Verliert sich in Stutenbissigkeit
Gerda hat einen großen Traum, aber dieser wird sich wohl nie verwirklichen lassen. Obwohl sie mit Herz und Seele für das Familienunternehmen brennt, gute Ideen und Engagement vorweisen kann, steht ihr eines im Weg: sie ist und bleibt eine Frau. Und als solche ist
es per se für die Gesellschaft undenkbar, dass sie einmal die Weg weisenden Entscheidungen trifft.…mehrVerliert sich in Stutenbissigkeit
Gerda hat einen großen Traum, aber dieser wird sich wohl nie verwirklichen lassen. Obwohl sie mit Herz und Seele für das Familienunternehmen brennt, gute Ideen und Engagement vorweisen kann, steht ihr eines im Weg: sie ist und bleibt eine Frau. Und als solche ist es per se für die Gesellschaft undenkbar, dass sie einmal die Weg weisenden Entscheidungen trifft. Selbst der eigene Vater sieht den Sohn lieber auf dem Chefsessel, obwohl dieser so gar keine Ambitionen für den Hopfen hegt. Ob Gerda wirklich zum Zug kommt und beweisen kann, dass hinter einem hübschen Aussehen auch noch viel mehr steckt ?
Clara Lindemann dreht die Zeit zurück und nimmt ihre Leser:innen mit in die Hallertau, in der Ende der 1950er Jahre noch eine sehr eingefahrene Denkweise herrscht und Frauen im Beruf oder gar in Führungspositionen nicht wirklich gerne gesehen sind. Die Autorin leiht genau diesen Frauen eine Stimme, macht sie stark und zeigt, dass es eben genau solchen Vorbildern und Kämpferinnen zu verdanken ist, dass sich auch in der Arbeitswelt so manches getan hat. Zwar herrscht immer noch ein Ungleichgewicht, aber ohne Gerda und Billie wären wir heute nicht da, wo wir sind.
Bei aller Liebe zur Emanzipation und dem Kampf der Geschlechter verliert sich die Autorin aber in einer Art Wettkampf der Stutenbissigkeit, denn fast alle weiblichen Figuren im Buch haben Haare auf den Zähnen und gerade Liesel ist eine Intrigantin in Personalunion. Wo sie auftaucht, gibt es Gezeter und sie weiß, wie sie Zweitracht und Lügen säen kann, um dann die aufgegangene Saat zu ihren Gunsten bzw. zum Vorteil ihres untreuen Mannes zu ernten.
Zwischen Vergangenheitsbewältigung - dieser Erzählstrang hätte gerne noch ausführlicher sein dürfen - und dem Erhalt des Familienerbes dürfen die Leser.innen bei der Hopfenernte dabei sein, erhaschen den ein oder anderen Einblick hinter den Kulissen und schnuppern ein wenig 50er-Jahre-Luft. Diese ist zwar noch randvoll mit vorgefertigtem Schubladendenken, gestärkten Schürzen und Kochkünsten, aber die Zeit des Aufbruchs wird spürbar.
Trotzdem fehlt mir das gewisse Etwas, um mich von der Erzählung mitreißen zu lassen. Der Funke springt einfach nicht über, sodass ich neutrale 3 Sternchen vergebe.