Der Begriff ‘Nibelungen’ ist weitgehend bekannt und nicht nur in akademischen oder anderweitig gelehrten Kreisen, sondern auch unter der breiten Bevölkerungsmasse. Die Vorstellungen, die sich hinter diesem Begriff verbergen, sind oft vage: Nibelungenlied, Nibelungensage, Nibelungenstoff; Termini, die gerne in der allgemeinen Auffassung durcheinander geworfen werden. Doch wie steht es mit dem mittelhochdeutschen Text, dem Epos, dem eigentlichen Nibelungenlied? Forschungsliteratur zu der nicht-akademischen Rezeption und dem allgemeinen Bekanntheitsgrad des Liedes gibt es reichlich. Die Rezeptionsgeschichte des Nibelungenliedes ist vielseitig und dementsprechend auch die verschiedenen Deutungsmodelle, die seit seiner ‚Wiederentdeckung‘ 1755 entstanden sind. Die Stilisierung des Epos zum ‚deutschen Nationalepos‘ zieht sich gleich einem roten Faden durch seine moderne Rezeptionsgeschichte. In dieser Studie wird die These diskutiert, dass es keine Rezeption des Nibelungenliedes gibt, die nicht direkt oder indirekt beeinflusst ist durch seine eigene, semantisch aufgeladene Rezeptionsgeschichte. Diese ist maßgeblich gekennzeichnet durch die völkisch-nationale Deutung Friedrich Heinrich von der Hagens; diejenige, die im Bewusstsein der Allgemeinheit überlebt hat und auch bis heute noch Echos in der wissenschaftlichen Bearbeitung findet, gewollt oder nicht.