Die junge Antonietta wird nach ihrer arrangierten Heirat mit Don Lucio Carmine, dem Verwalter und Pachteintreiber von Ländereien und Stadthäusern, in dem stillen, verschatteten Haus in der Gasse nie glücklich werden. Don Lucio ist ein wortkarger und berechnender Tyrann, für den das Glück in der Gewohnheit liegt und im Geldverleih zu Wucherzinsen. Nicolina, Antoniettas jüngere Schwester, soll ihr den Umzug in die fremde Stadt erleichtern. Sie bleibt nach der Geburt des ersten Kindes bei dem Ehepaar und erniedrigt sich zur Dienstmagd. In ihrer Bewunderung für Don Lucio und in der Eifersucht auf das scheinbare Glück der Schwester wird sie zur fügsamen Geliebten des Schwagers. Schwelender Hass und eine tiefe Traurigkeit liegen fortan wie ein Schatten über diesem Gespinst von Abhängigkeiten, aus dem es kein Entkommen gibt. Nach ihren Erzählungen, mit denen sich Maria Messina in den 1910er-Jahren einen Namen machte und einen unverwechselbaren literarischen Ton entwickelte, veröffentlichte sie 1921 ihren ersten Roman, der ihren Ruf festigte: In Das Haus in der Gasse entfaltet sie ein klaustrophobisches Kammerspiel, das mit seiner großen poetischen Kraft auch uns Leserinnen und Leser gefangen nimmt.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
"Herausragend" nennt Rezensent Rainer Moritz das Werk der sizilianischen Schriftstellerin der Jahrhundertwende Maria Messina - herausragend und dennoch leider unter dem Schleier der Vergessenheit verborgen - bisher zumindest. Schon einmal wurde in den 1990ern versucht, diesen Schleier zu lüften, ohne wirklichen Erfolg. Rainer Moritz freut sich, dass die Friedenauer Presse mit "Das Haus in der Gasse" nun einen weiteren Versuch unternimmt und hofft, dass die Zeit inzwischen reif ist. Dass Messinas Roman in den 90ern wenig Anklang fand, erklärt Christiane Pöhlmann in ihrem kundigen Nachwort auf einleuchtende Weise: Die feministische Kritik dieser Zeit suchte vor allem nach starken Frauenfiguren und nach praktischen Ansätzen. Doch Messinas Frauenfiguren ermächtigen sich nicht, Antoinetta und ihre Schwester Nicolina etwa ergeben sich dem Schalten und Walten des Patriarchen selbst dann noch, wenn Antoinettas Sohn ihnen die Tyrannei seines Vaters vor Augen führt. Messina ging es nicht darum, Vorbilder für den feministischen Kampf zu schaffen, lesen wir, sondern die Unterdrückung von Frauen wahrhaftig darzustellen. Und das, so Moritz, ist ihr sehr eindrücklich und bedrückend gelungen, und zwar in einer Prosa, die den Vergleich mit Größen wie Tschechow oder Turgenjew nicht scheuen muss.
© Perlentaucher Medien GmbH
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