Studienarbeit aus dem Jahr 2019 im Fachbereich Geschichte - Sonstiges, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München, Veranstaltung: Bayerische Geschichte, Sprache: Deutsch, Abstract: 788 nahm Karl der Große Herzog Tassilo III. von Bayern auf dem Hoftag in Ingelheim in einem Aufsehen erregenden Prozess die Herzogswürde, welche er von 748 bis dahin besessen hatte, und verbannte ihn ins Kloster; Bayern fiel an Karl. Der Erwerb dieses Landes „war einer der unblutigsten in der Regierungszeit Karls“, wie Matthias Becher feststellt – „und doch wirft er spezifische Probleme auf, vor allem die Frage nach Macht und Recht und nach der Art und Weise, in der die karolingische Geschichtsschreibung dies thematisierte.“ Der Prozess von Ingelheim gegen Tassilo III. zählt wohl, genau weil er die problematische Vermischung dieser antithetischen Felder, Macht und Recht, auf einem Höhepunkt darstellt, „zu den bekanntesten des Mittelalters“. Zugleich ist über diesen hochberühmten Prozess fast nichts Sicheres bekannt: die offizielle Quelle dazu, die Reichsannalen (Annales regni Francorum), die am Hof Karls des Großen erstellt wurden, vertreten eine hochparteiische königsfreundliche Sicht. Überhaupt „erweist sich“ die „Geschichte Tassilos [...] in großen Teilen als eine Art Palimpsest, wie die historischen Arbeiten der letzten Jahre herausgehoben haben.“ Becher hat nach einer eingehenden Prüfung der Parallel-Überlieferung dieser Zeit, eine Trennung in „eine vom Hof abhängige und eine unabhängige Überlieferung“ vorgenommen“, und dabei festgestellt, dass der Bericht der Reichsannalen zu Tassilo „bis 787 teils gefälscht und teils aus offizieller Sicht geschrieben“ ist, und auch seine Absetzung 788 sicherlich „anders“ als dort geschildert „vor sich gegangen“ sein muss. „Sichtlich wurden“ nach Kolmer „in der Kanzlei Karls des Großen“ „‘Daten gelöscht‘, neue ‚darüber‘ geschrieben.“ Wie so oft hatte sich hier die „Geschichte des Siegers [...] durchgesetzt“. Dass keine „Tassilo-freundliche Überlieferung als Korrektiv“ existiert, führt Kolmer nach Becher ebenfalls auf „karolingische „Auslöschungen“ zurück. Die Forschung hat die Reichsannalen, vor allem in Bezug auf das Schicksal Tassilos, einer gründlichen Interpretation und Kritik unterzogen; dem gegenüber die Parallelüberlieferung jedoch erst seit Neuestem miteinbezogen. Indem sie sich in die neueste Forschung zu Parallel-Überlieferung eingliedert, möchte sich diese Arbeit dem vieldiskutierten Thema widmen, ob Tassilos Sturz durch den fränkischen König „gerechtfertigt“ war, d.h. ob ihr Anlass eine wirkliche machtpolitische Notwendigkeit oder allein Machthunger war.