Tief ist der Brunnen der Vergangenheit - und manchmal birgt er «Wunderbare Dinge»: Mehr als 3300 Jahre hatte niemand gewagt, die Ruhe des Pharao im Tal der Könige zu stören. Dann - am 26. November 1922 - öffnete der britische Archäologe Howard Carter die Gruft desTutanchamun. Die Schätze, die Carter ans Tageslicht brachte, machten aus seiner Entdeckung ein Jahrhundertereignis. Sie lieferten Stoff für Schauermärchen über den Fluch des Pharao, Inspirationen für die Glamourwelt der Golden Twenties und Impulse für bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse. Dass sie nichts von ihrem Zauber verloren haben, wird in diesem spannenden Buch über die konfliktbeladene Welt des Tutanchamun, die Suche nach dem goldenen Pharao, die erste globale Mediensensation und die aktuelle Forschung deutlich. Howard Carter und Lord Carnarvon - die Namen dieser beiden Briten werden für immer mit Tutanchamun und dem spektakulärsten Archäologiefund des 20. Jahrhunderts verbunden bleiben. Der eine war ein ehrgeiziger und eigensinniger Künstler und Archäologe, der andere ein vermögender und risikofreudiger Abenteurer und Lebemann. Was sie verband, waren ihre Leidenschaft für die Kunst und ihr Interesse an Ägypten. In all den Jahren ihrer Suche nach dem Grab des Tutanchamun war der 26. November für sie sicherlich der schönste Tag. Wie oft hatten sie während der zurückliegenden Grabungskampagnen direkt über der Gruft gestanden und unverrichteter Dinge auf andere Areale ausweichen müssen! Nun aber waren sie am Ziel ihrer Träume: «Da standen zuerst uns gegenüber vergoldete Bahren, deren Seiten in der Form von Tierungeheuern geschnitzt waren ... von erstaunlicher Natürlichkeit, als unsere elektrischen Lampen gleich einem Blitzlicht ihre glänzenden goldenen Oberflächen aus der Dunkelheit hervorzauberten, wobei ihre Köpfe auf die Wand dahinter ungeheuerlich verzerrte Schatten warfen. Dann erweckten und fesselten rechts davon zwei Standbilder unsere Aufmerksamkeit; zwei lebensgroße Statuen eines Königs in schwarz, die sich wie Schildwachen gegenüberstanden mit goldenem Schurz, goldenen Sandalen mit Keule und Stab und mit der schimmernden heiligen Schlange an der Stirn ...» Die Welt des Tutanchamun und ihre Konflikte, die Geschichte der Suche nach dem goldenen Pharao, die Mediensensation, zu der sich seine Entdeckung auswuchs, und nicht zuletzt die bis heute andauernde wissenschaftliche Erforschung der Funde werden in diesem spannenden Buch kenntnisreich und anschaulich beschrieben.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2022Der Schatz des Kindkönigs
FRANKFURT Als der Archäologe Howard Carter vor 100 Jahren das Grab des Pharao Tutanchamun entdeckte, löste er damit eine weltweite "Tutmania" aus. Die Frankfurter Ägyptologin Nadja Tomoum lässt die faszinierende Geschichte Revue passieren.
Von Matthias Trautsch
Der Eintrag, der am Beginn der größten archäologischen Sensation des 20. Jahrhunderts steht, ist denkbar knapp. "Eingang zu einem Grab", notiert Howard Carter am 4. November 1922 in sein Tagebuch. Fünf Jahre lang haben die Ausgräber unter der sengenden ägyptischen Sonne tonnenweise Schutt und Schotter abgeräumt. Allein: Die erhofften Erfolge im Tal der Könige sind ausgeblieben. Und die Zeit wird knapp. Denn während der Archäologe Carter und seine Helfer im Tal der Könige nach Tutanchamuns Grab suchen, wird die Welt um sie herum von einer verheerenden Wirtschaftskrise heimgesucht. Die Inflation setzt auch Lord Carnarvon, dem Geldgeber des Unterfangens, zu. Carter hatte ihn gerade noch so überzeugen können, eine sechste und letzte Grabungssaison zu finanzieren.
Fast 100 Jahre ist es her, dass das Grab des altägyptischen Königs weitgehend unversehrt entdeckt wurde. Unter dem Titel "Das Geheimnis des Tutanchamun" hat die Frankfurter Ägyptologin Nadja Tomoum jetzt ein Buch veröffentlicht, das sich dem Zeitalter der großen Pharaonen, der religiösen Revolution des Aton-Kults und dem Menschen hinter der Goldmaske widmet. Es geht um die beiden Engländer Carter und Carnarvon - der eine künstlerisch veranlagter, ehrgeiziger Archäologe, der andere ein schwerreicher Lebemann. Es geht aber auch um das globale Medienereignis, das von der Entdeckung des Grabes ausgelöst wurde und mit Partys, bei denen im Pharaonen-Outfit das Tanzbein zum Tutanchamun-Foxtrott geschwungen wurde, bis in die Popkultur reichte.
Davon ist an jenem 4. November 1922, als ein zwölf Jahre alter Wasserträger namens Hussein auf eine in den Fels gehauene Steinstufe stößt, noch nichts zu ahnen. Auch Carter darf allenfalls hoffen, am Ziel seiner Träume angelangt zu sein. Fieberhaft wird in den folgenden Tagen weitergegraben, ein Gang und eine Treppe kommen zum Vorschein. Die 16 Stufen enden an einer Mauer, in deren Verputz die Siegel der antiken Königsnekropole prangen. Carter ist elektrisiert, hat jedoch auch Grund zur Skepsis: Für ein Königsgrab ist die Anlage ungewöhnlich klein, außerdem finden sich Spuren von Grabräubern.
Der Archäologe schlägt ein kleines Loch in die Mauer, hält eine Lampe hinein - und erblickt einen mit Geröll gefüllten Korridor. Das muss nichts, kann aber alles bedeuten. Carter weiß, was er seinem Geldgeber schuldig ist, und benachrichtigt ihn per Telegramm über die "großartige Entdeckung im Tal". Während er auf das Eintreffen Carnarvons wartet, steht die Grabung still, die Nachricht vom Fund verbreitet sich jedoch in Windeseile, aus aller Welt kommen Glückwünsche und Hilfsangebote. Erst als der Lord und seine Tochter Evelyn ankommen, werden die Arbeiten fortgesetzt. Und tatsächlich: Als auch der untere Mauerteil freigelegt ist, entdecken Carter und Carnarvon dort mehrere Siegel des Tutanchamun.
Die gebürtige Münchnerin Tomoum kennt sich in der Geschichte des alten Ägypten aus wie sonst wenige in Deutschland. Sie hat unter anderem im Ägyptischen Museum in Kairo gearbeitet und war Gründungsdirektorin des privaten Museums "Goldkammer" in Frankfurt. Sie spricht mit Hochachtung über Carter. 1917, als die Grabung im Tal der Könige begann, sei er mit 43 Jahren schon sehr erfahren und einer der besten Archäologen seiner Zeit gewesen. Der Vorwurf, die Europäer hätten die Schätze des alten Ägypten hemmungslos ausgebeutet, treffe zumindest auf ihn nicht zu. Carters Vorgehen sei beispielhaft, er habe die Funde wissenschaftlich dokumentiert und unter großem Stress unendliche Geduld bewiesen.
Am 26. November 1922 wird diese Geduld endlich belohnt. Arbeiter haben die Mauer eingerissen und sich durch den absteigenden Korridor gegraben, an dessen Ende sich eine zweite Mauer befindet. Carter schlägt ein Guckloch hinein und hält eine Kerze durch die Öffnung. Langsam gewöhnen sich seine Augen an das Dunkel der Kammer, aus der seit 3000 Jahren herrschenden Finsternis tauchen golden schimmernde Gegenstände auf. Der hinter dem Archäologen stehende Carnarvon ist ungeduldig, will wissen, ob etwas zu sehen ist. Carter ist so ergriffen, dass er nur drei Worte herausbringt: "Ja, wunderbare Dinge."
Tomoums im Verlag C. H. Beck erschienenes Buch ist längst nicht das erste über die Entdeckung des Grabs von Tutanchamun. Aber es ist eines, das wissenschaftliche Genauigkeit mit einer erzählerisch fließenden Geschichte verbindet und auch auf den aktuellen Forschungsstand eingeht, zum Beispiel auf die Theorie, dass in einer geheimen Kammer hinter einer Wand von Tutanchamuns Gruft Echnatons "Große königliche Gemahlin" Nofretete bestattet sein soll. Auch die Schäden, die der Massentourismus im Tal der Könige angerichtet hat, thematisiert Tomoum.
Der Anlass für die Publikation liegt scheinbar auf der Hand: Im November jährt sich die Entdeckung des Grabes zum hundertsten Mal, das Thema wird dann wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein treten. Und doch hätte die Kunsthistorikerin und Ägyptologin das Buch wohl nicht ohne die Anregung von Frank Berger geschrieben. Der mit ihr befreundete Historiker ist für die Numismatische Sammlung am Historischen Museum Frankfurt verantwortlich. Auf einem gemeinsamen Spaziergang während des Corona-Lockdowns entstand die Idee für das Buch.
Berger zieht gewisse Parallelen zwischen der Ägypten-Begeisterung Carters und Carnarvons und den Forschungsreisen des Frankfurter Universalgelehrten Eduard Rüppell. Zu den Gemeinsamkeiten gehört, dass der Entdeckerdrang eine solide finanzielle Basis hatte: Als Bankierssohn war Rüppell vermögend und konnte so 1817 seine erste Reise nach Ägypten unternehmen. Später bereiste er die Sinai-Halbinsel, den heutigen Sudan und Abessinien, von wo er unter anderem Handschriften mitbrachte, die sich heute in der Frankfurter Universitätsbibliothek befinden.
Sein Hauptaugenmerk galt aber der Naturforschung. Wie Berger sagt, bildeten die von Rüppell in Afrika gesammelten Präparate den Grundstock des Senckenbergmuseums. Dutzende Tier- und Pflanzenarten sind nach ihm benannt, etwa der Rüppellfuchs und der Rüppellpapagei. Ähnlich kunstfertig wie die Skizzen, die Carter von den Funden im Tal der Könige anfertigte, sind die Tierzeichnungen und Karten Rüppells. Der Numismatiker Berger ist mit ihm nicht zuletzt durch dessen Münzsammlung verbunden, die heute zum Bestand des Historischen Museums gehört. Darunter sind auch ägyptische Münzen aus der Zeit der Ptolemäer und Römer.
Zum Ruhm Carters, so viel muss Berger zugestehen, hat Rüppell es freilich nicht gebracht. Dass nach der Entdeckung des Pharaonen-Grabs eine weltweite "Tutmania" einsetzte, hatte mit der überwältigenden Pracht und Schönheit der gefundenen Schätze zu tun. Zu den Grabbeigaben gehörten ein Streitwagen, reich bemalte Truhen, vergoldete Thronsessel, herrliche Schmuck- und Kleidungsstücke bis hin zu Behältern mit Fleisch - eben alles, was nach altägyptischem Glauben ein König im Jenseits brauchte. Der bei Weitem bedeutendste Fund war allerdings der versiegelte Schrein mit den Särgen, die wie in einer Matroschka-Figur ineinander verschachtelt waren. Im Innersten lag der unversehrte Leichnam Tutanchamuns, bedeckt von der ikonischen Maske aus getriebenem Gold mit Einlagen von Glas und Halbedelsteinen.
Aber selbst diese Entdeckung hätte keine derartige Aufmerksamkeit erfahren, wäre sie nicht in eine Zeit gefallen, in der die Medien einen ungeheuren Innovationsschub erlebten. Darauf macht Christian Holtorf, Professor für Wissenschaftsforschung und Wissenschaftskommunikation an der Hochschule Coburg, aufmerksam. Über die frisch verlegten Tiefseekabel seien die Neuigkeiten aus dem Tal der Könige um die Welt gegangen. Inmitten von Rezession und Inflation sei das Publikum dankbar für die Ablenkung durch den "Old King Tut" gewesen, wie ein beliebter Schlager hieß.
Wobei Tutanchamun, wie man inzwischen weiß, keineswegs ein "Old King", sondern ein Kindkönig war. Vier Jahre nach dem Tod seines Vaters Echnaton bestieg er als vermutlich neunjähriger Knabe den Thron. Wohl unter dem Druck der hohen Priester und Beamten wandte er sich vom Aton-Kult ab, den sein Vater eingeführt hatte. Er stellte die alten Verhältnisse wieder her und änderte seinen ursprünglichen Namen "Tutanchaton" zugunsten des nun wieder verehrten Gottes Amun. Als er kaum 20 Jahre alt war, starb er, vermutlich in Zusammenhang mit einem Beinbruch.
Um die Erinnerung an die Aton-Verehrung zu tilgen, löschten seine Nachfolger sämtliche Spuren des Kindkönigs - vielleicht ein Grund, warum sein Grab in Vergessenheit geriet und anders als die anderer Pharaonen nicht geplündert wurde. Tomoum geht davon aus, dass die meisten davon prächtiger und wertvoller ausgestattet waren als die von Carter entdeckten Kammern, die nach Größe und Beschaffenheit dem königlichen Status eigentlich nicht entsprachen. Davon ausgehend könne man sich vorstellen, welche Kostbarkeiten etwa das Grab Ramses' des Großen vor der Plünderung beherbergt habe. "Man begreift die Tragik, was alles verloren gegangen ist."
Auch die wiederentdeckten Schätze des Tutanchamun waren Gefährdungen ausgesetzt: Als das Ägyptische Nationalmuseum sie in den Siebzigerjahren - heute undenkbar - auf Welttournee schickte, kam es zu einer zweiten "Tutmania". In London sahen mehr als 1,2 Millionen Besucher die Goldmaske des Pharaos, in München, Berlin und Hildesheim brach die Ausstellung "Echnaton-Nofretete-Tutanchamun" alle Rekorde. Auch die Bedingungen im, wie Tomoum schreibt, "mit Exponaten regelrecht vollgestopften" alten Kairoer Museum seien alles andere als ideal gewesen. Das Licht und die fehlende Kontrolle von Temperatur und Luftfeuchte hätten vielen Objekten schwer zugesetzt.
Umso mehr kann sie sich für das neue "Grand Egyptian Museum" begeistern, das demnächst auf einem 50 Hektar großen Areal nahe den Pyramiden von Gizeh eröffnen soll. Der Grabschatz des Kindkönigs werde dort erstmals zur Gänze und im Kontext seiner Geschichte präsentiert, zeigt sie sich überzeugt. Auch aufgrund von Carters ausführlichen Aufzeichnungen sei es gelungen, den mehr als 5000 Objekte umfassenden Fund angemessen in Szene zu setzen.
Nadja Tomoum: Das Geheimnis des Tutanchamun. Der goldene Pharao und seine abenteuerliche Wiederentdeckung. C. H. Beck, 303 Seiten, 23 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
FRANKFURT Als der Archäologe Howard Carter vor 100 Jahren das Grab des Pharao Tutanchamun entdeckte, löste er damit eine weltweite "Tutmania" aus. Die Frankfurter Ägyptologin Nadja Tomoum lässt die faszinierende Geschichte Revue passieren.
Von Matthias Trautsch
Der Eintrag, der am Beginn der größten archäologischen Sensation des 20. Jahrhunderts steht, ist denkbar knapp. "Eingang zu einem Grab", notiert Howard Carter am 4. November 1922 in sein Tagebuch. Fünf Jahre lang haben die Ausgräber unter der sengenden ägyptischen Sonne tonnenweise Schutt und Schotter abgeräumt. Allein: Die erhofften Erfolge im Tal der Könige sind ausgeblieben. Und die Zeit wird knapp. Denn während der Archäologe Carter und seine Helfer im Tal der Könige nach Tutanchamuns Grab suchen, wird die Welt um sie herum von einer verheerenden Wirtschaftskrise heimgesucht. Die Inflation setzt auch Lord Carnarvon, dem Geldgeber des Unterfangens, zu. Carter hatte ihn gerade noch so überzeugen können, eine sechste und letzte Grabungssaison zu finanzieren.
Fast 100 Jahre ist es her, dass das Grab des altägyptischen Königs weitgehend unversehrt entdeckt wurde. Unter dem Titel "Das Geheimnis des Tutanchamun" hat die Frankfurter Ägyptologin Nadja Tomoum jetzt ein Buch veröffentlicht, das sich dem Zeitalter der großen Pharaonen, der religiösen Revolution des Aton-Kults und dem Menschen hinter der Goldmaske widmet. Es geht um die beiden Engländer Carter und Carnarvon - der eine künstlerisch veranlagter, ehrgeiziger Archäologe, der andere ein schwerreicher Lebemann. Es geht aber auch um das globale Medienereignis, das von der Entdeckung des Grabes ausgelöst wurde und mit Partys, bei denen im Pharaonen-Outfit das Tanzbein zum Tutanchamun-Foxtrott geschwungen wurde, bis in die Popkultur reichte.
Davon ist an jenem 4. November 1922, als ein zwölf Jahre alter Wasserträger namens Hussein auf eine in den Fels gehauene Steinstufe stößt, noch nichts zu ahnen. Auch Carter darf allenfalls hoffen, am Ziel seiner Träume angelangt zu sein. Fieberhaft wird in den folgenden Tagen weitergegraben, ein Gang und eine Treppe kommen zum Vorschein. Die 16 Stufen enden an einer Mauer, in deren Verputz die Siegel der antiken Königsnekropole prangen. Carter ist elektrisiert, hat jedoch auch Grund zur Skepsis: Für ein Königsgrab ist die Anlage ungewöhnlich klein, außerdem finden sich Spuren von Grabräubern.
Der Archäologe schlägt ein kleines Loch in die Mauer, hält eine Lampe hinein - und erblickt einen mit Geröll gefüllten Korridor. Das muss nichts, kann aber alles bedeuten. Carter weiß, was er seinem Geldgeber schuldig ist, und benachrichtigt ihn per Telegramm über die "großartige Entdeckung im Tal". Während er auf das Eintreffen Carnarvons wartet, steht die Grabung still, die Nachricht vom Fund verbreitet sich jedoch in Windeseile, aus aller Welt kommen Glückwünsche und Hilfsangebote. Erst als der Lord und seine Tochter Evelyn ankommen, werden die Arbeiten fortgesetzt. Und tatsächlich: Als auch der untere Mauerteil freigelegt ist, entdecken Carter und Carnarvon dort mehrere Siegel des Tutanchamun.
Die gebürtige Münchnerin Tomoum kennt sich in der Geschichte des alten Ägypten aus wie sonst wenige in Deutschland. Sie hat unter anderem im Ägyptischen Museum in Kairo gearbeitet und war Gründungsdirektorin des privaten Museums "Goldkammer" in Frankfurt. Sie spricht mit Hochachtung über Carter. 1917, als die Grabung im Tal der Könige begann, sei er mit 43 Jahren schon sehr erfahren und einer der besten Archäologen seiner Zeit gewesen. Der Vorwurf, die Europäer hätten die Schätze des alten Ägypten hemmungslos ausgebeutet, treffe zumindest auf ihn nicht zu. Carters Vorgehen sei beispielhaft, er habe die Funde wissenschaftlich dokumentiert und unter großem Stress unendliche Geduld bewiesen.
Am 26. November 1922 wird diese Geduld endlich belohnt. Arbeiter haben die Mauer eingerissen und sich durch den absteigenden Korridor gegraben, an dessen Ende sich eine zweite Mauer befindet. Carter schlägt ein Guckloch hinein und hält eine Kerze durch die Öffnung. Langsam gewöhnen sich seine Augen an das Dunkel der Kammer, aus der seit 3000 Jahren herrschenden Finsternis tauchen golden schimmernde Gegenstände auf. Der hinter dem Archäologen stehende Carnarvon ist ungeduldig, will wissen, ob etwas zu sehen ist. Carter ist so ergriffen, dass er nur drei Worte herausbringt: "Ja, wunderbare Dinge."
Tomoums im Verlag C. H. Beck erschienenes Buch ist längst nicht das erste über die Entdeckung des Grabs von Tutanchamun. Aber es ist eines, das wissenschaftliche Genauigkeit mit einer erzählerisch fließenden Geschichte verbindet und auch auf den aktuellen Forschungsstand eingeht, zum Beispiel auf die Theorie, dass in einer geheimen Kammer hinter einer Wand von Tutanchamuns Gruft Echnatons "Große königliche Gemahlin" Nofretete bestattet sein soll. Auch die Schäden, die der Massentourismus im Tal der Könige angerichtet hat, thematisiert Tomoum.
Der Anlass für die Publikation liegt scheinbar auf der Hand: Im November jährt sich die Entdeckung des Grabes zum hundertsten Mal, das Thema wird dann wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein treten. Und doch hätte die Kunsthistorikerin und Ägyptologin das Buch wohl nicht ohne die Anregung von Frank Berger geschrieben. Der mit ihr befreundete Historiker ist für die Numismatische Sammlung am Historischen Museum Frankfurt verantwortlich. Auf einem gemeinsamen Spaziergang während des Corona-Lockdowns entstand die Idee für das Buch.
Berger zieht gewisse Parallelen zwischen der Ägypten-Begeisterung Carters und Carnarvons und den Forschungsreisen des Frankfurter Universalgelehrten Eduard Rüppell. Zu den Gemeinsamkeiten gehört, dass der Entdeckerdrang eine solide finanzielle Basis hatte: Als Bankierssohn war Rüppell vermögend und konnte so 1817 seine erste Reise nach Ägypten unternehmen. Später bereiste er die Sinai-Halbinsel, den heutigen Sudan und Abessinien, von wo er unter anderem Handschriften mitbrachte, die sich heute in der Frankfurter Universitätsbibliothek befinden.
Sein Hauptaugenmerk galt aber der Naturforschung. Wie Berger sagt, bildeten die von Rüppell in Afrika gesammelten Präparate den Grundstock des Senckenbergmuseums. Dutzende Tier- und Pflanzenarten sind nach ihm benannt, etwa der Rüppellfuchs und der Rüppellpapagei. Ähnlich kunstfertig wie die Skizzen, die Carter von den Funden im Tal der Könige anfertigte, sind die Tierzeichnungen und Karten Rüppells. Der Numismatiker Berger ist mit ihm nicht zuletzt durch dessen Münzsammlung verbunden, die heute zum Bestand des Historischen Museums gehört. Darunter sind auch ägyptische Münzen aus der Zeit der Ptolemäer und Römer.
Zum Ruhm Carters, so viel muss Berger zugestehen, hat Rüppell es freilich nicht gebracht. Dass nach der Entdeckung des Pharaonen-Grabs eine weltweite "Tutmania" einsetzte, hatte mit der überwältigenden Pracht und Schönheit der gefundenen Schätze zu tun. Zu den Grabbeigaben gehörten ein Streitwagen, reich bemalte Truhen, vergoldete Thronsessel, herrliche Schmuck- und Kleidungsstücke bis hin zu Behältern mit Fleisch - eben alles, was nach altägyptischem Glauben ein König im Jenseits brauchte. Der bei Weitem bedeutendste Fund war allerdings der versiegelte Schrein mit den Särgen, die wie in einer Matroschka-Figur ineinander verschachtelt waren. Im Innersten lag der unversehrte Leichnam Tutanchamuns, bedeckt von der ikonischen Maske aus getriebenem Gold mit Einlagen von Glas und Halbedelsteinen.
Aber selbst diese Entdeckung hätte keine derartige Aufmerksamkeit erfahren, wäre sie nicht in eine Zeit gefallen, in der die Medien einen ungeheuren Innovationsschub erlebten. Darauf macht Christian Holtorf, Professor für Wissenschaftsforschung und Wissenschaftskommunikation an der Hochschule Coburg, aufmerksam. Über die frisch verlegten Tiefseekabel seien die Neuigkeiten aus dem Tal der Könige um die Welt gegangen. Inmitten von Rezession und Inflation sei das Publikum dankbar für die Ablenkung durch den "Old King Tut" gewesen, wie ein beliebter Schlager hieß.
Wobei Tutanchamun, wie man inzwischen weiß, keineswegs ein "Old King", sondern ein Kindkönig war. Vier Jahre nach dem Tod seines Vaters Echnaton bestieg er als vermutlich neunjähriger Knabe den Thron. Wohl unter dem Druck der hohen Priester und Beamten wandte er sich vom Aton-Kult ab, den sein Vater eingeführt hatte. Er stellte die alten Verhältnisse wieder her und änderte seinen ursprünglichen Namen "Tutanchaton" zugunsten des nun wieder verehrten Gottes Amun. Als er kaum 20 Jahre alt war, starb er, vermutlich in Zusammenhang mit einem Beinbruch.
Um die Erinnerung an die Aton-Verehrung zu tilgen, löschten seine Nachfolger sämtliche Spuren des Kindkönigs - vielleicht ein Grund, warum sein Grab in Vergessenheit geriet und anders als die anderer Pharaonen nicht geplündert wurde. Tomoum geht davon aus, dass die meisten davon prächtiger und wertvoller ausgestattet waren als die von Carter entdeckten Kammern, die nach Größe und Beschaffenheit dem königlichen Status eigentlich nicht entsprachen. Davon ausgehend könne man sich vorstellen, welche Kostbarkeiten etwa das Grab Ramses' des Großen vor der Plünderung beherbergt habe. "Man begreift die Tragik, was alles verloren gegangen ist."
Auch die wiederentdeckten Schätze des Tutanchamun waren Gefährdungen ausgesetzt: Als das Ägyptische Nationalmuseum sie in den Siebzigerjahren - heute undenkbar - auf Welttournee schickte, kam es zu einer zweiten "Tutmania". In London sahen mehr als 1,2 Millionen Besucher die Goldmaske des Pharaos, in München, Berlin und Hildesheim brach die Ausstellung "Echnaton-Nofretete-Tutanchamun" alle Rekorde. Auch die Bedingungen im, wie Tomoum schreibt, "mit Exponaten regelrecht vollgestopften" alten Kairoer Museum seien alles andere als ideal gewesen. Das Licht und die fehlende Kontrolle von Temperatur und Luftfeuchte hätten vielen Objekten schwer zugesetzt.
Umso mehr kann sie sich für das neue "Grand Egyptian Museum" begeistern, das demnächst auf einem 50 Hektar großen Areal nahe den Pyramiden von Gizeh eröffnen soll. Der Grabschatz des Kindkönigs werde dort erstmals zur Gänze und im Kontext seiner Geschichte präsentiert, zeigt sie sich überzeugt. Auch aufgrund von Carters ausführlichen Aufzeichnungen sei es gelungen, den mehr als 5000 Objekte umfassenden Fund angemessen in Szene zu setzen.
Nadja Tomoum: Das Geheimnis des Tutanchamun. Der goldene Pharao und seine abenteuerliche Wiederentdeckung. C. H. Beck, 303 Seiten, 23 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Tomoum kennt sich in der Geschichte des alten Ägypten aus wie sonst wenige in Deutschland. Ihr Buch ist längst nicht das erste über die Entdeckung des Grabs von Tutanchamun. Aber es ist eines, das wissenschaftliche Genauigkeit mit einer erzählerisch fließenden Geschichte verbindet und auch auf den aktuellen Forschungsstand eingeht."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Matthias Trautsch
"Nadja Tomoum ist es gelungen, die komplexe Geschichte von Tutanchamuns Grab und seiner Entdeckung auf nur 300 Seiten umfassend und kompetent darzustellen und mit passenden Illustrationen abzubilden."
dpa
"Viele historische Details, die aufhorchen lassen. ... Eine kurzweilige Lektüre."
Bayern 2 Diwan, Martina Boette-Sonner
"Eine Art Handbuch, das Schneisen schlägt durch die Analysen, Studien und Spekulationen."
WELT am Sonntag, Berthold Seewald
"Kurzweilig und zugleich wissenschaftlich fundiert"
Damals
"Kompakt und klug auf dem aktuellen Forschungsstand ... lesenswert"
P.M. History
"Ein spannendes Buch über die Entdeckung des Tutanchamun"
Rhein-Neckar-Zeitung, Heribert Vogt
"Nadja Tomoums Buch ist spannende Lektüre und berichtet zugleich informativ, fundiert und umfassend über ein faszinierendes Kulturphänomen - das im Blick auf die Macht der Medien auch zu denken gibt."
Die Rheinpfalz
"Detailreich schildert das Buch die spannende und durchaus auch dramatische Geschichte der Entdeckung. ... Umfassend und kompetent"
dpa, Axel Knönagel
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Matthias Trautsch
"Nadja Tomoum ist es gelungen, die komplexe Geschichte von Tutanchamuns Grab und seiner Entdeckung auf nur 300 Seiten umfassend und kompetent darzustellen und mit passenden Illustrationen abzubilden."
dpa
"Viele historische Details, die aufhorchen lassen. ... Eine kurzweilige Lektüre."
Bayern 2 Diwan, Martina Boette-Sonner
"Eine Art Handbuch, das Schneisen schlägt durch die Analysen, Studien und Spekulationen."
WELT am Sonntag, Berthold Seewald
"Kurzweilig und zugleich wissenschaftlich fundiert"
Damals
"Kompakt und klug auf dem aktuellen Forschungsstand ... lesenswert"
P.M. History
"Ein spannendes Buch über die Entdeckung des Tutanchamun"
Rhein-Neckar-Zeitung, Heribert Vogt
"Nadja Tomoums Buch ist spannende Lektüre und berichtet zugleich informativ, fundiert und umfassend über ein faszinierendes Kulturphänomen - das im Blick auf die Macht der Medien auch zu denken gibt."
Die Rheinpfalz
"Detailreich schildert das Buch die spannende und durchaus auch dramatische Geschichte der Entdeckung. ... Umfassend und kompetent"
dpa, Axel Knönagel