Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,7, Technische Universität Chemnitz, Sprache: Deutsch, Abstract: Bei Kindsmordprozessen ging es niemals nur um den Tatbestand der Kindstötung an sich. In der Realität spielten noch viele andere Probleme in diese Thematik hinein. Die wichtigsten hiervon waren voreheliche oder außereheliche Sexualität, die Konfliktualität zwischen Liebesbeziehungen und Konvenienzverbindungen sowie Verführung und Vergewaltigung. Weitere Punkte waren herrschaftliche Privilegien, die soziale Stellung lediger Mütter und die der unehelichen Kinder sowie auch Verfahren zur Ermittlung der Kindsväter. Das Konglomerat all dieser Punkte ergibt eine Überschrift, unter welcher sich alles subsumieren lässt: Gesellschaftliche Akzeptanz nichtehelicher Sexualität. Genau wie die Literatur des Sturm und Drang, die sich mit Kindsmord beschäftigte, zwangsläufig den Anspruch hatte, sich mit den oben genannten Punkten auseinanderzusetzen bzw. diese zumindest zu berücksichtigen, beschäftigten sich viele Theologen, Mediziner und auch Regierungsangehörige der Zeit mit dem Versuch, Lösungen zu finden. So schrieb zum Beispiel Regierungs - und Oberappelationsrat Ferdinand Adrian von Lamezan im Jahr 1780 die „Mannheimer Preisfrage“ mit dem Inhalt „Welches sind die besten ausführbaren Mittel, dem Kindermorde Einhalt zu thun, ohne die Unzucht zu begünstigen?“ aus und setzte eine Belohnung von 100 Dukaten für deren befriedigende Beantwortung an. Der Zusammenhang zwischen vorehelicher, sprich verbotener Sexualität und Kindsmord war also für zeitgenössische Diskutanten unbestritten, was an der Zahl der Antworten ersichtlich wird, die sich auf einer Höhe von 400 aus ganz Europa befunden haben soll1. Andererseits muss auch in die Betrachtung mit einbezogen werden, dass voreheliche Sexualität durchaus nichts ungewöhnliches war. Die meisten verlobten Paare praktizierten diese gewohnheitsmäßig, also ging es in dem Falle lediglich darum, dass die Gesellschaft als Korpus schlichtweg nichts davon wissen wollte, was durch die Geburt eines unehelichen Kindes jedoch nicht mehr zu ignorieren war.