinem frühen Tod im August 1968 liegen mag. Diesen hatten ihm seine Star-Seher mehrfach, aber sehr allgemein prognostiziert. Knight lässt sich den Clou nicht entgehen, dass Barker, der zuletzt "in einen Zustand tödlicher Erwartung" geraten sei, von seinen eigenen Theorien eingeholt wurde. Ob die Todeserwartung tatsächlich Blutgefäße im Gehirn platzen lassen kann - so die medizinische Todesursache -, ist damit noch nicht bewiesen.
Die inhaltliche Antiklimax steht in Spannung zum oft andeutungsvollen Tonfall des Buchs, dem man anmerkt, aus einer Reportage hervorgegangen zu sein. Auch der Autor stand vor einem Dilemma: Er achtet auf die Distanz zu den verrückten Ideen seiner Protagonisten ("Logiken und Kausalitäten erkennen zu wollen, wo es keine gibt, ist eine Möglichkeit, den Schrecken des Daseins zu kompensieren"), aber er braucht auch den Kitzel des Schicksalseinblicks.
Vorausgesehene Unglücke wie der Haldenrutsch von Aberfan werden im pathetischen Einfühlungsstil nacherzählt: "Männer schnitten sich an scharfkantigen Trümmern, und Blut tropfte in den Schlamm." Das ist journalistisches Storytelling, das den Kitsch streift. Andere Anekdoten wirken wahllos angestückt, etwa die über einen abergläubischen Rennfahrer, der aufgrund einer simplen Analogie seinen Tod erahnt haben soll.
Noch unbefriedigender sind eingestreute Bemerkungen zur Bedeutung von Annahmen, die dem Gegenstand mehr Tiefe verleihen sollen, aber wie eine Fehlverschaltung wirken, weil die Kantische Philosophie (Gegenstände richten sich nach der Erkenntnis), die Theorie der hypothesengeleiteten Wahrnehmung (Mustererwartung) oder der Nocebo-Effekt (negative Wirkung eines Placebos) allenfalls assoziativ etwas gemein haben mit dem eigentlichen Sujet des Buchs: der vielleicht gar nicht so zeitgebundenen Faszination selbst gebildeter Menschen für die Möglichkeit, zukünftige Ereignisse vorherzusehen (Fairley hatte das Nebeninteresse Pferdewetten; auch da versagten die Visionen).
Dass die These, die Zukunft sei bereits gänzlich in der Gegenwart enthalten, mit einer Leugnung der Grundlagen der etablierten Wissenschaft einhergeht, wird von Knight zu wenig beleuchtet. Und trotz der deutlichen religiösen Obertöne der Vorahnungstheorie geht der Autor nicht der Frage nach, was es bedeutet, esoterische Glaubensinhalte und wissenschaftliche Rhetorik so radikal zu überblenden.
Als lebendig geschriebenes Porträt eines Psychologen an den Grenzen seiner Wissenschaft und als Fallstudie zur Anziehungskraft des Paranormalen ist das Buch aber so anregend wie unterhaltsam - und laut Verlag sogar ein "Überraschungsbestseller". Dabei hätte man das, wo es um ein nah bei der frenetisch beliebten Astrologie beheimatetes Thema geht, wohl durchaus vorausahnen können. OLIVER JUNGEN
Sam Knight: "Das Büro für Vorahnungen". Die Geschichte eines außergewöhnlichen Experiments.
Aus dem Englischen von Regina M. Schneider. Aufbau Verlag, Berlin 2024. 296 S., Abb., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.