Bachelorarbeit aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Christian-Albrechts-Universität Kiel, Sprache: Deutsch, Abstract: Nur Gott selbst weiß, was das für ein Zeichen war, das er Kain aufdrückte, nachdem dieser seinen Bruder ermordet hatte. Zwar ist es ein Zeichen „dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände“ (Gen 4, 15), ein Schutzzeichen also. Dennoch ist es nicht näher beschrieben - ein Signifikant scheinbar ohne Signifikat, deutbar innerhalb der Diegese nur durch seine Wirkung auf andere und seinen Kontext zum Brudermord. Dieses göttliche Zeichen hat seinen Ursprung in der biblischen Geschichte um Kain und Abel, dessen Fabel sich mit Mord, Ungerechtigkeit und Schuld auseinandersetzt und nicht nur mannigfach exegiert, sondern auch dichterisch verarbeitet worden ist. Wie kommt es, dass zwei Autoren zu Beginn des 20. Jahrhunderts überhaupt auf diesen biblischen Topos zurückgreifen? Zum einen waren weder Hermann Hesse noch Thomas Mann "Neutöner". Zum anderen hatte das, was unter dem Begriff ‚Kunstreligion‘ zusammengefasst wird, in der frühen Moderne Hochkonjunktur. Wie schon das epochenbestimmende Werk "Also sprach Zarathustra von Friedrich Nietzsche „die Übernahme bestimmter rhetorischer und linguistischer Topoi des Evangeliums“ durchexerziert, benutzen auch Mann und Hesse das alttestamentarische Kainszeichen in ihrem Werk speziell für ihre Zwecke, ohne sich dabei dem Christentum zu verpflichten. Wie dieser Spagat von biblischer Determination hin zu einer Neuinterpretation in der literarischen Moderne gelingt, wie es sich mit den Gezeichneten in den Werken verhält, also was sie ‚auszeichnet‘, und inwiefern Mann und Hesse dabei gerade auf das Kainszeichen zurückgreifen, soll im Folgenden anhand der Werke "Demian" und "Tonio Kröger" behandelt werden.