Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Europa, Note: 1, Staatliche Technische Universität Kaliningrad (Klaus Mehnert Institut ), Veranstaltung: Europäische Kultur, Sprache: Deutsch, Abstract: Reiseliteratur wird gelesen, um fernab der eigenen Realität fremde Erlebniswelten kennen zu lernen. Was dieses Fremde genau ist, lässt sich schwer definieren. Das Verständnis von Fremdheit ist nämlich durch das Eigene konstruiert; als Gegenbild des Heimischen hat das Fremde weniger mit der unbekannten Kultur und Weltwahrnehmung zu tun, sondern ist vielmehr ein Spiegelbild der eigenen Vorstellungen, Wahrnehmungen und der eigenen oder kollektiven Identität. Die Reiseliteratur bestätigt die kollektive Identität einerseits, anderseits hat sie eine bildende Funktion. Indem sie Eindrücke über ein fremdes Land vermittelt, stellt sie alternative Gesellschaftsmodelle vor und stellt den absoluten Anspruch des eigenen Weltbildes in Frage. -Dies umfasst neue Impulse für eine Änderung von veralteten Konventionen, ein generelles Bewusstsein für den die Kommunikation gefährdenden Einfluss von Vorurteilen sowie die potentielle Fehlbarkeit von Wertsystemen. Die Reiseliteratur über Russland ist deshalb besonders interessant, weil Europa und Russland jahrhundertealte politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen verbinden. Gleichzeitig ist Russland aber ebenso durch andere Elemente bestimmt: asiatische Einflüsse, die Orthodoxe Kirche, Verzögerung bei der Übernahme europäischer Kulturerrungenschaften und unterschiedliche politische Strukturen lassen Russland eben nicht als typisch europäisches Land erscheinen. Aber der westlich-östliche Dualismus ist untrennbar miteinander verbunden, so dass die Frage nach Russland Sonderrolle als Teil zweier Kontinente nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder aktuell ist. Sowohl Europa als auch Russland sind auf der Suche nach einer kollektiven Identität, die den Bedingungen der globalisierten Welt entspricht. Beide kämpfen mit ähnlichen Problemen: Trotz politischer Macht gesellschaftliche Visionslosigkeit, routierende Wirtschaftsgebilde ohne kulturellen Werteunterbau, der von der Bevölkerung als nationale oder supranationale Identität akzeptiert würde. Die Frage ist also: Gibt es eine europäische Identität? Und wie kann europäische Identität als dialektische Verbindung regionaler Kulturen gedacht werden? Russland gibt Europa Antworten.
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