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Im August 1945 schrieb David Rousset, nach Buchenwald und einem Todesmarsch gerade von den alliierten Truppen befreit, eine der ersten Darstellungen des Systems der deutschen Konzentrationslager in ihrem Aufbau, ihrer inneren und äußeren Hierarchie sowie ihren Funktionsweisen. Und er schrieb darüber, welche Konsequenzen dieses Universum für die Nachgeborenen hat.
»Normale Menschen wissen nicht, dass alles möglich ist. Die KZler wissen es. Unter den KZlern wohnte der Tod in jeder Stunde ihres Daseins. Er hat ihnen all seine Gesichter gezeigt. Sie haben erfahren, wie er einen Menschen auf
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Produktbeschreibung
Im August 1945 schrieb David Rousset, nach Buchenwald und einem Todesmarsch gerade von den alliierten Truppen befreit, eine der ersten Darstellungen des Systems der deutschen Konzentrationslager in ihrem Aufbau, ihrer inneren und äußeren Hierarchie sowie ihren Funktionsweisen. Und er schrieb darüber, welche Konsequenzen dieses Universum für die Nachgeborenen hat.

»Normale Menschen wissen nicht, dass alles möglich ist. Die KZler wissen es. Unter den KZlern wohnte der Tod in jeder Stunde ihres Daseins. Er hat ihnen all seine Gesichter gezeigt. Sie haben erfahren, wie er einen Menschen auf jede erdenkliche Weise entkleiden kann. Sie haben über Jahre in den phantastischen Kulissen einer Welt gelebt, in der alle Würde vernichtet war. Sie sind von den anderen Menschen durch eine Erfahrung getrennt, die nicht weitergegeben werden kann.«


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Autorenporträt
David Rousset, 1912 in Roanne geboren, war in den 1930er Jahren französischer Sozialist, bereiste das nationalsozialistische Deutschland. Er wurde 1938 Journalist amerikanischer Zeitschriften. Im Oktober 1943 wurde Rousset wegen seiner politischen Arbeit von den deutschen Besatzern in Paris verhaftet, gefoltert und ins KZ Buchenwald gebracht. Er überlebte den Todesmarsch vom KZ Neuengamme nach Wöbbelin. Das KZ-Universum war sein erstes Buch, 1946 mit dem Prix Renaudot ausgezeichnet. Der Widerstandskämpfer Gérard Rosenthal nannte ihn den »Zeugen unter den Zeugen«. Rousset schrieb später wichtige Bücher über die politische Verfolgung und die Gefangenenlager in China, Spanien, Griechenland, in der Sowjetunion und dem damaligen Jugoslawien und unterstützte in den 1960er Jahren Präsident de Gaulle. David Rousset starb im Dezember 1997 in Paris.

Volker Weichsel, geboren 1973, Slawist, Politikwissenschaftler, Redakteur der Zeitschrift OSTEUROPA, Übersetzer u.a. aus dem Russischen, Französischen und Tschechischen. Bei Suhrkamp erschienen zuletzt seine Übersetzungen von Artur Klinau: Acht Tage Revolution. Ein dokumentarisches Journal aus Minsk (es 2772) und Olga Shparaga: Die Revolution hat ein weibliches Gesicht (es 2769). Olga Radetzkaja, 1965 in Amberg geboren, hat u.a. Werke von Julius Margolin, Viktor Schklowskij, Polina Barskova und Boris Poplavskij übersetzt. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Brücke Berlin Preis 2020 (zusammen mit Maria Stepanova).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.01.2020

Jeder Kultur und Zivilisation entblößt
Der Journalist David Rousset hat bereits 1946 nach seiner KZ-Haft versucht, das Terrorsystem der Lager zu erfassen
Nur wenige Wochen nach seiner Befreiung diktierte der französische Journalist David Rousset seiner Frau einen Text, der zu den ersten überhaupt über die Welt der Konzentrationslager gehörte. Er erschien etwa zeitgleich mit Eugen Kogons wegweisendem Werk über den SS-Staat. Roussets kurzer Text mit dem Titel L‘ Univers concentrationnaire erschien 1946 in Frankreich – erst jetzt ist er ins Deutsche übersetzt worden. Kogon und Rousset, beide Häftlinge in Buchenwald – allerdings mit sehr unterschiedlicher Leidenszeit –, wollten nicht nur ihre Erfahrungen mit Hunger, Folter und Tod schildern, sondern das gesamte System der Lager erfassen. Während aber Kogon eine große soziologische Studie vorlegte, ging Rousset eher philosophisch-literarisch und mit klarem marxistischem Blick an die Sache heran.
Allein der sehr lange erste Satz seines Textes ist eine Wucht. Dort schildert Rousset (1912–1997) die 16 Monate seiner Gefangenschaft in Buchenwald, Neuengamme, im Außenlager Helmstedt und schließlich im Lager Wöbbelin bei Ludwigslust, wo er von den Amerikanern befreit wurde. Was wie eine harmlose Reisereportage beginnt, mündet in die Beschreibung einer Szene auf dem Appellplatz von Buchenwald: „Männer ohne jede Überzeugung, hart und ausgemergelt; Männer, deren Glauben zerstört, deren Würde vernichtet war; ein ganzes Volk, von nackten, innerlich nackten, jeder Kultur und Zivilisation entblößten Menschen, mit Spitz- und Kreuzhacken, Hämmern und Schaufeln bewaffnet, an rostige Loren gekettet, zum Salzbohren, Schneeräumen, Betonmischen verdammt; ein von Schlägen gepeinigtes, von einem Paradies vergessener Speisen delirierendes Volk, die innere Spur der Zerrüttung – all diese Menschen in all dieser Zeit.“
Solche plastisch-albtraumhaften Szenen wechseln sich ab mit einer nüchternen und distanzierten Analyse der Organisation der Lager, der Art, wie die SS diese Todesstätten betrieb und – besonders eindrucksvoll – wie auch die Funktionshäftlinge am Terror beteiligt waren: hier die Aristokraten mit Gummiknüppeln, besten Verbindungen zur SS und zu Sonderrationen von Brot und Tabak, dort die Plebejer. Wie eines Abends der Lagerälteste in Helmstedt einen Laib Brot in eine Baracke werfen lässt und danach alle, die sich darauf stürzen, verprügelt und Spaß daran hat, gehört zu den eindrücklichsten Szenen.
Einiges klingt in heutigen Ohren schwer nachvollziehbar, etwa wenn Rousset von der tragischen Komik des Lagerlebens spricht. Doch seine Bezugspunkte sind die Welt des Franz Kafka und das Theaterstück „König Ubu“ von Alfred Jarry, und die Annahme ist nicht so abwegig, dass die „Entdeckung des Humors“ vielen geholfen hat zu überleben. Zu einem kompletten Bild des SS-Terrors fehlt bei Rousset natürlich vieles, was man heute weiß. Besonders schwerwiegend: das Nichterfassen der Vernichtung der Juden als Oberziel der späten Lagerwelt im besetzten Osteuropa.
„Unter den KZ-Menschen wohnte der Tod in jeder Stunde ihres Daseins“, schreibt Rousset. Diese Erfahrungen der „KZ-Menschen“ sei anderen Leuten nicht zu vermitteln, meinte er. Doch Rousset hat eine Sprache gefunden, die das Leid in diesem abgeschotteten „Reich“, in dem sich der Mensch „Stück für Stück auflöste“, wenigstens erahnen lässt.
ROBERT PROBST
David Rousset: Das KZ-Universum. Aus dem Französischen von Olga Radetzkaja und Volker Weichsel. Mit einem Nachwort von Jeremy Adler. Suhrkamp, Berlin 2020. 144 Seiten, 22 Euro.
Die Häftlingsgruppe des Bildhauers Fritz Cremer (1906–1993) in der Gedenkstätte Buchenwald war das erste Nationaldenkmal der DDR.
Foto: Schmeken
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2020

Im Stakkato durch ein Universum des Schreckens
Mehr als siebzig Jahre nach der Erstausgabe liegt David Roussets Erfahrungsbericht über die Welt der Konzentrationslager auf Deutsch vor

Wenn man sich in der Berliner Staatsbibliothek die Originalausgabe von David Roussets "L'Univers concentrationnaire" aus dem Jahr 1946 kommen lässt, dann wird das Werk in einem grauen Schutzkarton geliefert, versehen mit dem Verbot, es dem grellen Licht eines Kopierers oder eines Scanners auszusetzen. Nach einem Dreivierteljahrhundert sind die 190 Seiten brüchig, das Papier vergilbt. Äußerlich mag das Buch fragil erscheinen, innen aber atmet es von der ersten Seite an die Kraft der Sprache. Es ist die Sprache des Existentialismus, die Sprache der Gewissheit und der Kompromisslosigkeiten, des auf seine bloße Existenz zurückgeworfenen, des - so Rousset - "innerlich nackten" Individuums.

Im Stakkato führt dieser Autor seine Leser in die Welt der Konzentrationslager ein, in ein eigenes Universum, für dessen Beschreibung er kurz nach der Befreiung der Lager erst einmal eine Sprache finden musste, die das Unaussprechliche auszudrücken vermochte. "Concentrationnaire" ist dabei eine Wortneuschöpfung Roussets, die als Substantiv die Insassen der deutschen Konzentrationslager, als Adjektiv das "Wie?" der Lager beschreibt. Ins Deutsche übersetzen lässt sich der Neologismus nicht, und so erscheint die jetzt vorgelegte deutsche Übersetzung des Texts, den Rousset seiner Frau Susie E. Elliot im August 1945 diktierte, unter dem Titel "Das KZ-Universum". Die Übertragung büßt an Sprachkraft kaum gegenüber dem Französischen ein.

Der 1912 in der Loire-Stadt Roanne geborene Rousset wurde als Angehöriger der Résistance im Oktober 1943 in Paris verhaftet und drei Monate später nach Buchenwald deportiert. Danach war er innerhalb kurzer Zeit in den Lagern Porta Westfalica, Neuengamme und Helmstedt interniert. Kurz vor Kriegsende wurde er auf einem der "Todesmärsche" in das KZ Wöbbelin nahe Ludwigslust verschleppt, wo er Anfang Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde. "Erfahrungsmaterial aus sechzehn Monaten" nennt Rousset diese Odyssee zu Beginn seines Buches lapidar, bevor er den "Abgrund der Lager", ihre innere bürokratische Hierarchie, ihr spezifisches Machtgefüge und ihre perversen Eigenlogiken darstellt.

Nach dem Erscheinen seines zweiten Buches, dem Lagerroman "Les jours de notre mort" (Paris 1947), hieß es in dieser Zeitung über Rousset, er sei "eine der machtvollsten schriftstellerischen Persönlichkeiten der Nachkriegszeit, der durch seine beiden Bücher über das Leben in den Konzentrationslagern Hitlers in diesen Fragen als internationale Autorität gilt." Anlass der Berichterstattung war ein Streit, den der langjährige Trotzkist Rousset Ende der vierziger Jahre mit anderen Linken vor Gericht unter anderem über die Frage austrug, inwiefern die damals noch bestehenden Lager Stalins mit denen Hitlers zu vergleichen seien. Später engagierte sich Rousset gegen die französischen Lager in Algerien und saß als gaullistischer Abgeordneter in der Nationalversammlung. Er starb 1997 in Paris.

Die erste deutsche Übersetzung Roussets geht auf eine Initiative Jeremy Adlers zurück, der ein hervorragendes Nachwort für das Buch verfasst hat, in dem er es in den Kontexten seiner Zeit zwischen Politik und Philosophie verortet, auf dessen künstlerische Vorbilder Kafka und Alfred Jarry eingeht und es innerhalb der Lagerliteratur neben H. G. Adler und Primo Levi einordnet. Rousset entlarve in seiner Darstellung "die Metaphysik der Vernichtung", so Jeremy Adler, "aus einer Haltung heraus, die man als tragische Würde bezeichnen könnte."

Eugen Kogon hob in "Der SS-Staat", das ein Jahr nach "L'univers concentrationnaire" erschien, Roussets Buch als das "beste nichtdeutsche Werk über die KL" aus - was heute überraschen mag - der "Fülle von Schriften über Konzentrationslager" hervor. Trotzdem avancierte der Bericht Roussets hierzulande nie zu einem Standardwerk vom Rang des "SS-Staats". In Frankreich war das anders. Dort prägte seine Studie, die 1946 den renommierten Prix Renaudot erhielt, lange das Bild der NS-Lager. Claude Lanzmann etwa erwähnt Rousset als Vorbereitungslektüre für sein filmisches Werk "Shoah". Die jetzt erschienene Übersetzung bahnt Rousset einen Weg in den deutschen Kanon der Lagerliteratur. Wir alle sind, was wir gelesen, hieß es bei Golo Mann. Roussets Buch sollte dazugehören.

RENÉ SCHLOTT

David Rousset: "Das KZ-Universum".

Aus dem Französischen von Olga Radetzkaja und Volker Weichsel. Nachwort von Jeremy Adler, Erläuterungen von Nicolas Bertrand. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 141 S., geb., 22,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Otto Langels kann es kaum fassen, dass dieses Buch - ihm zufolge eines der "frühen Standardwerke über die Konzentrationslager" - erst jetzt, ein Dreivierteljahrhundert nach der Erstveröffentlichung, auf Deutsch erscheint. Dem Kritiker zufolge beschreibt der Autor in literarischem Stil seine Erfahrungen im KZ Buchenwald. Wie Langels findet, bringen Roussets Darstellungen trotz mancher durch die Forschung revidierten Details das Grauen der KZs eindrucksvoll näher.

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»Die Mischung von konkreten Szenen und der Analyse der KZ-Strukturen macht das KZ Universum zu einem ungewöhnlichen, eindrucksvollen Werk mit Einblicken in eine Welt, die Rousset als 'toter Stern voller Leichen' umschreibt.« Otto Langels taz. die tageszeitung 20210131