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Vom Globus zum Planeten! Der indische Historiker Dipesh Chakrabarty zählt zu den international einflussreichsten Wissenschaftlern, die sich in den letzten Jahren mit der Bedeutung des Klimawandels auseinandergesetzt haben. Der Klimawandel, so argumentiert er, stellt unsere althergebrachten Vorstellungen von Geschichte, Moderne und Globalisierung grundlegend in Frage. Die Aufgabe besteht daher darin, diese Konzepte auf den Prüfstand zu stellen und überhaupt die Geistes- und Sozialwissenschaften mit neuen Ideen und Begriffen zu versorgen, damit sie den Herausforderungen des Anthropozäns…mehr

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Produktbeschreibung
Vom Globus zum Planeten! Der indische Historiker Dipesh Chakrabarty zählt zu den international einflussreichsten Wissenschaftlern, die sich in den letzten Jahren mit der Bedeutung des Klimawandels auseinandergesetzt haben. Der Klimawandel, so argumentiert er, stellt unsere althergebrachten Vorstellungen von Geschichte, Moderne und Globalisierung grundlegend in Frage. Die Aufgabe besteht daher darin, diese Konzepte auf den Prüfstand zu stellen und überhaupt die Geistes- und Sozialwissenschaften mit neuen Ideen und Begriffen zu versorgen, damit sie den Herausforderungen des Anthropozäns gewachsen sind.

In seinem Buch taucht Chakrabarty tief ein in Geschichte und Philosophie und stellt kühne Überlegungen darüber an, wie das menschliche Denken und Leben zukünftig zu gestalten ist. Insbesondere erklärt er, dass wir zu einem besseren Verständnis sowohl unserer Herkunft als auch unserer Zukunft nur dann gelangen, wenn wir in der Lage sind, uns selbst aus zwei Perspektiven gleichzeitig zu betrachten: einer globalen und einer planetarischen, wobei letztere den Menschen absichtlich dezentriert. Erst auf diese Weise wird es möglich, in geologischen Zeiträumen zu denken sowie ein angemessenes Bild von der menschlichen Handlungsfähigkeit zu gewinnen. Angesichts der drohenden Naturkatastrophen ist es dafür höchste Zeit.


Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Dipesh Chakrabarty, geboren 1948 in Kolkata, ist Lawrence A. Kimpton Distinguished Service Professor für Geschichte an der University of Chicago und Gründungsmitglied des berühmten Subaltern-Studies-Kollektivs. Mit seiner These von der »Provinzialisierung Europas« hat er die Geschichtswissenschaft der letzten Jahrzehnte maßgeblich geprägt. Chakrabarty ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und der Australian Academy of the Humanities. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 2014 den Toynbee-Preis, der an einen herausragenden Vertreter der Globalgeschichte verliehen wird, und 2019 den Tagore Memorial Prize.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensent Jens Balzer lernt in Dipesh Chakrabartys "Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter", die Rolle des Menschen auf der Erde besser zu verstehen. Der 1948 in Indien geborene und in den USA tätige Historiker stellt darin die These auf, dass der Klimawandel nicht aufzuhalten sein und fordert die LeserInnen dazu auf, ihre Perspektive auf die Rolle des Menschen auf der Erde radikal zu ändern - von einer humanistischen zu einer planetarischen, erklärt Balzer. Immerhin sei der Mensch nur Nebendarsteller auf dieser Welt. Was man jedoch wirklich umsetzen kann und soll, dazu findet der Rezensent leider keine Antworten, was ihn ratlos aber dennoch heiter-depressiv inspiriert zurücklässt. Das bewegt Balzer auf sonderbare, aber doch berührende Weise, resümiert er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.2022

Zurücktreten in die Zeitraumtiefe

Die Klimakrise als Antrieb einer großen Vereinfachung: Dipesh Chakrabarty möchte den Menschen auf sein richtiges Zwergenmaß zurechtgestutzt sehen.

Die große Aufmerksamkeit, die dieses Buch seit dem Erscheinen der amerikanischen Originalausgabe 2021 gefunden hat, verdankt sich vorwiegend der Prominenz seines Autors. Denn man sollte sich von seinem Titel nicht in die Irre leiten lassen und sich vergegenwärtigen, was es alles nicht ist. Es ist keine Geschichte des Klimas, auch keine der Klimaforschung. Es ist weder ein Aufruf zur Rettung der Welt noch eine Zusammenstellung und Bewertung von Daten, die eine solche Rettung erforderlich machen. Auch klima- und umwelthistorische Analysen sucht man vergeblich, obwohl Dipesh Chakrabarty in Chicago als Professor für Geschichte und südasiatische Sprachen und Zivilisationen tätig ist.

Wenn das Buch interessant und vielleicht sogar wichtig ist, dann als Entwicklung eines philosophischen Arguments: Chakrabarty hält es für zwingend geboten, dass wir - das lesende und denkende Publikum und erst recht Historikerinnen und Historiker "vom Fach" - unser Verhältnis zur Geschichte und überhaupt zu uns selbst radikal ändern. Angesichts multipler Umweltkatastrophen, die viele unterschiedliche Arten von Leben auf der Erde bedrohen, sollen wir vom Menschen weg denken: "planetarisch" und in gigantischen Zeiträumen, die jede menschliche Erfahrungsmöglichkeit übersteigen. Das Buch ist ein Appell zu einer posthumanistischen Wende; es predigt eine Umkehr, die mehr verlangt, als die Heizung zu drosseln, auf Sojaburger umzusteigen und mit dem Rad in Urlaub zu fahren.

Dass ausgerechnet Dipesh Chakrabarty eine solche Kehre propagiert, noch dazu mit dem Segen des berühmten Bruno Latour (das Buch endet mit einem Gespräch zwischen den beiden), verleiht der Sache ein besonderes Gewicht. Denn Chakrabarty hat im Jahr 2000 ein Buch publiziert (es wurde niemals vollständig ins Deutsche übersetzt), das unendlich oft zitiert worden ist und eine Fülle von Forschungsprojekten angeregt hat: "Provincializing Europe: Postcolonial Thought und Historical Difference". Keine Kritik des Eurozentrismus kann an diesem Werk vorbeigehen, wenngleich kaum ein Weg von Chakrabartys feinsinnigen Analysen - mit viel Marx und Heidegger im Hintergrund - zu rabiaten Forderungen in der Gegenwart führt, Europa, oder zumindest seine Kultur, zu "canceln".

Chakrabarty hätte seinen Ruhm im Olymp der postkolonialen Meisterdenker in Ruhe genießen können, hätte er nicht 2009 eine persönliche Kehre vollzogen und sich mit dem Aufsatz "Das Klima der Geschichte: Vier Thesen" an die Spitze der Klima-Apokalyptik gesetzt. Aus dem niemals ganz linientreuen Postkolonialisten wurde der schreibende Umweltaktivist, aus der Nemesis des Eurozentrismus die Geißel des Anthropozentrismus.

In revidierter Form bilden die mittlerweile kanonischen "Vier Thesen" das fundierende erste Kapitel von Chakrabartys neuer Essaysammlung "Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter". Die übrigen sieben Kapitel wurden bereits zwischen 2014 und 2018 separat veröffentlicht. Sie sind für das Arrangement als Buch nur unvollkommen aufeinander abgestimmt worden, sodass sich die zentralen Aussagen ziemlich oft wiederholen und Weitschweifigkeit die Geduld des Lesers strapaziert.

Da sich der Ton einer Bußpredigt nicht über vierhundert Seiten durchhalten lässt, offeriert der Historiker und Philosoph großzügig seine Lesefrüchte aus der Klima- und Umweltliteratur. Als Amateur dringt er nicht direkt zu fachwissenschaftlichen Publikationen vor, sondern bezieht sich mit Vorliebe auf popularisierende Synthesen, mit denen sich Forschende aus Astrophysik, Astrobiologie, Geologie, Klimaforschung und vor allem Earth System Science (die es Chakrabarty besonders angetan hat), an ein breiteres Publikum wenden. Sie repräsentieren das neue Denken, für das Chakrabarty wirbt. Das alte, von dem er sich abgrenzt, findet er bei Klassikern des politischen Denkens von Kant bis zu Hannah Arendt und dem späten Carl Schmitt, der für ihn allerdings schon an der Schwelle zu tieferer Einsicht stand. Auch die heutige Globalgeschichte sieht er auf dem Holzweg.

Chakrabartys Selbstkorrektur verdient größten Respekt. Wo andere Postkolonialisten ungerührt an Überzeugungen der Neunzigerjahre festhalten, hat er buchstäblich das Terrain gewechselt. Im Grunde wiederholt er die Schachzüge von "Provincializing Europe" auf höherer Ebene. Wurde in dem Buch von 2000 Europa auf Normalmaß zurückgestutzt und der selbsterzeugte Mythos seiner Überlegenheit und Vorbildlichkeit entzaubert, so trifft die Dezentrierung nunmehr die menschliche Gattung insgesamt. Die Menschen könnten keine höheren moralischen Ansprüche geltend machen als andere Lebewesen. Mensch und Virus, so möchte man aktualisierend hinzufügen, begegnen sich auf normativer Augenhöhe, und beide Seiten haben das gleiche Recht, den anderen umzubringen, so gut es geht.

Man sollte, sagt Chakrabarty, auch den üblichen Begriff von "Umwelt" in Zweifel ziehen. Ist er nicht eine "anthropozentrische" Verzerrung? Selbst die ebenso unschuldig klingende "Nachhaltigkeit" sei vom Menschen her gedacht und werde den Bedürfnissen anderer Lebewesen nicht ausreichend gerecht. Lieber solle man von "Bewohnbarkeit" (habitability) sprechen: der "Zukunftsfähigkeit" des Planeten Erde für "komplexes vielzelliges Leben im Allgemeinen". Damit erledigen sich Denkweisen, die bis vor Kurzem noch unangefochten waren: die Behandlung der Natur als passive Kulisse, vor der sich das historische Geschehen abspielt; überhaupt eine strikte Trennung zwischen Natur und Kultur; die Auffassung, wie stark kaschiert auch immer, vom Recht der Menschen auf Ausbeutung ihrer Mitlebewesen; die vier Schritte aneinanderreihende Epochenunterscheidung zwischen anorganischer Erdgeschichte seit dem Urknall, Geschichte des Lebens vor dem Menschen, vorzivilisatorischer "Ur- und Frühgeschichte" der Spezies Homo sapiens und schließlich der Geschichte der "Zivilisation" der letzten 10 000 Jahre, für die allein sich die Geschichtsschreibung bisher zuständig fühlte.

Dipesh Chakrabarty empfiehlt also eine - wohl eher gedankenexperimentelle als weltanschauliche - Verzwergung des Menschen in der Breite der Natur ebenso wie in der Tiefe der Zeit, horizontal wie vertikal. Nachdem in den letzten Jahren eine liebevoll ausgetüftelte "Mikrogeschichte" von Individuen, Familien und kleinen Gruppen als der Goldstandard der Forschung galt, auch in der Globalgeschichte, wirbt er nun für das extreme Gegenteil: in der Konfrontation mit dem drohenden Untergang so "groß" wie möglich zu denken. Die Konsequenzen dieser Volte spielt der kühl argumentierende Theoretiker eher herunter. Denn die nun wiederbelebte Totalität war das größte Schreckbild sowohl für die Kritische Theorie (das Frankfurter Original, nicht das amerikanische Remake gleichen Namens) als auch für den Postmodernismus. Soll nun das Ganze das Wahre geworden sein?

Auch die Abkehr vom "Globalen" im Namen des viel umfassenderen "Planetarischen" kann Schwindelgefühle auslösen. Waren große Teile der Sozialwissenschaften bisher stolz darauf, ein habituelles Denken in nationalen Kategorien zugunsten globaler Vielfalt überwunden zu haben, so erklärt ihnen jetzt der Denker aus Chicago, auch dies sei noch viel zu eng. Die gewohnten Differenzierungen zwischen nationalen Gesellschaften, zwischen Klassen und Kulturen verlören an Bedeutung angesichts der allgegenwärtigen Bedrohung, die von den Klima-und Umweltkrisen für die Menschheit insgesamt ausgeht. Mit einem Streich entfallen so jene Differenzierungen, die grundsätzlich Wissenschaft ausmachen. Für einige davon haben Postmodernismus und Postkolonialismus gestritten. Race, neben "Gewalt" die Zentralkategorie des gegenwärtigen Postkolonialismus, kommt in Chakrabartys Register gar nicht vor (dem der amerikanischen Ausgabe, das in der Übersetzung fehlt). Da wurde ein tiefer Bruch vollzogen.

Chakrabartys Forderung schließlich, die Geschichtsschreibung solle nicht in der "Menschenzeit" von Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten denken, sondern in "geologischen" Zeiträumen bis zurück zur Entstehung des Universums, wird vielleicht philosophische Herzen höherschlagen lassen, jedoch Empiriker wenig begeistern. Die "Tiefenzeit", wie sie schon im frühen neunzehnten Jahrhundert entdeckt wurde, bleibt bei Astrophysik und Geologie in besseren Händen. Und was wäre politisch durch imaginäre Zeitreisen in Richtung Urknall gewonnen? Wenn sich der klimapolitische Zeithorizont zusehends verengt, sollte sich auch die Kulturtheorie nicht von Gegenwart und naher Zukunft ablenken lassen. JÜRGEN OSTERHAMMEL

Dipesh Chakrabarty: "Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter".

Aus dem Englischen von Christine Pries. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 444 S., geb., 32,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Chakrabarty weist in großer Kenntnis aller Vorläufer ... in [eine] Richtung, die auf nichts weniger hinausläuft als auf eine Revision aller früheren Historiografie der Weltgeschichte und nicht allein für die Geschichtsschreibung und die Klimaforschung unbedingt lesenswert ist.« Claus Leggewie Frankfurter Rundschau 20220518