Nachdem ich kürzlich ein fürchterliches Buch des sogenannten „China-Experten“ Frank Sieren gelesen habe, dem die chinesische KP erkennbar die Feder führte, traut sich Lea Sahay das auszusprechen, was in China niemand mehr aussprechen darf: Xi Jinping hat sein Land mit diktatorischen Vollmachten in
den Griff bekommen und säubert derzeit sowohl die Partei als auch die Wirtschaft von allen Subjekten,…mehrNachdem ich kürzlich ein fürchterliches Buch des sogenannten „China-Experten“ Frank Sieren gelesen habe, dem die chinesische KP erkennbar die Feder führte, traut sich Lea Sahay das auszusprechen, was in China niemand mehr aussprechen darf: Xi Jinping hat sein Land mit diktatorischen Vollmachten in den Griff bekommen und säubert derzeit sowohl die Partei als auch die Wirtschaft von allen Subjekten, die ihm gefährlich werden können. Ein Personenkult, wie man ihn seit Mao nicht mehr kannte, ist da nur das sichtbare Zeichen des schleichenden Freiheitsverlusts.
Lea Sahay lebt als Korrespondentin in Beijing und hat die Coronakrise in China am eigenen Leib miterlebt, mit allen furchtbaren Konsequenzen für die Bevölkerung. Es war Xi Jinpings Testlauf für die totale Unterdrückung und der Test hat funktioniert. Alle Bewohner der Stadt mussten sich selber internieren, ohne Rücksicht auf Notfälle. Sahay wurde selber Opfer, als ihr Sohn schwer erkrankte und nicht behandelt wurde, bis ein PCR-Test vorlag. Da war das Kind bereits in lebensbedrohlichem Zustand. Man merkt der Autorin an, wie sie dieses Erlebnis traumatisierte. Aber auch die Veränderungen in der Gesellschaft hat sie miterlebt und dokumentiert. Menschen, die noch vor wenigen Jahren auskunftsfreudig und offen waren, sind heute eingeschüchtert und bleiben betont unpolitisch. Die immense Jugendarbeitslosigkeit entwickelt sich ebenfalls zu einem massiven Problem, das den Chinesischen Traum von Wohlstand und (relativer) Freiheit platzen lässt. Sahay erkennt auch, dass diese Generation verloren geht, denn sie kannte einerseits die Freiheiten und Perspektiven früherer Jahre, kann sie aber selber nicht mehr nutzen. Es staut sich gesellschaftlicher Frust auf, der kein Ventil mehr hat, sich aber unweigerlich irgendwann entladen wird.
Trotz perfektioniertem Überwachungsstaat, trotz Gulags für Abweichler, trotz Gleichschaltung der öffentlichen Meinung, ist dieses China auf dem Weg ins Abseits. In der Bevölkerung hat sich, gesteuert durch die Staatsmedien, ein extremer Nationalismus etabliert, mit dem Westen als Feindbild. Ob es Xi noch gelingt, Taiwan zu überfallen, wie er es in seinem Masterplan bis 2050 befohlen hat, lässt sich noch nicht sagen, aber die Tatsache, dass man bei innenpolitischen Problemen gerne einen Krieg anfängt, ist diktatorisches Grundwissen. Das lässt nichts Gutes erahnen.
Bücher wie dieses sind rar geworden, denn Chinas Einfluss reicht mittlerweile bis in die Köpfe von Journalisten, die sich ihre Gesinnung abkaufen lassen. Lea Sahay erlebt gerade am eigenen Leib (und dem ihrer Familie) Chinas Weg in die Dunkelheit und traut sich als eine der Wenigen, offen darüber zu sprechen, etwas, das ihren chinesischen Freunde verwehrt ist. Hoffentlich darf sie noch lange berichten, ohne dass auch sie Konsequenzen zu spüren bekommt.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)