Bewegend! Daniel Kehlmann - Erhebend! Christian Kracht - Belebend! Florian Illies - Erregend! Florena Horaz
Zehn Jahre nach Rafael Horzons erfolgreicher Autobiografie Das Weisse Buch ist es still geworden um den einstigen Liebling der Berliner Intelligenzija. Zu still, wie er findet. Also rafft er sich auf, um es noch einmal zu versuchen: Mit einem neuen Buch möchte er sich zum wichtigsten Intellektuellen des 21. Jahrhunderts aufschwingen, ja sogar endlich den heiß ersehnten Nobelpreis gewinnen. Doch ihm fällt einfach nicht ein, worüber er schreiben könnte. Aus dieser einfachen Grundidee zaubert Rafael Horzon ein wahres Meisterwerk, das manchmal tieftraurig ist, hauptsächlich aber unfassbar lustig, und dann ist an dieser wahnwitzigen Geschichte auch noch kein Wort erfunden ...
Ganz beiläufig verfasst Horzon so vor seinen Lesern Seite für Seite ein kluges und leichtes Buch über die Freundschaft, den Tod, das Leben und die Liebe.
Zehn Jahre nach Rafael Horzons erfolgreicher Autobiografie Das Weisse Buch ist es still geworden um den einstigen Liebling der Berliner Intelligenzija. Zu still, wie er findet. Also rafft er sich auf, um es noch einmal zu versuchen: Mit einem neuen Buch möchte er sich zum wichtigsten Intellektuellen des 21. Jahrhunderts aufschwingen, ja sogar endlich den heiß ersehnten Nobelpreis gewinnen. Doch ihm fällt einfach nicht ein, worüber er schreiben könnte. Aus dieser einfachen Grundidee zaubert Rafael Horzon ein wahres Meisterwerk, das manchmal tieftraurig ist, hauptsächlich aber unfassbar lustig, und dann ist an dieser wahnwitzigen Geschichte auch noch kein Wort erfunden ...
Ganz beiläufig verfasst Horzon so vor seinen Lesern Seite für Seite ein kluges und leichtes Buch über die Freundschaft, den Tod, das Leben und die Liebe.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wem kann zu diesem Buch geraten werden, fragt sich Rezensent Jan Wiele nach der Lektüre von Rafael Horzons zweitem Buch, dem Nachfolger des Kultobjekts und Kultur-Accessoires "Das weiße Buch". Ganz sicher nur denjenigen, die mit postmoderner Selbstreferentialität, narrativer Narretei, und Criss-Cross-Anspielungen innerhalb der opak schillernden Blase der "Berliner Pop-Bohème" etwas anzufangen wissen, denkt Wiele. Und auch denjenigen, die der Grundidee einer Ästhetisierung des Scheiterns etwas abgewinnen können. Horzons potentielle LeserInnen sind also jene, die dem Autor ähneln in seiner Selbstironie und seinem unbedingten Stilwillen - einem Stilwillen, der, wie Wiele feststellt, auch als Form der Rebellion gegen die eigene prekäre Lebenslage und "die brutale Wirklichkeit" gelesen werden kann. Doch selbst dem wohlwollenden Rezensenten kann nicht die dünne Staubschicht entgehen, die über dem "neuen Buch" liegt sowie eine gewisse Willkürlichkeit der Anekdoten und Ideen. Horzon tut eben, was er immer getan hat. Innovativ ist das jedoch nicht mehr, und vielleicht auch nicht mehr angemessen, lesen wir zwischen den Zeilen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2020Design für alle, Dekor für Erwählte
Gedankenblitzableiter: Rafael Horzon zeigt mit seinem zweiten Roman, dass im Dasein für Ästheten noch viel Gestaltungsmöglichkeit steckt.
Von Jan Wiele
Vor zehn Jahren trat ein Mann an, die Welt zu verschönern. Weiß sollte sie werden, so weiß wie das Buch, in dem er dazu seine Ideen darlegte und mit dem Suhrkamp ein Accessoire herausbrachte, das vielleicht auch den Umzug des Verlags nach Berlin symbolisch begleiten sollte: mit der Aussage, tabula rasa zu machen (F.A.Z. vom 24. September 2010).
Der Autor, Rafael Horzon, schien in der Gegend, in der nun das neue Verlagsgebäude steht, schon vorher eine Art Faktotum gewesen zu sein: Er hatte ein Möbelgeschäft an der Torstraße, in dem man ein von ihm designtes Bücherregal kaufen konnte, und die Aktion "Umtausch + Zersägung = Zufriedenheit", die als aggressives Marketing gegen Ikea diente, war nur einer von vielen Einfällen, die "Das weiße Buch" amüsant machten. Es war Werbebroschüre, Reise- und Schelmenroman in einem, das Zeugnis eines postmodernen Dandys, der mit seinen Ideen hausieren geht.
Aus dem Jahrtausendwende-Habitus der Popliteraten von "Tristesse Royale" hatte Horzon die Tristesse herausgenommen, so dass nur noch der Wille zum ästhetischen Dasein übrig blieb, der ja beim Dandytum seit jeher die trotzig zur Schau getragene Kehrseite von Armut und Verzweiflung ist. Dass es im Grunde ein Buch über das Scheitern war, konnte man kaum übersehen - eines somit, das den inzwischen abgehaltenen literarischen Tagungen zum "schönen Scheitern" vielleicht als Inspiration diente.
Aber Horzons Verschönerungsideal hat auch einen pragmatischen Bauhaus-Zug: Dezidiert bezeichnet er sich nicht als Künstler oder Schriftsteller, sondern als Designer und Unternehmer, worauf er auch in seinem Buch zu sprechen kommt: Er habe nämlich sogar Wikipedia verklagt, weil diese ihn immer wieder als Künstler bezeichnet habe.
Damit sind wir bei dem Buch, das nun wiederum in Accessoire-Form bei Suhrkamp erscheint: "Das neue Buch" präsentiert sich als Hardware-Update des weißen, indem es in einen Papp-Umschlag mit ausgestanzter Lochschrift gekleidet ist - diesmal allerdings einen chromfarbenen, der je nach Lichteinfall farbig schillert. Und die Software? Hat sich nicht allzu stark verändert, denkt man: wieder ein Tagebuch des fröhlichen Scheiterns seines als Kunstfigur auftretenden Autors, der nun noch Unternehmen für Dämmstoffe und Wanddekorationsobjekte gegründet hat. Sie sind allerdings nicht gerade billig. Er erklärt es seinem besten Freund einmal so: "Hör zu, es gibt zwei Kategorien von Produkten: günstige Produkte für den Massenmarkt, wie zum Beispiel Plastik-Kugelschreiber oder Feuerzeuge, und sehr teure Produkte für einen kleine Zirkel wohlhabender Kunden. Horzons Wanddekorationsobjekte gehören mit einem Stückpreis von 600 000 Euro zur zweiten Kategorie."
Das Problem dabei: Der Verkauf läuft schleppend, "mit anderen Worten: null verkaufte Objekte". Das hält den Erzähler nicht davon ab, weiter fröhlich im "Grill Royal" zu essen und neidisch auf Moritz von Uslar zu schauen, der dort mit einem Goldkettchen und vier Frauen sitzt und, wie es heißt, schon wieder ein neues Buch fertig habe. Wer solchen erzählerischen Spielereien und Augenzwinkereien aus der Berliner Pop-Bohème nichts abgewinnen kann, für den ist Horzon wahrscheinlich nichts.
Für wen dann? Man könnte vielleicht sagen: für Menschen mit starkem Willen zu einem ästhetischen Dasein, die trotzdem, getreu dem Nietzsche-Motto des Buchs, jeden Meister auslachen würden, "der nicht sich selber ausgelacht".
In einer Episode um den inzwischen an Krebs verstorbenen Künstler-Blogger Carl Jakob Haupt, dessen letzte Lebenszeit Horzon beschreibt und dem er das Buch gewidmet hat, wird auch deutlich, dass es um Subversion geht - sowohl der Kultur als auch der eigenen Biographie. Als er Haupt einmal von der Strahlentherapie abholt und diesen in miserablem Zustand sieht, wird eine der typischen Horzon-Geschichten im Münchhausen-Stil über einen Trip zur Designermesse in Aserbaidschan in ihrer Funktion erst recht verständlich: Eingeleitet mit der Frage "Erinnerst du dich noch?", dient sie als tröstende Gegenerzählung zur brutalen Wirklichkeit.
Auch das tröstet freilich nicht ganz darüber hinweg, dass die teils kalauerhafte Selbstreferentialität des Buchs, das über weite Strecken seine eigene Entstehung beschreibt, nicht ganz taufrisch wirkt und manche Geschichte darin, ob es nun um Brautjagd oder Pferderennen geht, einfach nur albern. Man hat das Gefühl, dass der Autor jede Idee mitaufgenommen hat, selbst die abwegigste. Aber das liegt bestimmt auch im Auge der Betrachter: Wie steht es etwa mit einer Autofahrt, begleitet von einem Hörbuch Gert Westphals zu Thomas Manns "Tod in Venedig", die Horzon erkennen lässt: "Die Parallelen zu meinem eigenen Leben sind nicht von der Hand zu weisen?" Oder mit der Behauptung, er habe Christian Kracht zum Verfassen des Romans "Imperium" inspiriert, indem er ihm einen Artikel über Kokovorismus aus der "Apotheken-Umschau" vorgelesen hat?
Die folgende schließlich ist unbestreitbar schön: Wenn man ein Notizbuch für "Gedankenblitze" anschaffen will, der Stilwille aber so groß ist, dass man es eigens bei einem Buchbinder in blauem Leinen mit Prägedruck fertigen lässt und dies fünf Wochen dauert - dann könnte darin das Wesen des stilvollen Prokrastinierens aufscheinen.
Rafael Horzon: "Das neue Buch".
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 303 S., br., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gedankenblitzableiter: Rafael Horzon zeigt mit seinem zweiten Roman, dass im Dasein für Ästheten noch viel Gestaltungsmöglichkeit steckt.
Von Jan Wiele
Vor zehn Jahren trat ein Mann an, die Welt zu verschönern. Weiß sollte sie werden, so weiß wie das Buch, in dem er dazu seine Ideen darlegte und mit dem Suhrkamp ein Accessoire herausbrachte, das vielleicht auch den Umzug des Verlags nach Berlin symbolisch begleiten sollte: mit der Aussage, tabula rasa zu machen (F.A.Z. vom 24. September 2010).
Der Autor, Rafael Horzon, schien in der Gegend, in der nun das neue Verlagsgebäude steht, schon vorher eine Art Faktotum gewesen zu sein: Er hatte ein Möbelgeschäft an der Torstraße, in dem man ein von ihm designtes Bücherregal kaufen konnte, und die Aktion "Umtausch + Zersägung = Zufriedenheit", die als aggressives Marketing gegen Ikea diente, war nur einer von vielen Einfällen, die "Das weiße Buch" amüsant machten. Es war Werbebroschüre, Reise- und Schelmenroman in einem, das Zeugnis eines postmodernen Dandys, der mit seinen Ideen hausieren geht.
Aus dem Jahrtausendwende-Habitus der Popliteraten von "Tristesse Royale" hatte Horzon die Tristesse herausgenommen, so dass nur noch der Wille zum ästhetischen Dasein übrig blieb, der ja beim Dandytum seit jeher die trotzig zur Schau getragene Kehrseite von Armut und Verzweiflung ist. Dass es im Grunde ein Buch über das Scheitern war, konnte man kaum übersehen - eines somit, das den inzwischen abgehaltenen literarischen Tagungen zum "schönen Scheitern" vielleicht als Inspiration diente.
Aber Horzons Verschönerungsideal hat auch einen pragmatischen Bauhaus-Zug: Dezidiert bezeichnet er sich nicht als Künstler oder Schriftsteller, sondern als Designer und Unternehmer, worauf er auch in seinem Buch zu sprechen kommt: Er habe nämlich sogar Wikipedia verklagt, weil diese ihn immer wieder als Künstler bezeichnet habe.
Damit sind wir bei dem Buch, das nun wiederum in Accessoire-Form bei Suhrkamp erscheint: "Das neue Buch" präsentiert sich als Hardware-Update des weißen, indem es in einen Papp-Umschlag mit ausgestanzter Lochschrift gekleidet ist - diesmal allerdings einen chromfarbenen, der je nach Lichteinfall farbig schillert. Und die Software? Hat sich nicht allzu stark verändert, denkt man: wieder ein Tagebuch des fröhlichen Scheiterns seines als Kunstfigur auftretenden Autors, der nun noch Unternehmen für Dämmstoffe und Wanddekorationsobjekte gegründet hat. Sie sind allerdings nicht gerade billig. Er erklärt es seinem besten Freund einmal so: "Hör zu, es gibt zwei Kategorien von Produkten: günstige Produkte für den Massenmarkt, wie zum Beispiel Plastik-Kugelschreiber oder Feuerzeuge, und sehr teure Produkte für einen kleine Zirkel wohlhabender Kunden. Horzons Wanddekorationsobjekte gehören mit einem Stückpreis von 600 000 Euro zur zweiten Kategorie."
Das Problem dabei: Der Verkauf läuft schleppend, "mit anderen Worten: null verkaufte Objekte". Das hält den Erzähler nicht davon ab, weiter fröhlich im "Grill Royal" zu essen und neidisch auf Moritz von Uslar zu schauen, der dort mit einem Goldkettchen und vier Frauen sitzt und, wie es heißt, schon wieder ein neues Buch fertig habe. Wer solchen erzählerischen Spielereien und Augenzwinkereien aus der Berliner Pop-Bohème nichts abgewinnen kann, für den ist Horzon wahrscheinlich nichts.
Für wen dann? Man könnte vielleicht sagen: für Menschen mit starkem Willen zu einem ästhetischen Dasein, die trotzdem, getreu dem Nietzsche-Motto des Buchs, jeden Meister auslachen würden, "der nicht sich selber ausgelacht".
In einer Episode um den inzwischen an Krebs verstorbenen Künstler-Blogger Carl Jakob Haupt, dessen letzte Lebenszeit Horzon beschreibt und dem er das Buch gewidmet hat, wird auch deutlich, dass es um Subversion geht - sowohl der Kultur als auch der eigenen Biographie. Als er Haupt einmal von der Strahlentherapie abholt und diesen in miserablem Zustand sieht, wird eine der typischen Horzon-Geschichten im Münchhausen-Stil über einen Trip zur Designermesse in Aserbaidschan in ihrer Funktion erst recht verständlich: Eingeleitet mit der Frage "Erinnerst du dich noch?", dient sie als tröstende Gegenerzählung zur brutalen Wirklichkeit.
Auch das tröstet freilich nicht ganz darüber hinweg, dass die teils kalauerhafte Selbstreferentialität des Buchs, das über weite Strecken seine eigene Entstehung beschreibt, nicht ganz taufrisch wirkt und manche Geschichte darin, ob es nun um Brautjagd oder Pferderennen geht, einfach nur albern. Man hat das Gefühl, dass der Autor jede Idee mitaufgenommen hat, selbst die abwegigste. Aber das liegt bestimmt auch im Auge der Betrachter: Wie steht es etwa mit einer Autofahrt, begleitet von einem Hörbuch Gert Westphals zu Thomas Manns "Tod in Venedig", die Horzon erkennen lässt: "Die Parallelen zu meinem eigenen Leben sind nicht von der Hand zu weisen?" Oder mit der Behauptung, er habe Christian Kracht zum Verfassen des Romans "Imperium" inspiriert, indem er ihm einen Artikel über Kokovorismus aus der "Apotheken-Umschau" vorgelesen hat?
Die folgende schließlich ist unbestreitbar schön: Wenn man ein Notizbuch für "Gedankenblitze" anschaffen will, der Stilwille aber so groß ist, dass man es eigens bei einem Buchbinder in blauem Leinen mit Prägedruck fertigen lässt und dies fünf Wochen dauert - dann könnte darin das Wesen des stilvollen Prokrastinierens aufscheinen.
Rafael Horzon: "Das neue Buch".
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 303 S., br., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Gerade eben noch war Berlin-Mitte das gefühlte Zentrum des Universums, heute könnte man sich kaum einen unwichtigeren Ort ausdenken: Aus dieser Spannung erzeugt Rafael Horzon, der letzte deutsche Romantiker, fachmännisch Literatur.« Andreas Rosenfelder DIE WELT 20201128