Nun ade du mein lieb Ethnolog’, lieb Ethnolog’ ade
Während Katharina Döblers Buch noch eine Familiengeschichte aus Deutsch-Neuguinea war, bietet Aly die von mir erwünschte Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus. Seinem Standpunkt tritt Brigitta Hauser-Schäublin in der Zeit entgegen.
Brauchen
wir noch Museen? Diese Frage stellt sich und wenn wir Kunst- und Regionalmuseen als berechtigt…mehrNun ade du mein lieb Ethnolog’, lieb Ethnolog’ ade
Während Katharina Döblers Buch noch eine Familiengeschichte aus Deutsch-Neuguinea war, bietet Aly die von mir erwünschte Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus. Seinem Standpunkt tritt Brigitta Hauser-Schäublin in der Zeit entgegen.
Brauchen wir noch Museen? Diese Frage stellt sich und wenn wir Kunst- und Regionalmuseen als berechtigt ansehen, müssen wir die Frage präzesieren: Brauchen wir noch Völkerkundemuseen, ganz gleich, wie sie heute genannt werden?
Der Autor zeigt nämlich, dass in der Hochzeit des Kolonialismus Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts regelrechte Beutezüge die Museen in Europa füllten. Inwiefern die Museen dabei mehr als eine Trophäensammlung waren und auch zur wissenschaftlichen Forschung dienten, - wie bei der Frage nach der Besiedlung der Inseln Ozeaniens (154) – bleibt oft fraglich.
Zu der genannten Zeit sammelten die Museen auch die Schädel der dortigen Toten, um in Studien seiner Zeit die Minderwertigkeit der dortigen Völker zu belegen, was aber nur einen Boden für den Rassismus ebnete. Aly belegt, dass schon Anfang die Schändung der Gräber in Preußen unter Strafe gestellt wurde, weil damit nur die Ureinwohner unnötig gegen die Kolonialherren aufgebracht wurden. Dennoch sammelten die Deutschen fleißig weiter (164). Heute gehören die Schädel der medizinischen Sammlung der Universität. Außer dass im DNA-Vergleich Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Völkern der Südsee geklärt werden können, wird aber kein Nutzen dieser Sammlung deutlich. (Ich frage mich auch, ob die Forscher heute solche Analysen mit gutem Gewissen machen.) So wundert es nicht, dass Maori-Köpfe schon an Neuseeland zurückgegeben wurden.
Auf S.185 macht Aly das Gedankenexperiment, dass ein Gesetz die Museen zur Rückgabe der im Kolonialismus erworbene Exponate zwinge. Die ethnologischen Museen müssten umgehend schließen. Wie der Verfasser sich den Erwerb vorstellt deutet er auf S.114 an. Dort beschreibt er, wie Luschan, der Leiter des Berliner Völkerkundemuseums und Käufer des Prachtboots, einige Jahre später von Küstenfischern ihr Boot erwirbt. Aly kritisiert allein, dass der Kaufpreis zu niedrig gewesen sei. Aber wäre es zu dem Handel gekommen, wenn nicht beide Seien einverstanden gewesen wären.
Die Frage des Erwerbs kritisiert beim Prachtboot auch Hauser-Schäublin in der Zeit. Aly sei zu sehr auf Geld fixiert, während die Kulturen des Bismarck-Archipels seinerzeit sehr von Äxten und Beilen profitierten. Auf Wunsch der Käufer hätten die Einheimischen noch Kunstwerke am Luf-Boot angebracht, so dass von Entwendung oder Raub nicht sprechen könne.
Auch Aly sieht, dass das Prachtboot als seiner Art zum Weltkulturerbe gehört und vorerst in Berlin bleiben muss. Wäre es nicht gekauft worden, es wäre vermutlich verrottet. Der Autor kritisiert aber, dass die deutsche Strafexpedition die Kultur der Inselbewohner von Luf so nachhaltig geschädigt hat, dass sie wegen Bevölkerungsrückgang das Boot im Kaufjahr 1902/03 nicht mehr nutzen konnten. Dem hält die Zeit-Autorin entgegen, dass die Inselbewohner bereits 1889 zu einer Expedition zu den hunderte Kilometer entfernten tributpflichtigen Nachbarinseln aufgebrochen sind.
Diese Deitailfrage kann ich nicht klären. Aber mit welchem Gefühl schauen wir Besucher uns das Prachtboot an mit dem Wissen, dass die Käufer für den Untergang der Südseekultur mitverantwortlich sind? Lohnt sich ein Besuch der Völkerkundeausstellung überhaupt?
Ich verteile 4 Sterne, vor allem weil Aly den Namensgeber des Humboldt-Forums mit keinem Wort erwähnt. Er hat auf seinen Reise zu Beginn des 19. Jhs alle Menschen mit Respekt behandelt. Seine Exponate sind Stand heute über allen Zweifel erhaben.