Auf allen Ebenen des zwischenmenschlichen Lebens spielt die Macht eine integrale Rolle. Schon Gorgias von Leontinoi (etwa 480-380 v.u.Z.) hatte die >Überredung<, die Macht des Wortes, neben der nackten Gewalt als eine Form der Macht verstanden. Herrschen und das Vermögen zu herrschen sowie Macht und das Vermögen Macht auszuüben liegt in der Natur des Menschen begründet. Die Studie besteht aus vier Kapiteln, die sich gegenseitig generieren. Im ersten Kapitel thematisiert der Autor Strukturen, Funktionen und Aufgaben geistiger Herrschaft. Im Sinne Max Webers begreift er dabei Macht als "jene Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstand durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." (S. 15) In diesem Vorverständnis sieht Gerdsen die Möglichkeit geistiger Herrschaft im nationalen und internationalen Bereich. Er zeigt auf, wie sich die Herrschaftsformen seit dem beginnenden 18. Jahrhundert verändertet haben und welche Auswirkungen sie auf den Menschen, zwischenmenschliche Beziehungen und die Religion im Weltkontext hatten: Von der Herrschaft durch physische Gewalt, über seelische Herrschaft durch moralischen Druck bis hin zur geistigen Herrschaft durch Bemächtigung des Denkens der Menschen. Der Ausdruck >Weltherrschaft< ist in diesem Zusammenhang "nicht so zu verstehen, dass er nach Art des Römischen Imperiums oder in der Form des Kolonialismus verwirklicht wird." Demnach hat Weltherrschaft "derjenige erlangt, der in der Lage ist, der Welt und damit der gesamten Menschheit seine Gesetze und in erster Linie seine >geistige Herrschaft< aufzuprägen." (S. 31) Im zweiten Kapitel analysiert der Autor die immanente Systematik, Bewusstseinsführende Begriffe, strukturelle Strategien sowie Grundlagen von Macht und Moral bei der Ausgestaltung geistiger Herrschaft. Er stellt fest, dass negative Macht im Vergleich zur positiven Macht von Eigentümlichkeiten geprägt ist, die Menschen nicht mehr als >Zweck an sich<, sondern ausschließlich als Mittel, als Instrument betrachten und seine Bestimmung hochgradig beeinflussen. Diese negative Machtform versteckt sich auf Grund ihres inhärenten Charakters hinter Begriffen, die sie als Waffen zur Entmachtung einer jeden geistigen Haltung einsetzt. Der Autor führt als Beispiel Begriffe wie Toleranz, Menschenrechte und Diskriminierung, Freiheit sowie Demokratie an (S. 38 ff.), die eingesetzt werden, um bestimmte Ziele zu erreichen, nicht aber, um diese >demokratisch< zu verbreiten. Toleranz und Diskriminierung bewirken nach Gerdsen "eine Entgrenzung ... und dadurch eine Depersonalisierung" (S. 38). Mit den Menschenrechten verhält es sich nicht anders. Sie bewirken "eine Entgrenzung [...] und somit eine Auflösung der Volksgrenzen." (S. 38) Im dritten Kapitel beschäftigt sich die Studie mit dem Erscheinungsbild der Medien. Dabei untersucht sie das Verhältnis zwischen Demokratie und Medien, Massen und Medien sowie Moralismus und Medien. Hier geht der Autor in seinem Erkenntnisinteresse einen Schritt weiter und legt offen, dass die Medien einen wesentlichen Teil der geistigen Herrschaft ausmachen. Ihm scheinen die Medien und die politischen Entscheidungsträger in vielerlei Hinsicht säkularer zu sein als das Volk. Was politisch gewollt ist, wird medial aufgearbeitet. Hier an diesem hermeneutischen Ort begegnen sich >Demokratie< und >Demokratur<. Dadurch entsteht nach Gerdsen "eine Besatzungsmacht in den Köpfen, die die Besetzten gar nicht wahrnehmen können." (S. 72) Im vierten Kapitel untersucht der Autor die Frage nach Mensch und Kultur im Bereich der Religion. Während die ersten drei Kapitel aus kultursoziologischer Sicht dargestellt werden, folgt das letzte Kapitel >Mensch und Kultur im Kreise der Religion< einer religionssoziologischen Argumentation, indem dargestellt wird, wie durch den Verlust der Religion und damit jeglicher Transzendenz eine Veränderung des Bewusstseins und der Denkstrukturen erfolgt, die erst die Voraussetzung für geistige Herrschaft schafft. Gerdsen geht es darum, herauszuarbeiten, ob und inwieweit Religion im menschlichen Leben eine grundlegende Rolle spielt und dass ein Staat ohne Religion wie ein Mensch zu sein scheint, der vergeblich richtig handeln will. An dieser Stelle moniert Gerdsen, "dass dem Menschen ohne Religion in der Regel eine sachliche [...] Betrachtung der Welt nicht möglich ist". Eine solche Orientierung macht die Bahn frei "in eine Hypertrophie der Moral, in einen Moralismus, der alle Probleme als vorrangig moralische Probleme erscheinen lässt." (S. 91) Der Autor verfolgt das Ziel, bei den Lesern einen Bewusstseinsumschwung herbeizuführen, indem die Strukturen geistiger Herrschaft im moralischen Kostüm durchsichtig und durchschaubar gemacht werden. Insofern kommt die Studie einem dringenden Erfordernis der Zeit entgegen. Systematisch in der Darstellung, klar in der Gedankenführung und mit vielen grafischen Darstellungen ist sie für alle Leserkreise verständlich. Dieser in ihrer Art ausgezeichneten Studie ist eine möglichst weite Verbreitung zu wünschen. Hamid Reza Yousefi, Koblenz
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