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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Eva Lohmanns "Das leise Platzen unserer Träume"
Jule lebt auf dem Land. Hellen lebt in der Stadt. Jule ist verheiratet. Hellen ist geschieden. Jule hat keine Kinder. Hellen hat Zwillinge. Jule kennt Hellen nicht. Hellen kennt Jule.
Jule und Hellen schlafen neben demselben Mann ein. Denn Hellen hat eine Affäre mit David, Jules Ehemann. Doch davon ahnt Jule nichts. Sie träumte vom Bullerbü-Leben: "Ein eigenes Haus ohne Parkplatzsuche am Abend. Frische Luft und Apfelbäume. Eine Gartentür, die Kinder einfach nur aufmachen mussten, um barfuß ins Freie zu können, unbeaufsichtigt." Also kauften sie und David ein Bauernhaus, renovierten es und zogen von der Stadt aufs Land. Da sitzt Jule jetzt, nur die Kinder und die Leidenschaft fehlen zum Landhaus-Traum.
Das ist die Ausgangslage in Eva Lohmanns Roman "Das leise Platzen unserer Träume". Schnell wird klar: Statt Picknicks und langer Sommerabende um den Gartentisch gibt es für Land-Jule, wie die Protagonistin ihre neue Persönlichkeit bezeichnet, kurz angebundene Gespräche übers Rasenmähen und den sehr direkten Tipp, der kranken zugelaufenen Katze doch ein rasches Ende zu bereiten. Und auch Jules Beziehung hat sich verändert: "Aufräumen, abspülen, Serie schauen. Dann ins Bett. Kuss, lesen, Handy." Die stundenlangen Gespräche, die sie und David früher geführt haben, gibt es nicht mehr.
Zwischendurch der Schwenk zu Hellen, die nach ihrer Scheidung versucht, sich und die Kinder über die Runden zu bringen. Über eine Dating-App lernte sie David und durch seine Erzählungen auch Jule kennen. Mit der Zeit fängt Hellen an, mit der Ehefrau ihrer Affäre in Gedanken zu sprechen. Sie fragt sich, warum Jule an einer sexlosen Ehe festhält, und sucht nach Motiven, wieso sie ihren Kinderwunsch nicht mit einem neuen Partner auslebt. Dabei sieht Hellen Jule nicht als Konkurrentin. Vielmehr erkennt sie sich in ihr wieder: "Ich weiß, wie hart es ist zu gehen. Ich habe selbst Jahre gebraucht."
Eva Lohmann schafft es, Jules "Wie unglücklich muss man sein, um sich zu trennen?"-Frage in eine szenisch bildhafte - manchmal etwas stereotype - Erzählung einzubetten. So etwa, wenn Jule für eine Yoga-Gruppe, die sich auf dem Gutshof, auf welchem sie als Köchin arbeitet, ein natürlich veganes Menü kochen muss. Danach folgen Grübeleien darüber, wie viel Jule mit David noch verbindet und ob das ausreicht, um bei ihm zu bleiben. Die Gedanken beider Protagonistinnen kreisen aber auch um die schweren Fragen im Leben, für die es nicht die eine passende Antwort gibt. So fragt sich Hellen, ob sie eine gute Mutter ist, wenn sie ihre Kinder für Instagram-Posts verwendet, mit denen sie das Geld für die Familie verdient. Teilweise tauchen Überlegungen über Schwangerschaftsabbrüche auf oder ob man mit älteren Männern schlafen sollte. Lohmann reißt diese Fragen an, sie verweilen ein Kapitel lang, dann verglühen sie wieder. Die tiefere Auseinandersetzung mit den Problematiken kommt deshalb an einigen Stellen zu kurz.
Zwischen Gutshof-Ambiente, mit Pusteblumen gesprenkelten Wiesen und dem anonymeren Leben in der Stadt kommen beide Frauen am Ende des Buches weiter im Leben voran. Jede auf ihre Art und doch miteinander verbunden, durch ihre Träume, aber auch die Erkenntnis, dass manchmal etwas kaputtgehen muss, um Platz für Neues zu machen. MAI-CHARLOTT HEINZE
Eva Lohmann: "Das leise Platzen unserer Träume". Roman.
Ullstein Verlag, Berlin 2023. 224 S., geb., 22,- Euro.
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