Dies irae - Tag des Zorns (Totenmesse)
1939. Als sich die Lage für Juden in Prag immer mehr verschlechtert, schickt die ehemalige Pianistin Eva ohne das Wissen ihres Ehemannes Josef ihre Tochter Miriam mit einem Kindertransport nach England, um sie dort in Sicherheit zu wissen. Miriam kommt
unvorhergesehen in die Familie der Quäkerin Pamela, deren Ehemann im Foreign Office unter Churchill…mehrDies irae - Tag des Zorns (Totenmesse)
1939. Als sich die Lage für Juden in Prag immer mehr verschlechtert, schickt die ehemalige Pianistin Eva ohne das Wissen ihres Ehemannes Josef ihre Tochter Miriam mit einem Kindertransport nach England, um sie dort in Sicherheit zu wissen. Miriam kommt unvorhergesehen in die Familie der Quäkerin Pamela, deren Ehemann im Foreign Office unter Churchill arbeitet. Ihr eigener Sohn Will hat sich freiwillig zur Royal Air Force gemeldet und wird schon bald als vermisst gemeldet. Während Miriam in einem Internat aufwächst zusammen mit anderen tchechischen Kindern und in Pamela und Hugh eine liebevolle Ersatzfamilie gefunden hat, wird ihre leibliche Mutter Eva gemeinsam mit ihren Eltern und Ehemann Josef bald ins Lager Theresienstadt verbracht. Dort trifft Eva ehemals bekannte Musiker und Lehrer aus dem Konservatorium wieder, die im Lager nicht nur einen Chor aufbauen, sondern auch erfolgreich einige Aufführungen für die Nazis inszenieren. Während Miriam sich in England immer noch nach ihren leiblichen Eltern sehnt, begegnet Eva zufällig im Lager ihrer erstgeborenen Tochter Hana, die sie als junges Mädchen zur Adoption gegeben hat...
Gill Thompson hat mit „Das Kind von Gleis 1“ einen berührenden historischen Roman vorgelegt, der nicht nur das Schicksal der Prager Juden in den Fokus rückt, sondern auch das zweier unterschiedlicher Familien, deren Leben auf wundersame Weise miteinander verknüpft wird. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil lässt den Leser in der Zeit zurückreisen, um sich mitten im Zweiten Weltkrieg in Prag wiederzufinden, um dort Eva und ihrer Familie zu begegnen. Eva ist eine hochbegabte angehende Pianistin, die aufgrund einer Gewalttat der Musik den Rücken kehrt und eine Familie gründet. Auch während die Nazis Prag schon vereinnahmt haben, wiegt sich vor allem Evas Ehemann noch in Sicherheit. Der Leser allerdings möchte ihm und seinen Lieben gern zurufen, so schnell wie möglich die Sachen zu packen und zu flüchten. Das Herz wird einem schwer, als Eva sich von ihrer kleinen Tochter trennt, damit diese in Sicherheit ist. Die große Mutterliebe ist durchweg spürbar. Aber auch Pamela in England bangt um ihren Sohn Will, der sich klammheimlich freiwillig für den Kriegsdienst gemeldet hat. Immer wieder wechselt die Szenerie, mal ist der Leser in Prag bei Eva, mal bei Pamela und Hugh in London, verfolgt die Schicksale der beiden Familien, die doch so unterschiedlich zugeschnitten sind, denn während Eva durch die Hölle muss, ist Pamelas Alltag doch eher von ehrenamtlicher Tätigkeit bestimmt. Die Handlung untermalt die Autorin mit bittersüßer Musik, die so wunderbar zu dieser berührenden Geschichte passt, denn als Leser weiß man schon, was auf Eva und die mit ihr inhaftierten Juden zukommen wird. Wie absurd auch die Tatsache, dass die Nazis den Juden das Musizieren sowie Bücher, Theater und andere kulturelle Dinge verboten haben, doch im Lager dann genau diese Unternehmungen gestatten und deren Aufführungen sogar genießen. Das Nachwort der Autorin ist hochinteressant, denn sie hat ihre Geschichte rundum wahre Begebenheiten gestrickt, die sie während ihrer Recherche aufgedeckt hat.
Die Charaktere sind liebevoll und authentisch in Szene gesetzt, sie wirken glaubwürdig und vor allem sehr lebendig, so dass der Leser ihrem Schicksal gerne folgt, wobei er mit ihnen fiebert. Pamela ist eine pragmatische, gläubige Frau, die sich gern engagiert. Sie ist hilfsbereit, liebevoll und vor allem eine Mutter. Eva hat schon einiges erleben müssen, so dass sie kaum zu träumen wagt. Ihre Tochter Miriam ist ihr ein und alles, Eva will um jeden Preis ihr Leben retten. Evas Ehemann Josef ist ein Forscher, der bis zuletzt glaubt, die Nazis würden ihn brauchen, doch dann siegt sein Gewissen.
„Das Kind von Gleis 1“ ist ein Roman über die unrühmliche deutsche Nazivergangenheit, in der vor allem Musik und die Liebe von Müttern eine große Rolle spielen. Verdiente Leseempfehlung für einen Ritt auf der