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Dani Rodrik ist Ökonom und einer der prominentesten Globalisierungskritiker seiner Zunft. In seinem neuen Buch ruft er ein "politisches Trilemma der Weltwirtschaft" aus: Nationalstaaten, Demokratie und "Hyperglobalisierung" passten nicht zusammen. Die Demokratie leide unter der Globalisierung, weil die Firmen dem demokratisch beschlossenen Arbeitsrecht und den Steuern entgehen können, indem sie in anderen Staaten investieren. Rodriks Lösung: Die Staaten müssen höhere Zölle erheben. Natürlich vergisst er nicht zu fordern, die Finanzmärkte müssten besser reguliert werden. Globalisierungsgegner finden hier die Theorie zu ihren Thesen. Rodrik ignoriert allerdings, dass die Globalisierung schon viele arme Länder reich gemacht hat, so dass die harte Konkurrenz von selbst weicher wurde - zuletzt im Fall von China.
bern.
Dani Rodrik: Das Globalisierungs-Paradox. Verlag C.H.Beck München, 24,95 Euro.
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Dani Rodrik glaubt, dass die Demokratie auch in der globalisierten Weltwirtschaft Bestand haben kann
Funktionieren Markt und Kapitalismus am besten, wenn der Staat möglichst wenig zu sagen hat? Wie viel globalisierter Freihandel ist wirtschaftlich, aber auch sozial und ökologisch empfehlenswert? Und was macht das Freihandelsregime der Welthandelsorganisation (WTO), deren Normen den Staaten dieser Welt immer mehr von ihren Gestaltungsspielräumen nehmen, mit der Demokratie?
Ein gewisses Grundmisstrauen gegenüber dem Buch des US-amerikanischen Ökonomen Dani Rodrik über „Das Globalisierungs-Paradox“ lag dem Rezensenten zunächst nicht fern. Das Thema ist nicht neu. Und allzu oft werden die beinahe sprichwörtlichen „amerikanischen Wissenschaftler“ und gar Harvard-Professoren ohne zwingenden Grund zu Überfliegern stilisiert. Doch Rodriks Buch ist nicht nur kurzweilig, es hält tatsächlich auch für Laien und Fachleute gleichermaßen interessante Einsichten bereit.
Unregulierte Märkte und ein offener grenzüberschreitender Freihandel führen zwangsläufig wegen der dadurch möglichen Arbeitsteilung weltweit zu Wohlstand, sagen Standardökonomen. Die Globalisierung schade den Armen hierzulande und weltweit, sagen die Kritiker von Globalisierung und „Neoliberalismus“. Rodrik will diese oft ideologisch wirkende Frontstellung beseitigen. In der Tat gelingt es ihm, mit vielen überzeugenden Überlegungen und Belegen für einen Mittelweg zu plädieren. Freie Märkte führen häufig zu Wohlstand, das sieht auch Rodrik so – aber nur mit klaren staatlichen Regeln, Institutionen, viel Bildung, wenig Korruption und einigen weiteren Schranken, die das freie Spiel der Kräfte eindämmen. Das belegt Rodrik ausführlich, sowohl historisch als auch im Hinblick auf die Gegenwart. Seine Argumentation führt über den kanadisch-englischen Biberpelzhandel des 17. Jahrhunderts bis zur Finanzkrise, ohne dabei aber auch nur im Geringsten langatmig zu werden.
Brisanter sind indes zwei andere Thesen Rodriks, die er breit belegt: Wenn der Markt schon so frei ist wie heute meist in der Welt, dann bringe eine weitere Deregulierung selbst unter optimalen Bedingungen keinen weiteren Gewinn – sondern vielmehr immer größeren Schaden: zunehmende Armut und Finanzkrisen.
Vor allem aber sei schon das heutige Ausmaß an Freihandel mit der Demokratie unvereinbar. Denn eine Weltdemokratie, die den globalen Markt regulieren könnte, sei wegen vielerlei Egoismen unrealistisch. Das gelte auch für die von vielen geforderten globalen Finanzmarktregeln. Und eine nationalstaatliche Demokratie ergebe nur Sinn, wenn man ihr nicht alle Gestaltungschancen nimmt. In der Tat: Momentan sind beispielsweise nationale Schranken für den Kapitalverkehr weitgehend verboten. Umwelt- und Sozialpolitik verbietet das WTO-Recht zwar nur manchmal. Doch es erzeugt einen immensen Druck, den Unternehmen keine Sozial- oder Umweltkosten aufzubürden, da freie Waren- und Kapitalmärkte den Unternehmen ein leichtes Ab-wandern ermöglichen. Also, schließt Rodrik, müsse der Freihandel gezähmt, der Kapitalverkehr besser reguliert und den Staaten wieder mehr eigene Politik erlaubt werden.
Den Ökonomen hält Rodrik vor, dass sie in alten Glaubenssätzen steif verharrten. Das ist mutig: Nicht oft kommt es vor, dass ein Ökonom seine eigene Zunft kritisiert. Die vielleicht zwei zentralen Probleme unserer Zeit blendet er jedoch leider aus: die Wachstumsgrenzen und den Klimawandel. Sein Buch bleibt dann doch im ökonomischen Mainstream:
Rodrik geht von der Frage aus, wie ewiges Wachstum in allen Teilen der Welt ermöglicht werden könne. Die Debatte über die Grenzen des Wachstums in einer physikalisch endlichen Welt erwähnt er nicht mit einem Wort. Genau hierzu und zu den daraus sich ergebenden Folgen, etwa die nötige Neukonzeption der bisher wachstumsbasierten Rentenversicherung, wären aber wirtschaftswissenschaftliche Überlegungen hilfreich.
Ferner: So verständlich sein Loblied auf den Nationalstaat in Zeiten schwächelnder globaler Regelungsversuche ist, bleibt unklar, wie er damit ein globales Problem wie den Klimawandel in den Griff bekommen möchte. Der drohende Dumpingwettlauf der Staaten um die billigste, am Ende für die Menschheit aber teuerste, nämlich existenzbedrohende Klimapolitik entlockt Rodrik nur den recht hilflos wirkenden Hinweis: Natürlich würde er eine gemeinsame Klimapolitik aller Staaten begrüßen.
Also ist vielleicht doch zweierlei nötig: Ein gesellschaftliches Nachdenken darüber, ob immer mehr materieller Wohlstand – mit immer mehr Klimagasemissionen – wirklich der Weg zum Glück ist. Und ein politisches Umdenken dahingehend, dass die weltweite Demokratisierung und letztlich der Aufbau schmaler, aber etwa beim Klimawandel handlungsfähiger globaler Politikstrukturen höchst wichtig wäre. Dass das alles andere als einfach wird, darin kann man Rodrik zustimmen. Dennoch, oder gerade deswegen, wünscht man sich, dass viele Bürger, Politiker und Journalisten weltweit das Buch lesen und damit differenziertere Debatten über das vermeintlich „immer“ effiziente Streben nach mehr Markt und weniger Staat in Gang bringen. FELIX EKARDT
DANI RODRIK: Das Globalisierungs-Paradox. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft. Verlag C.H. Beck, München 2011. 415 Seiten, 24,95 Euro.
Felix Ekardt lehrt an der Universität Rostock, er leitet die Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik.
Der Klimawandel macht
es unabdingbar, dass die Länder
der Welt zusammenarbeiten.
Über das Buch des Wirtschaftswissenschaftlers Dani Rodrik wird viel diskutiert – zu Recht, meint unser Rezensent. Er vermisst allerdings eines: Rodrik übergeht den Klimawandel. Denn: Was nützen Demokratie und Wachstum, wenn das Auto, mit dem man da hinfahren will, längst geschmolzen ist?
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