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Krimis in Kürze: Carlsson, McIlvanney/Rankin, Storm
Die Inflation der sogenannten Schwedenkrimis ist mittlerweile so oft beklagt worden, dass man offene Türen einrennen würde, wenn man sich noch darüber aufregte. Man kann ja einfach nach Süden schauen. Im Falle von "Was ans Licht kommt" (Rowohlt, 492 S., geb., 23,- Euro) wäre das allerdings ein großer Fehler. Der neue Roman von Christoffer Carlsson erzählt mit epischer Wucht von Schuld, Verantwortung und Verstrickung, von der Vergeblichkeit und Verkehrung guter Absichten. Weit davon entfernt, ein steriler ethischer Traktat zu sein, ist der Roman bevölkert von lebendigen, zerrissenen, widersprüchlichen Figuren.
Die Anlage der Erzählung ist angemessen komplex. Der Ich-Erzähler ist ein Schriftsteller, der zurückkehrt in seine südschwedische Heimat. Ein Mann in der Lebenskrise, der sich rettet, indem er von anderen erzählt, die er in seiner Jugend kannte. Das Unheil beginnt am Tag, als Olof Palme ermordet wird, am 28. Februar 1986. In Halmstad wird am selben Abend eine junge Frau vergewaltigt und ermordet. Vom Täter keine Spur. Diese Koinzidenz wird nie über Gebühr strapaziert. Sie löst nur bei den Menschen eine diffuse Unruhe aus, was los ist in Schweden, wie das Böse die heile sozialdemokratische Wohlstandswelt heimsuchen kann.
Die Schlüsselfiguren der Ich-Erzählung sind Vater und Sohn Jörgensson, beide Polizisten, deren Leben auf schmerzliche Weise von dem Mord, dem weitere folgen werden, geprägt ist. Die Geschichte handelt von Irrtümern und Starrsinn, dem Wunsch nach Gerechtigkeit - und von der Region, in der sie spielt, von Kleinstadtalltag, maroden Höfen und bodenständigen Leuten, denen der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Es ist, wie man am Ende erstaunt feststellt, ein Buch, dessen literarische Qualitäten seinem Spannungsbogen ebenbürtig sind.
Dass sich im Nachlass des 2015 verstorbenen William McIlvanney noch ein Manuskript gefunden hat, ist eine schöne Überraschung. Ian Rankin, ein großer Bewunderer seines schottischen Landsmanns, hat sich des Textes angenommen und ihn fertiggestellt. "Das Dunkle bleibt" (Kunstmann, 288 S., geb., 25,- Euro) ist im Glasgow der Siebzigerjahre angesiedelt. Ein schmieriger Anwalt wird ermordet aufgefunden, er hat für einen der örtlichen Gangsterbosse gearbeitet. Jack Laidlaw, der Einzelgänger im Polizeidienst, der seinen Vorgesetzten für einen Trottel hält, womit er nicht allein steht, versucht, durch seine unorthodoxen Ermittlungen zu verhindern, dass ein Bandenkrieg ausbricht. Das gelingt ihm besser, als die zentrifugalen Kräfte in seinem Familienleben zu bändigen.
McIlvanney ist schottisches Noir ohne Pose. Laidlaws exzentrischste Eigenschaft besteht darin, dass er gelegentlich die großen Philosophen studiert und Sätze sagt wie den, das Gesetz und Gerechtigkeit nichts miteinander zu tun hätten. Und wenn man das in McIlvanneys knapper, präziser Prosa liest, die so unnachahmlich Typen und Szenen anschaulich werden lässt und so viel Sophistication in den Dialogen versprüht, ist das immer wieder ein großes Vergnügen.
Der Plot kann sehr filigran, die Architektur ambitioniert, der Stoff faszinierend sein - und doch fehlen eine Sprache und Figuren, die ein Buch über den Durchschnitt hinaushöben. "Das neunte Gemälde" (Kiepenheuer & Witsch, 408 S., br., 17,- Euro) von Andreas Storm, der erste Band einer Reihe um den Kunstexperten Lennard Lomberg, ist ein solcher Roman. Die Handlung bewegt sich zwischen Paris (1943), der Bonner Republik (1966) und der jüngsten Gegenwart des Jahres 2016. Es geht um ein verschollenes kubistisches Gemälde, um Beutekunst und alte Nazis in BKA und anderen Institutionen und um die Restitutionsdebatten von heute. Das Ganze ist gut recherchiert, das Amalgam aus Fakten und Fiktionen erscheint schlüssig, man folgt den Spuren gerne durch halb Europa und die ganze Nachkriegszeit.
Nur leider ist das viel zu parfümiert und gespreizt erzählt, als glaubte der Autor, das einem kunstinteressierten Publikum schuldig zu sein. Und der Protagonist ist einer dieser zu kunstvoll ausstaffierten Connaisseure, die einen auch schnell nerven können. Das ist sehr schade. Ein schärferes Lektorat mit Mut zur stilistischen Verschlankung hätte bei diesem richtig guten Stoff Wunder wirken können. PETER KÖRTE
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