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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Nicht noch ein Konzil! Eine Studie zum Konflikt zwischen Kaisern und Bischöfen in der Spätantike zeigt, wie eine theologisch fixierte Politik an Autorität verlor
Es gehört zu den Einsichten der Säkularisierungsdebatte, dass die öffentliche und vor allem mediale Präsenz von Religion zunehmen kann, auch wenn Mitgliederzahlen und Aktivitäten religiöser Organisationen zurückgehen. Für viele christliche Kirchen leisten dies Bischöfe - und besonders der von Rom. Die öffentliche Sichtbarkeit des organisierten Christentums ist mit der Rolle des Bischofs im Selbstbild bestimmter Kirchen aufs engste verbunden. So nimmt es nicht wunder, dass eines der frühesten Zeugnisse, die Texte des "Ignatius von Antiochien", vermutlich eine Fiktion sind: angebliche Briefe eines angeblichen Bischofs (episkopos), der vorgibt, zu seinem Martyrium in Rom zu reisen.
Dennoch, der Wert des Bischofs ist kein Naturzustand des Christentums, sondern das Ergebnis einer historischen Entwicklung in der Spätantike und ihrer Weiterentwicklung über 1500 Jahre hinweg. Der Potsdamer Althistoriker Pedro Barceló erzählt die entscheidende Phase dieser Entwicklung, vor allem des 4. und sehr gerafft auch des 5. Jahrhunderts, als Geschichte der Auseinandersetzung zwischen römischem Kaiser und Bischöfen sowie der Bischöfe untereinander - und schließlich als Niederlage kaiserlicher Autorität, zumindest im Westen.
Daran, das ist der plausible Kern der These Barcelós, waren die Kaiser selbst schuld. Den Sündenfall in dieser Entwicklung bildeten die Synoden von Rom und Arles, zu denen Konstantin in den Jahren 313 und 314 lud. Diese Zusammenkünfte bildeten eher das persönliche Netzwerk des Kaisers denn Strukturen einer noch gar nicht vorhandenen "Reichskirche" ab. Aber was wie ein kaiserliches Beratungsgremium anmutet, wird schnell zu einem Kampfplatz widerstreitender Sach- und Machtinteressen. Das neue Feld stärkt ebenso die einzelnen Bischöfe, wie es die Institutionalisierung einer Kirche in den Grenzen des Römischen Reiches bedeutet.
Für eine solche Kirche wird das prachtvolle Kaiserzeremoniell zu einem Maßstab des eigenen Rituals. Für ein solches christliches Amt lassen sich schnell auch soziale Schichten gewinnen - die alte Führungselite. Ambrosius von Mailand scheut sich am Ende des 4. Jahrhunderts nicht, den Kaiser von seinem Platz im symbolischen Zentrum der neuen Kirchenbauten zu verweisen. Das richtet sich aber auch in die Kirchen hinein: "Die Inhaber der großen Bischofssitze", schreibt Barceló, "wandelten sich zunehmend zu einer sakralrechtlich geadelten kirchlichen Nomenklatura", sie werden zu Patronen ihrer Gemeinden.
Das verweist auf die andere Seite, die Kaiser. Barceló nimmt sie, mit Konstantin dem Großen beginnend, noch genauer in den Blick. Religion war immer stärker zu einem Mittel der Herrschaftssicherung geworden. Die Begünstigung des Christentums und - in der Folge, nicht vorher - die Wahl von Christus oder dem christlichen Gott als einer weiteren "Leitgottheit" gehören noch ganz der üblichen politischen Kommunikation mit Hilfe religiöser Symbole an. Die Bedeutung von Glaubensbekenntnissen für den Aufbau religiöser Gruppen mit festen Außengrenzen und für den (weitgehend vergeblichen) Versuch, auch Alltagshandeln der Mitglieder zu normieren - das war, so kann man Barceló ergänzen, dieser kaiserlichen Strategie noch nicht deutlich geworden.
Unter diesen Bedingungen wurde auch das Behaupten unverrückbarer eigener theologischer Überzeugungen zu einer Dimension bischöflichen Verhandelns, das einem kaiserlichen Ober-Episkopat nicht zuträglich war. Spannungen von politischem Kalkül und Parteinahme aus persönlicher Überzeugung engten den Kaiser ebenso ein, wie sie anderen Mitgliedern des Hofes neue Wege eröffneten. Die Präsenz des Kaisers selbst in einem solchen Verhandlungsklima, noch in Nizäa (325) geübt, war seiner Autorität eher abträglich.
Dogmen, als verbindliche intendierte Entscheidungen über Glaubensfragen, sind für eine solche Art von Politik nicht nur Vorwände. Barcelós Analyse macht deutlich, wie sehr die theologischen Debatten auch mit der Frage der symbolischen Kommunikation über den Kaiser zusammenhängen. Problematisch war überraschenderweise nicht die traditionelle Herrscherverehrung. Problematisch war, welchen Ort bestimmte Deutungen, wie Gottheit und Menschheit, Gottvater und Menschensohn sich zueinander verhalten, der kaiserlichen Autorität ließen. Die Synodalentscheidung von heute war das politische Problem von morgen - und entsprechend offen für Revisionen. Wo politische Konstellationen eine bestimmte theologische Konfliktlage auf Dauer stellten - so den Ausschluss der "Monophysiten", die Jesus für vollkommen göttlich und für keine Spur menschlich hielten -, ist auch nach langfristigen religionsgeschichtlichen Folgen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Islams zu fragen.
Vor- und Nachwort von Barcelós Erzählung unterstreichen Verdienste, die Lesern selbst ins Auge springen. Stattdessen hätte man auch den Blick auf jene Fragen lenken können, die das Buch allenfalls streifen konnte. Dazu gehört die Entwicklung der religiösen Praktiken der Masse der Bevölkerung, unbeschadet aller Versuche religiöser Klein- und Großunternehmer, ihnen Grenzen zu ziehen. Dazu gehören auch die Veränderungen religiöser Autorität jenseits von Kaiser und Bischöfen, wenn Wahrheit auch durch Askese bezeugt wird. Und schließlich ist in jener so folgenreichen Epoche auch die Geschichte der anderen, der "Vollzeit-Heiden" und Manichäer, der Juden und Häretiker, der Christen außerhalb des Imperiums interessant. Der Untertitel entwirft und begrenzt das Feld dieser Monographie. Das erzeugt einen Erzählduktus, in dem Monotheismus, der Kaiser als Pontifex maximus und die Konstantinische Wende - kurzum: die Bischöfe - doch wieder zum Drehpunkt der Religionsgeschichte werden. Darüber möchte der Rezensent mit dem Autor gern weiter streiten.
JÖRG RÜPKE
Pedro Barceló: "Das Römische Reich im religiösen Wandel der Spätantike". Kaiser und Bischöfe im Widerstreit.
Friedrich Pustet Verlag, Regensburg 2013. 220 S., Abb., geb., 26,95 [Euro].
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