Düster, mystisch, zum Ende hin surreal
Dänemark, 1693: Die junge Falka muss im Wattenmeer Würmer sammeln, damit die Familie genug zu essen hat. Nachdem der Vater und der Verlobte auf hoher See verschollen gehen, beschwört Falka ein mystisches Wesen, ihr die beiden zurückzubringen. Dass sie dazu
den Kerzenhalter aus der Kirche verwendet, macht den ketzerischen Akt noch schlimmer. Sie wird von…mehrDüster, mystisch, zum Ende hin surreal
Dänemark, 1693: Die junge Falka muss im Wattenmeer Würmer sammeln, damit die Familie genug zu essen hat. Nachdem der Vater und der Verlobte auf hoher See verschollen gehen, beschwört Falka ein mystisches Wesen, ihr die beiden zurückzubringen. Dass sie dazu den Kerzenhalter aus der Kirche verwendet, macht den ketzerischen Akt noch schlimmer. Sie wird von der Insel verstoßen und nach Tondern in eine Spitzenfabrik gebracht. Für Kost und Logis klöppelt sie dort 16 Stunden am Tag weiße Spitze.Falka entdeckt ihre Liebe zum Spitzenklöppeln. Während die schrecklichen Arbeitsbedingungen die Arbeiterinnen Gesundheit und sogar Leben kosten, arbeitet Falka an ihrer Rache am Fabrikbesitzer. Sie beginnt, schwarze Trauerschleier zu klöppeln, die eine düstere, mystische Magie auf ihre Besitzerinnen ausüben. Falkas ultimatives Ziel ist ein Mädchenreich ...
"Das Haus der schwarzen Schwäne" ist im frivolen Rokkoko angesiedelt. Tondern-Spitze genießt ein hohes Ansehen unter den Bürgern und macht den Fabrikbesitzer und seine Familie reich. Aus lauter Langeweile und Jahrzehnte langem Frieden wünscht man sich als Abwechslung Krieg. Man könnte nun einen unterhaltsamen, oberflächlichen, trivialen Roman erwarten. Doch beim Lesen merkt man schnell, dass dieses Buch anders ist. Schon der Schreibstil wirkt antiquiert, aber eigentlich lebt er völlig in der Zeit. Statt den Dingen moderne Namen zu geben und dem Leser den Aberglauben zu sezieren, ist auch der Schreibstil durchwachsen von mystischen Phänomen und zur Zeit passenden Worteigenkreationen. Spannend beschrieben sind Herstellung von und Handel mit Spitze. Auch die historischen Ansichten sind anschaulich und überzeugend dargestellt, wie beispielsweise der Aberglaube und der religiöse Fanatismus. Es wird sehr greifbar, dass die Hexenverfolgung noch nicht lange her ist. Über die ersten zwei Drittel war dieses Buch sehr glaubhaft und mit einem guten Spannungsaufbau. Neben den Lebensumständen von Spitzenklöpplerinnen, Bürgern und Adel spielt auch die Weltpolitik eine Rolle.
Die Protagonistin driftet immer weiter ab in den Mystizismus und Aberglauben. Geisterglaube und der Glaube an übersinnliche Phänomene ist noch groß. So glaubt Falka selbst, dass sie Wünsche und Bedürfnisse in die Schleier klöppeln kann. Dass die jungen Mädchen in ihrer Abschottung irgendwann eine eigene, ketzerische "Religion" entwickeln, ist unter Betrachtung der Epoche und des Alters des Mädchen noch halbwegs glaubhaft. Leider driftet das Buch im letzten Drittel dann aber sehr stark ins düstere Surreale ab. Das fehlende Nachwort ermöglichte es dann auch nicht, Fiktion und historische Fakten aufzudröseln, was sehr schade ist. Gerade bei diesem Buch hätte ich mir ein paar Zusatzinformationen gewünscht. Zumal man über die Geschichte Tonderns nicht allzu viele Informationen findet.
Lange Zeit hat mir dieses Buch gut gefallen und die brutalen Szenen, die von einigen Leser/innen kritisiert wurden, haben mich nicht sonderlich gestört. Aber als das Buch dann immer stärker ins Surreale abdriftete, konnte ich ihm nicht mehr so gut folgen. Diese Vermischung war mir einfach zu stark und die "Realität" nicht mehr gut erkennbar. Ich hätte mir tatsächlich noch mehr historisch gesicherte Handlung gewünscht, auch wenn die Handlung, so wie sie hier verläuft, wichtige Dinge, wie die Rolle der Frau und die fließenden Grenzen zwischen Gut und Böse thematisiert. So hundertprozentig konnte mich dieses Buch leider nicht abholen.