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  • Format: PDF

Hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung die bestehende Diskrepanz zwischen dem Verfassungspostualt der Frauengleichberechtigung und der bestehenden gesellschaftlichen Wirklichkeit verändert? Die Autorin stellt themenspezifische Entscheidungen des Gerichts in unterschiedlichen historischen Phasen dar und bewertet sie innerhalb des jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Kontextes. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 2000

Produktbeschreibung
Hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung die bestehende Diskrepanz zwischen dem Verfassungspostualt der Frauengleichberechtigung und der bestehenden gesellschaftlichen Wirklichkeit verändert? Die Autorin stellt themenspezifische Entscheidungen des Gerichts in unterschiedlichen historischen Phasen dar und bewertet sie innerhalb des jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Kontextes. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 2000

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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.01.2001

Geschlechterkampf mit Rechtsberatung
Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichberechtigung der Frau
CARMEN LEICHT-SCHOLTEN: Die Gleichberechtigung im Grundgesetz. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 1949 bis heute, Campus Frankfurt/New York 2000. 268 Seiten, 64 Mark.
Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes von 1949 besagt: Frauen sind gleichberechtigt. Die Ergänzung aus dem Jahr 1994 heißt: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Markante Worte – die Politikwissenschaftlerin und Soziologin Carmen Leicht-Scholten hat in ihrer Dissertation untersucht, wie weit das im Grundgesetz verankerte Recht auf Gleichberechtigung durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 1949 bis heute durchgesetzt wurde.
Konnte, so ihre Fragestellung, das BVerfG im Laufe der Jahre mit seinen Entscheidungen die Diskrepanzen zwischen der gesellschaftlichen Wirklichkeit und der in der Verfassung geforderten Frauengleichberechtigung verringern? Dass es durchaus zwei Paar Stiefel sind, was man in die Verfassung hineinschreibt und wie man in der gesellschaftlichen Realität damit umgeht, weiß jeder Skeptiker. Und: Da sich Verfassungsrichter in ihrer persönlichen, geschlechtsspezifischen und soziologischen Rolle nicht aus dem Kontext lösen können, in dem sie leben, können sie gegen einen Widerstreit zwischen männlichen und weiblichen Belangen nicht gefeit sein.
Näher zum Mann
Diese summarische Einschätzung des Laien stellt die Autorin auf ein Fundament wissenschaftlicher Erörterung, geht zunächst ausführlich auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund, den Wandel der Frauenleitbilder und den sozialen Wandel in der Bundesrepublik ein. Dann erörtert sie die Berücksichtigung der sozialen Realität in den Entscheidungen des BVerfG, zum Beispiel bei Erfolgen und Rückschlägen für Ehefrauen, für erwerbstätige und für schwangere Frauen. Ein eigenes Kapitel ist dem Paragrafen 218 „als einem Indikator für die Gleichberechtigung” eingeräumt. Eine chronologische Auflistung der BVerfG-Entscheidungen, eine politische Einordnung der zitierten Urteile ist angefügt. Als Nachschlagwerk und Zeitspiegel ist das Buch also informativ.
Und wie lautet das Fazit von Leicht-Scholtens Untersuchungen? Ihr 5. Kapitel heißt lapidar: „Das BVerfG als retardierendes Moment der Gleichberechtigung”. Im Bereich der Kindererziehung, wo Eltern die „Wahlfreiheit” haben sollen, ihre Rollen untereinander zu tauschen, lässt sich dieses retardierende Moment besonders gut zeigen: Weder ist die finanzielle Schlechterstellung von nicht oder nicht mehr verheirateten Frauen mit Kindern beseitigt worden, noch sind die oft beschworenen, aber in der Praxis vernachlässigten Möglichkeiten für die Vereinbarung von Kindern und Beruf erweitert worden. Die Benachteiligung von Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, wird mit dem Verweis auf die Wahlmöglichkeiten zurückgewiesen – aggressiv vereinfachend formuliert lässt sich das so resümieren: Wer Kinder bekommt, ist selbst schuld!
Die weiteren Aussichten sieht die Autorin so: „Das bestehende Recht nähert sich der gesellschaftlichen Wirklichkeit sexueller Ungleichheit so, wie sich die Ideologie sexueller Ungleichheit dem gesellschaftlichen Leben nähert. Die Wirklichkeit steht also der Problemlösung im Weg. ” Deshalb folgert die Autorin: „Solange eine relevante empirische Ähnlichkeit die Grundlage für einen Anspruch auf gleiche Behandlung von Frauen ist, so lange kann eine Frau am besten dann ihren Anspruch auf Gleichbehandlung geltend machen, je ähnlicher sie dem Vergleichsmaßstab Mann schon ist. ”
Ob das nun allerdings immer so zutrifft, erscheint fraglich: Denn um so weit zu kommen, wie eine Frau möchte – oder wie es die Männerwelt zulässt – ist erfahrungsgemäß ein großes Maß an Anpassung nötig. Und dieses Sein wiederum prägt das Bewusstsein: Wie weit ist eine Frau, die sich angeglichen und emporgekämpft hat, überhaupt in der Lage, die erlittenen Verletzungen wahrzunehmen und im Sinne der eigenen Sache geltend zu machen?
BIRGIT WEIDINGER
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Birgit Weidinger schätzt die Dissertation, die untersucht, inwieweit die Gleichberechtigungsforderungen des Grundgesetzes auch im Bundesverfassungsgericht durchgesetzt werden, als informatives "Nachschlagewerk und Zeitspiegel" in einem. Die Autorin - Politikwissenschaftlerin und Soziologin - stelle das , was man gemeinhin vermutet, dass nämlich die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht zuletzt von der "persönlichen, geschlechtsspezifischen und soziologischen Rolle" des Verfassungsrichters abhänge, auf ein "wissenschaftliches Fundament". Ob aber eine Frau ihre Forderung nach Gleichberechtigung dann am besten durchsetzten kann, wenn sie dem Mann möglichst ähnlich geworden ist, wie die Autorin argumentiert, bezweifelt die Rezensentin. Denn eine an die Männerwelt angepasste Frau sei wahrscheinlich gar nicht mehr dazu imstande, die "erlittenen Verletzungen wahrzunehmen und im Sinne der eigenen Sache geltend zu machen", meint die Rezensentin kritisch.

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