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Eine Stadt in gespenstischer Ekstase. Etwas Leuchtendes liegt in der Luft. Befällt Pflanzen. Und Menschen. Ist überall. Angenommen, der Rausch deines Lebens, die pure Euphorie wächst frei zugänglich im Park um die Ecke. Der einzige Haken dieser Substanz: Du kannst sie nur ein einziges Mal genießen. Denn sie ist hochgiftig und ohne Ausnahme tödlich. Auch wenn der Tod, den sie verspricht, süßer denn je ist. Was würdest du tun? Zugreifen? Oder widerstehen? Als ein bis dahin unbekannter Pilz den Bärlauch rund um Wien befällt, steigt die Zahl der Todesfälle rasant an. Denn wie in jedem Frühling…mehr

Produktbeschreibung
Eine Stadt in gespenstischer Ekstase. Etwas Leuchtendes liegt in der Luft. Befällt Pflanzen. Und Menschen. Ist überall. Angenommen, der Rausch deines Lebens, die pure Euphorie wächst frei zugänglich im Park um die Ecke. Der einzige Haken dieser Substanz: Du kannst sie nur ein einziges Mal genießen. Denn sie ist hochgiftig und ohne Ausnahme tödlich. Auch wenn der Tod, den sie verspricht, süßer denn je ist. Was würdest du tun? Zugreifen? Oder widerstehen? Als ein bis dahin unbekannter Pilz den Bärlauch rund um Wien befällt, steigt die Zahl der Todesfälle rasant an. Denn wie in jedem Frühling dominiert das Kraut nicht nur die Speisekarten vieler Lokale, sondern auch die Wälder der Stadt, die – aller Verbote zum Trotz – gestürmt werden. Versehentliche Vergiftungen werden bald zu praktischen Beseitigungen von lästigen Langzeitfeind*innen, auch die Partyszene der Stadt entdeckt Viennese Weed für sich. Und die befallene Pflanze bietet eine weitere für viele verlockende Möglichkeit: die Trostlosigkeit des Lebens zu beenden. Selbstbestimmt, friedlich und ohne einer anderen Person Schaden zuzufügen. Ein Waldspaziergang der Verzweifelten Nach einem Gefängnisaufenthalt versucht Kiki, zurück in ein geregeltes Leben zu finden. Als ihre unheilbar kranke Freundin Olga rund um die Uhr Pflege benötigt, zieht sie zu ihr und kümmert sich aufopfernd. Das neuartige Viennese Weed ist für Olga eine Möglichkeit zur Flucht, die sie ergreifen möchte. Für Kiki ein Albtraum, dem sie nicht entkommen kann. Dennoch ist sie bereit, für ihre Freundin die tödlichen Blätter zu beschaffen, auch wenn sie weiß, dass das für sie den ultimativen Abschied von Olga bedeuten kann. Auch die dreizehnjährige Jasse treibt es in den Wald. Aus Wut, Trauer und Verzweiflung möchte sie ihrem Leben ein Ende setzen. Als plötzlich Aufseher auftauchen, fliehen Kiki und Jasse zusammen – und knüpfen eine vorsichtige Verbindung, eine Freundschaft, die sich aus Unglück speist. Das hält Jasse allerdings nicht davon ab, den Bärlauch, den sie gesammelt hat, zum Einsatz zu bringen – allerdings nicht an sich selbst … Während Jasse mit ihrem Gewissen kämpft, breitet sich der Bärlauch-Befall immer weiter aus, dominiert die internationalen Medien, befeuert neue Verschwörungstheorien. Viennese Weed ist Ausweg, Waffe und Droge zugleich. Bedeutet aber auch: eine Wahl haben, selbstbestimmt leben und sterben dürfen. Gudrun Lerchbaum blickt mit viel Einfühlungsvermögen in die Gedankenwelt von Menschen, die unheilbar krank, von denen, die voller Verzweiflung sind, einen Ausweg suchen. Sie kratzt an einem Tabu, bringt den sonst oft verdrängten Tod in die Mitte der Gesellschaft und stellt unangenehme Fragen: Gehört zu einem selbstbestimmten Leben nicht auch ein selbstbestimmtes Sterben? Was passiert mit uns, wenn es plötzlich eine friedliche, einfache Möglichkeit dazu gibt? Und was tun wir, wenn die Menschen, die wir am meisten lieben, sich dazu entschlossen haben? Sie zeigt, wie die Nähe des Todes das Menschlichste in uns hervorbringt – und dass stark sein nicht immer bedeuten muss, das Unerträgliche zu ertragen.
Autorenporträt
Gudrun Lerchbaum, aufgewachsen in Wien, Paris und Düsseldorf, war schon Plakatkleberin, Philosophiestudentin und Weihnachtskartendesignerin. Seit Abschluss ihres Architekturstudiums an der TU Wien arbeitet sie als Architektin und freischaffende Künstlerin. Nach zahlreichen Texten und Kurzgeschichten erschien 2015 ihr erster Roman "Die Venezianerin und der Baumeister". 2016 und 2018 folgten "Lügenland" und "Wo Rauch ist". Ihre Sprache fesselt, rüttelt wach, zeichnet und verwischt Konturen von Protagonist*innen, die uns auch nach dem Lesen noch lange begleiten. Für ihr Werk erhielt Lerchbaum diverse Auszeichnungen und Stipendien, u.a. der Stadt Wien. In "Das giftige Glück" (Haymon, Januar 2022) versetzt Gudrun Lerchbaum eine Stadt in Ekstase und fragt, was zu einem selbstbestimmten Leben gehört.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2022

High mit Bärlauch
Krimis in Kürze: Greg Buchanan und Gudrun Lerchbaum

Wenn beim Lesen eines Kriminalromans die Frage aufkommt, ob das denn überhaupt ein Kriminalroman sei, muss das kein Indiz für einen Mangel sein. Im Gegenteil: Meist ist es ein Zeichen dafür, dass eine Erzählung die ausgetretenen Wege verlässt und sich auf neuem Terrain bewegt. Kein anderes Genre erscheint durch die Masse der Bücher und Fernsehdrehbücher so gnadenlos durchformatiert. Nahezu jede und jeder, der oder die zu schreiben beginnt, glaubt, die Befolgung einer Handvoll Verfahrensregeln werde ihn oder sie schon zum Ziel führen wie ein Navi in einer fremden Stadt.

Weil ein Roman nun aber kein Schrank ist, den man nach Anleitung zusammenbaut, und auch kein Gericht, für das es ein todsicheres Kochrezept gibt, ist die Anwendung bestimmter Regeln keine Erfolgsgarantie. Greg Buchanan zum Beispiel, ein zweiunddreißigjähriger Brite, hat zwar Erfahrung als Drehbuchautor für Videospiele gesammelt, aber vermutlich weiß er gerade deshalb sehr genau, warum ein Roman einprägsame, bildgewaltige Settings braucht, die man nicht vergisst, aber keine Levels, die man sich erspielen muss, um am Schluss mit einer Auflösung belohnt zu werden.

"Sechzehn Pferde" (S. Fischer, 448 S., geb., 22,- Euro) ist ein erstaunliches Debüt. Es ist sehr düster, es hat Züge einer "gothic novel" und unstrittige literarische Qualitäten. Wovon es erzählt und wie es das tut, das ist immer mehr als nur ein Fall und dessen Aufklärung. Sechzehn Pferde, das sind, streng genommen, sechzehn abgetrennte Pferdeköpfe: in einem Kreis angeordnet und so eingegraben, dass ein totes Auge in die Sonne schaut. Dass in den Kadavern das Anthraxbazillus enthalten ist und nach der forensischen Untersuchung verbreitet wird, verleiht dem Buch in pandemischen Zeiten eine zusätzliche Dimension.

Die Geschichte spielt in einem fiktiven ostenglischen Küstenort mit dem sprechenden Namen Ilmarsh. Eine sieche Kleinstadt, der Pier mit Spielhallen und Karussells ist verrottet, die Touristen bleiben weg, die Industrie ist längst fort, es fehlt daher nicht an Leuten, deren Leben auch langsam abstirbt und die zu vielem fähig sind. Der Polizist Alex Nichols ist einer von ihnen, er ist Witwer, alleinerziehend und voller Schuldgefühle. Cooper, die Veterinärforensikerin aus London, die hinzugezogen wird, ist so labil, dass auch sie in dieser Welt schnell an ihre Grenzen gerät.

Buchanan zeigt das Geschehen zumeist aus ihrer Perspektive, ohne dass sie deshalb den Überblick hätte. Er beginnt mit ihr in einer Therapiesituation, und er lässt das Buch auch mit dieser Therapiesitzung enden. Das ist eine kluge Rahmung, die genug Raum lässt für andere Blicke, sodass der Erzähler am Ende eher wie jemand wirkt, der verschiedene Fundstücke von der Camcorderaufzeichnung bis zum Chatprotokoll einfach nur arrangiert hat.

Auch bei Gudrun Lerchbaum geht es eher um vorsichtige Zeitdiagnostik und die Momentaufnahme einer Gesellschaft als um einen Fall und dessen Lösung. "Das giftige Glück" (Haymon, 272 S., geb., 19,90 Euro) hat einen schönen Titel und eigentlich keinen stringenten Plot. Auf Bärlauchpflanzen im Raum Wien hat sich ein Pilz gebildet. Wer ihn kostet, der ist unglaublich high - und dann sofort tot. "Viennese Weed" nennt ein Blogger, ein Oldenburger Doktorand, der über Pilze und Sporen forscht, die Einmaldroge in seinem Blog.

Er greift selbst ein ins Geschehen, ist aber keine Hauptfigur. Die heißt Kiki, ist aus Lerchbaums Buch "Wo Rauch ist" bekannt und betreut Olga, ehemalige Hausbesetzerin mit Multipler Sklerose. Und da ist Jassa, eine Dreizehnjährige, deren Mutter abgehauen ist und die bei ihrem Vater lebt. Eher zufällig beschert das Mädchen einer bekannten Moderatorin mit Bärlauch Glück und Tod.

Gudrun Lerchbaum hat einen österreichischen Eigenheiten angemessenen Humor, er ist böse, aber nie bösartig, er verrät seine Figuren nicht. Man hat jederzeit den Eindruck, dass Lerchbaum sehr genau weiß, was sie da tut. Sie schreibt, als läge die Pandemie schon hinter uns und würde von dieser neuen, durch Pilzsporen verbreiteten Seuche abgelöst, die Tod und Glücksversprechen koinzidieren lässt. Ist das nun ein Kriminalroman? Falsche Frage. Besser: Ist es ein gutes Buch? Da fällt die Antwort leicht. PETER KÖRTE

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