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Theres hat sich mit Fleiß, Geduld und Langmut ein gutes Leben zurechtgestrickt: Normalität als Kokon, der Sicherheit spendet. Fast hat sie geglaubt, ihr Leben im Griff zu haben. Doch eines Abends kommt ein Anruf, und das scheinbar wohlgeordnete Arrangement fliegt ihr um die Ohren. Ana ist bloß die Putzhilfe, Theres' Familienidyll samt Ballast lässt sie kalt wie der Alltag der meisten Mittelständler, für die sie den Dreck wegmacht. Nur zur alten Frau Sudic hat sie ein besonderes Verhältnis. Die hat die Schrecken des Bosnienkriegs erlebt und sich nicht kleinkriegen lassen von Ohnmacht und…mehr

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Produktbeschreibung
Theres hat sich mit Fleiß, Geduld und Langmut ein gutes Leben zurechtgestrickt: Normalität als Kokon, der Sicherheit spendet. Fast hat sie geglaubt, ihr Leben im Griff zu haben. Doch eines Abends kommt ein Anruf, und das scheinbar wohlgeordnete Arrangement fliegt ihr um die Ohren. Ana ist bloß die Putzhilfe, Theres' Familienidyll samt Ballast lässt sie kalt wie der Alltag der meisten Mittelständler, für die sie den Dreck wegmacht. Nur zur alten Frau Sudic hat sie ein besonderes Verhältnis. Die hat die Schrecken des Bosnienkriegs erlebt und sich nicht kleinkriegen lassen von Ohnmacht und ausufernder Gewalt ... Jede der drei Frauen hütet Geheimnisse. Und eine von ihnen wird schrecklich herausgefordert: Reale und imaginäre Bedrohungen steigern sich zur eskalierenden Achterbahnfahrt - bis jemand zu Tode kommt. Mit der ihr eigenen zärtlichen Präzision geht Anne Goldmann den Verstrickungen nach, die bei so vielen Frauen Souveränität und Handlungsfähigkeit untergraben, und erschafft ein packendes Triptychon weiblicher Ängste und Konflikte. »In ihrer Welt ist niemand sicher. So unaufgeregt wie leise führt Anne Goldmann mit klarer Sprache mittenrein ins Grauen: Die Österreicherin setzt liebevoll in Szene, was mit Tätern, Opfern und deren Angehörigen geschieht. Wie leicht alles aus den Fugen geraten kann, allerorten.« Buchjournal

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Autorenporträt
Die Wiener Autorin Anne Goldmann, geboren 1961, jobbte als Kellnerin, Küchenhilfe und Zimmermädchen, um sich die Ausbildung zur Sozialarbeiterin zu finanzieren. Einige Jahre arbeitete sie in einer Justizanstalt, derzeit betreut sie Straffällige nach der Haft. Anne Goldmann begann früh zu schreiben, veröffentlichte ein paar Texte, verwarf dann alles und entdeckte erst spät das Schreiben wieder neu. Für die Romane Das Leben ist schmutzig, Triangel und Lichtschacht erhielt sie hymnische Kritiken.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Theres: Mutter, Ehefrau, Versehrte; Ana: Putzfrau, Studentin; Frau Sudi, pflegebedürftig, von Erinnerung gepeinigt - keine der Frauen ist richtig angekommen in ihrem Leben. Allen voran Theres, die einen erschreckenden Anruf bekommt, der sie daran erinnert, dass sie als junges Mädchen schon einmal Mutter geworden war. Der verlorene Sohn dringt in ihr geordnetes Mittelschichtsleben, hinter die Mauern, die sie um sich, ihre vielseitigen nervösen Probleme und ihr Familientrauma mit despotischem Vater gebaut hat. Die Anwesenheit des fremden Kindes, inzwischen ein junger Mann, reißt alte Wunden auf, öffnet neue. Ana verstrickt sich ebenso in die Ereignisse wie auch die alte Frau Sudi, die Theres ehrenamtlich besucht, wobei nicht klar ist, wer wem eigentlich hilft und ob sie nicht mehr gemeinsam haben, als sie dachten. Und dann gibt es Tote und Verletzte, Misstrauen und Lügen. Goldmann schreibt unaufgeregt, fast leise und immer haarscharf auf der Grenze eines inneren Schmerzes zwischen Aushalten und Zerreißen, der alle Figuren begleitet. In kurzen Kapiteln verdichtet sie die Gedanken und Gefühle der Frauen zu einem spannenden Plot, einem Gewebe wie Spinnenseide, zart, aber stark.

© BÜCHERmagazin, Meike Dannenberg (md)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2019

Das macht kein Tier
Würgegriff der Geschichte: Anne Goldmanns Frauen

Was nun eigentlich das größere Verbrechen ist, weiß am Ende niemand mehr, es sind einfach zu viele geschehen. "Ich kenne kein größeres Verbrechen", sagt einmal ein Mann und meint damit eine Frau, die nach der Geburt ihr Kind weggibt. "Wegwirft", so nennt er es, "das macht kein Tier." Aber da hat man längst genug gelesen, um zu wissen, dass es so einfach nicht ist. In ihrem vierten Roman entfaltet die 1961 geborene Anne Goldmann ein ganzes Spektrum an psychologischen und körperlichen Grausamkeiten, die vor allem Frauen widerfahren.

An den Endpunkten dieses Spektrums die beiden Protagonistinnen: Selma Sudic, eine ältere Frau, pflegebedürftig, die einst die Greuel der Jugoslawienkriege erlebte. Und Theres Rössler, Mittdreißigerin, eine privilegierte Mitteleuropäerin, die bei Kriegsberichten und Katastrophenmeldungen den Fernseher ausschaltet oder den Raum verlässt. Zunächst haben Frau Sudic und Theres nicht direkt miteinander zu tun - verbunden sind sie trotzdem. Durch die Figur der Ana, die bei beiden putzt. Zum anderen durch die Struktur des Romans.

Immer beginnen die Kapitel mit Jahreszahlen, 2018 meist, manchmal auch in den 1990ern, dann folgen kurze Unterkapitel, durch zwei senkrechte Striche voneinander abgetrennt, die weiter in die Vergangenheit springen oder hin und her, ein ständiger Szenenwechsel. Ohne darüber Worte zu verlieren entwirft Anne Goldmann auf diese Weise eine Gegenwart, die durchdrungen ist von der Vergangenheit, von einst getroffenen oder über einen verhängte Entscheidungen.

Von jener Entscheidung zum Beispiel, die einst Theres' Eltern über sie fällten: Dass sie ihren Sohn abgeben solle, mit dem sie im Teenageralter schwanger wurde. Nun meldet sich ebenjener Sohn bei ihr, will sie kennenlernen. Jan heißt er und erinnert an einen anderen österreichischen Roman aus diesem Jahr: an Raffael aus Mareike Fallwickls Debüt "Dunkelgrün Fast Schwarz". Ein junger Mann, gutaussehend und charmant, möglicherweise manipulativ. Vielleicht ein Opfer der Umstände, vielleicht auch einfach skrupellos. Beider wahre Motive bleiben lange Zeit im Ungefähren, nur ist Goldmann erfahrener darin, dieses Ungefähre wirkungsvoll für sich zu nutzen. Ihre Sprache ist einfach, aber präzise, beschreibt die Geschehnisse aus der Distanz.

Einmal besucht Theres ihre erzkonservativen, unterkühlten Eltern, die die Autorin nie beim Namen, sondern stets nur "die Mutter" und "der Vater" nennt. Die sie lediglich charakterisiert, indem sie regelrecht filmische Bilder heraufbeschwört. Das Wesen des Vaters etwa, eines ehrgeizig-verbohrten Lokalpolitikers, indem sie die Art, wie er ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte herunterschlingt, so genau beschreibt, dass man Theres' Übelkeit auch die eigene Kehle hochzukriechen glaubt. Nur gelegentlich gerinnt eines dieser Bilder zum Klischee, etwa wenn Goldmann die ohnehin schon offensichtlich dysfunktionale Familie zum Fotografen schickt. Alle sollen gedeckte Farben tragen, der Harmonie auf dem Gruppenbild wegen.

Theres' Geschichte gerät so zum Perpetuum mobile des Romans, ihre Taten ziehen Konsequenzen nach sich, gleichwohl sie selbst sich diese Macht nie zugesteht. Tochter von, Frau von, Mutter von - sie sieht sich als eine, die andere für sich entscheiden lässt. Bei Selma Sudic ist der Verlust der Selbstbestimmung handfesterer Natur: Ihre Gebrechen zwingen sie zu körperlicher Passivität. Erinnerungen an die Taten ihrer Vergangenheit drängen derweil beharrlich an die Oberfläche, doch Sudic versucht sie zu verdrängen, bloß nicht genau zu benennen. Jemand ist durch ihre Hand gestorben, immerhin so viel erfahren wir.

Spitzen sich in "Das größere Verbrechen" die Ereignisse zu, etwa wenn Anne Goldmann Episoden aus dem Krieg schildert, verknappen sich ihre Sätze. Ein Glück, denn nichts braucht es in solchen fiktionalen Annäherungen an historische Ereignisse weniger als sprachlichen Voyeurismus. Die Greuel beschränken sich auf Andeutungen, kurze Passagen, der Autorin geht es vielmehr um deren Nachhall, die bleibenden Erinnerungen, das Verarbeiten und Verdrängen, um das, was sich auf Überlebende und Hinterbliebene überträgt. Gibt sie doch einmal der physischen Gewalt Raum, hält sie eine feine Balance zwischen dem, was sie schreibt, und Details, die sie lieber verschweigt.

"Sie liegt auf dem Rücken. Fremde Augenpaare tauchen über ihr auf und verschwinden wieder", heißt es an einer Stelle, und man wähnt sich Zeugin einer Vergewaltigung, es wäre schließlich nicht das erste Mal. Erst später wird klar: Goldmann beschreibt eine natürliche Geburt. Da braucht man nicht mehr mit Humanismus zu kommen, da hat die Gewalt bereits alles durchdrungen, ist ein Teil der Natur und damit ein Teil von uns. Das macht kein Tier? Das ließe sich über die meisten der Verbrechen in diesem Roman sagen.

KATRIN DOERKSEN

Anne Goldmann:

"Das größere Verbrechen".

Argument Verlag,

Hamburg 2018.

240 S., br., 13.- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Katrin Doerksen liest diesen Roman von Anne Goldmann mit Beklemmung, wenn auch nicht unbedingt als Krimi, sondern als Studie über Grausamkeiten, die Frauen widerfahren. Die österreichische Autorin erzählt von zwei Frauen, über die verfügt und entschieden wird und die ihre eigene Handlungsmacht nicht erkennen, erklärt Doerksen. Da ist zum einen die ältere. pflegebedürftige Selma mit ihrer Vergangenheit im Jugoslawienkrieg, zum anderen die privilegierte Mitteleuropäerin Theres, die auf Verlangen der Eltern als Teenagerin ihr Kind weggeben musste. Verbunden sind die beiden Frauen über Ana, die gemeinsame Putzfrau. Besonders beeindruckt hat die Rezensentin, wie feinsinnig die Autorin Verbrechen nur andeutet, um deutlich zu machen, dass die Gewalt das Leben dieser Frauen durchdrungen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH