Washington, D. C.: Bartender und Gelegenheitsdetektiv Nick Stefanos ist ziemlich am Ende und lebt eigentlich nur noch fur den nachsten Drink. Als er eines Abends auf einer Parkbank am Anacostia River heillos betrunken Ohrenzeuge des Mordes an dem Teenager Calvin Jeter wird, reit er sich zusammen, denn die Metropolitan Police scheint der Fall nicht besonders zu interessieren, sie halt den Toten doch fur ein typisches Opfer der Washingtoner Gang-Kriminalitat. Aber Nick wei, dass Gangs keine Schalldampfer benutzen - gemeinsam mit Privatdetektiv Jack LaDuke versucht er die Killer zu fassen und findet sich bald in einem Sumpf aus Drogen und sexueller Ausbeutung wieder: Eine Reise in die Dunkelheit der menschlichen Seele und durch die schwarzesten Schatten der amerikanischen Hauptstadt beginnt ...
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2018Der Club der lahmen Gäule
Krimis in Kürze: Mick Herron, George Pelecanos und ein Anonymus
Es gibt strahlendere Helden und erfreulichere Erscheinungen: "Lamb hatte sich nicht verändert; er war immer noch ein schwabbeliger, fetter, ungehobelter Bastard und immer noch so angezogen, als hätte man ihn bei der Kleiderhilfe aus dem Fenster geschmissen", heißt es über diesen Agenten mit dem Vornamen Jackson, den der Brite Mick Herron vor acht Jahren auf die Welt losgelassen hat. Nach "Slow Horses" (Diogenes, 480 S., geb., 24.- [Euro]) sind auf Englisch schon vier weitere Lamb-Bücher erschienen - die der Diogenes Verlag zum Glück ebenfalls auf Deutsch veröffentlichen wird.
Schon lange hat man keinen Agentenroman mehr gelesen, der so sarkastisch, so schwarz und so ideenreich war. Lamb leitet beim MI5 die Abteilung der "Slow Horses", was noch ein vergleichsweise freundlicher Ausdruck ist für diesen Club der totalen Loser, die man wegen teils sehr unschöner, teils dilettantischer Aktionen aus der Zentrale verbannt hat und Hilfsarbeiten wie das Durchsuchen von Müllsäcken verrichten lässt - in der Hoffnung, sie damit zügig in die Kündigung zu treiben.
Das ist keine schlechte Prämisse für einen Spionagethriller, der das Genre ernst nimmt und es genau deshalb ein wenig durcheinanderwirbeln möchte. Denn natürlich sind nicht alle lahmen Gäule so unbedarft und unfähig, einige sind auch Intrigen zum Opfer gefallen, und Lamb ist zwar ein Kotzbrocken, aber auch ein amoralischer Mastermind. Als ein pakistanischer Jugendlicher entführt wird und live enthauptet werden soll, als die Losertruppe eher zufällig in die Angelegenheit hineingerät, entwickelt Mike Herron mit Witz und Schärfe einen raffinierten Plot, bei dem man sich zeitweise in ein Spiegelkabinett versetzt sieht, ohne zu wissen, wer wen aus welcher Perspektive zu täuschen versucht. Herron behält mit erzählerischer Ironie den Durchblick - und danach freut man sich sogar auf ein Wiedersehen mit einem wie Jackson Lamb.
Der Amerikaner George Pelecanos hat mit seinen Büchern in Deutschland nicht viel Glück gehabt, obwohl sein Werk breit gefächert ist und er als gefragter Autor auch für Serien wie "The Wire" geschrieben und "The Deuce" mitentwickelt hat. Ars vivendi ist bereits der vierte deutsche Verlag, der es mit Pelecanos probiert. So wird die Lektüre dann auch zu einer Zeitreise, denn "Das dunkle Herz der Stadt" (Ars vivendi, 246 S., geb., 16,99 [Euro]) stammt aus dem Jahr 1995. Der Ich-Erzähler Nick Stefanos hat, wie Pelecanos und viele seiner Helden, einen griechisch-amerikanischen Hintergrund. Stefanos ist Barmann, nebenbei Privatdetektiv und harter Alkoholiker.
Er wird bei einem nächtlichen Absturz Ohrenzeuge eines Mordes an einem schwarzen Jungen. Dass die Polizei die Ermittlungen schnell einstellt, stachelt Stefanos an, es auf eigene Faust zu versuchen. Es ist ein mühsames Ermitteln, dieser Kampf gegen die eigenen Dämonen und mit Leuten, die Stefanos' Neugier sehr lästig finden. Und es ist auch eine Geschichte von Verantwortung, Schuld und jenen Selbsttäuschungen, die Stefanos zur Flasche greifen lassen. Pelecanos schreibt klar, manchmal ein wenig eckig und ohne Schnörkel. Das lässt drastische Szenen oft noch drastischer wirken. Aber es ist bei diesem Roman nicht zu übersehen, dass er noch nicht den Reichtum des späteren Washington-Noir-Quartetts hat, das sich zugleich als eine über Jahrzehnte reichende historische Chronik von Pelecanos' Heimatstadt und deren verschiedenen Milieus lesen lässt.
Der Autor von "Codename Eisvogel" (Heyne, 368 S., geb., 20.- [Euro]) möchte anonym bleiben, was viele Gründe haben mag. Eher unwahrscheinlich allerdings, dass der Anonymous sich schützen muss, weil sein Wissen gefährlich für ihn ist. Der Roman spielt im Jahr 2016 in den Vereinigten Staaten vor den Präsidentschaftswahlen. Eine Pornodarstellerin will auspacken über ihre Affäre mit dem Kandidaten; der ist grob und unsympathisch, heißt markig einsilbig Craig, und hat eine geschiedene Ehefrau, die aus Tschechien stammt. Wenn Ihnen das seltsam bekannt vorkommt, haben Sie natürlich recht: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind nicht nur unbedingt beabsichtigt. Sie sind am Ende auch die einzige Pointe, mit der das Buch aufwarten kann.
Es ist sicher ganz lustig, sich Ivana Trump als Geheimagentin vorzustellen, die mit den Reizen ihrer Jugend wichtige Männer im Westen umgarnen soll - aber auch nicht abendfüllend. Und dass die frustrierte Journalistin eines Boulevardblatts aus Montreal sowohl der Pornodarstellerin auf die Spur kommt als auch der Agentinnenvergangenheit von Mrs. Craig nach Europa hinterherreist und dabei in Gefahr gerät, sorgt nur für einen mäßig straffen Spannungsbogen. Schlecht geschrieben ist das Buch leider auch. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen können ansteckend wirken.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Mick Herron, George Pelecanos und ein Anonymus
Es gibt strahlendere Helden und erfreulichere Erscheinungen: "Lamb hatte sich nicht verändert; er war immer noch ein schwabbeliger, fetter, ungehobelter Bastard und immer noch so angezogen, als hätte man ihn bei der Kleiderhilfe aus dem Fenster geschmissen", heißt es über diesen Agenten mit dem Vornamen Jackson, den der Brite Mick Herron vor acht Jahren auf die Welt losgelassen hat. Nach "Slow Horses" (Diogenes, 480 S., geb., 24.- [Euro]) sind auf Englisch schon vier weitere Lamb-Bücher erschienen - die der Diogenes Verlag zum Glück ebenfalls auf Deutsch veröffentlichen wird.
Schon lange hat man keinen Agentenroman mehr gelesen, der so sarkastisch, so schwarz und so ideenreich war. Lamb leitet beim MI5 die Abteilung der "Slow Horses", was noch ein vergleichsweise freundlicher Ausdruck ist für diesen Club der totalen Loser, die man wegen teils sehr unschöner, teils dilettantischer Aktionen aus der Zentrale verbannt hat und Hilfsarbeiten wie das Durchsuchen von Müllsäcken verrichten lässt - in der Hoffnung, sie damit zügig in die Kündigung zu treiben.
Das ist keine schlechte Prämisse für einen Spionagethriller, der das Genre ernst nimmt und es genau deshalb ein wenig durcheinanderwirbeln möchte. Denn natürlich sind nicht alle lahmen Gäule so unbedarft und unfähig, einige sind auch Intrigen zum Opfer gefallen, und Lamb ist zwar ein Kotzbrocken, aber auch ein amoralischer Mastermind. Als ein pakistanischer Jugendlicher entführt wird und live enthauptet werden soll, als die Losertruppe eher zufällig in die Angelegenheit hineingerät, entwickelt Mike Herron mit Witz und Schärfe einen raffinierten Plot, bei dem man sich zeitweise in ein Spiegelkabinett versetzt sieht, ohne zu wissen, wer wen aus welcher Perspektive zu täuschen versucht. Herron behält mit erzählerischer Ironie den Durchblick - und danach freut man sich sogar auf ein Wiedersehen mit einem wie Jackson Lamb.
Der Amerikaner George Pelecanos hat mit seinen Büchern in Deutschland nicht viel Glück gehabt, obwohl sein Werk breit gefächert ist und er als gefragter Autor auch für Serien wie "The Wire" geschrieben und "The Deuce" mitentwickelt hat. Ars vivendi ist bereits der vierte deutsche Verlag, der es mit Pelecanos probiert. So wird die Lektüre dann auch zu einer Zeitreise, denn "Das dunkle Herz der Stadt" (Ars vivendi, 246 S., geb., 16,99 [Euro]) stammt aus dem Jahr 1995. Der Ich-Erzähler Nick Stefanos hat, wie Pelecanos und viele seiner Helden, einen griechisch-amerikanischen Hintergrund. Stefanos ist Barmann, nebenbei Privatdetektiv und harter Alkoholiker.
Er wird bei einem nächtlichen Absturz Ohrenzeuge eines Mordes an einem schwarzen Jungen. Dass die Polizei die Ermittlungen schnell einstellt, stachelt Stefanos an, es auf eigene Faust zu versuchen. Es ist ein mühsames Ermitteln, dieser Kampf gegen die eigenen Dämonen und mit Leuten, die Stefanos' Neugier sehr lästig finden. Und es ist auch eine Geschichte von Verantwortung, Schuld und jenen Selbsttäuschungen, die Stefanos zur Flasche greifen lassen. Pelecanos schreibt klar, manchmal ein wenig eckig und ohne Schnörkel. Das lässt drastische Szenen oft noch drastischer wirken. Aber es ist bei diesem Roman nicht zu übersehen, dass er noch nicht den Reichtum des späteren Washington-Noir-Quartetts hat, das sich zugleich als eine über Jahrzehnte reichende historische Chronik von Pelecanos' Heimatstadt und deren verschiedenen Milieus lesen lässt.
Der Autor von "Codename Eisvogel" (Heyne, 368 S., geb., 20.- [Euro]) möchte anonym bleiben, was viele Gründe haben mag. Eher unwahrscheinlich allerdings, dass der Anonymous sich schützen muss, weil sein Wissen gefährlich für ihn ist. Der Roman spielt im Jahr 2016 in den Vereinigten Staaten vor den Präsidentschaftswahlen. Eine Pornodarstellerin will auspacken über ihre Affäre mit dem Kandidaten; der ist grob und unsympathisch, heißt markig einsilbig Craig, und hat eine geschiedene Ehefrau, die aus Tschechien stammt. Wenn Ihnen das seltsam bekannt vorkommt, haben Sie natürlich recht: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind nicht nur unbedingt beabsichtigt. Sie sind am Ende auch die einzige Pointe, mit der das Buch aufwarten kann.
Es ist sicher ganz lustig, sich Ivana Trump als Geheimagentin vorzustellen, die mit den Reizen ihrer Jugend wichtige Männer im Westen umgarnen soll - aber auch nicht abendfüllend. Und dass die frustrierte Journalistin eines Boulevardblatts aus Montreal sowohl der Pornodarstellerin auf die Spur kommt als auch der Agentinnenvergangenheit von Mrs. Craig nach Europa hinterherreist und dabei in Gefahr gerät, sorgt nur für einen mäßig straffen Spannungsbogen. Schlecht geschrieben ist das Buch leider auch. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen können ansteckend wirken.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main