Ich musste mehrere Anläufe nehmen, um in dieses Buch zu kommen. Es ist herausfordernd geschrieben, auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau. Also stellte ich zunächst einige Fragen an den Autor - über Tante Google. Und siehe da, Professor Engell spricht mündlich klar und verständlich, ein
sympathischer Mensch mit dem lustvollen Zwang, Dinge wirklich erklären zu wollen. Besonders das FAZ Interview…mehrIch musste mehrere Anläufe nehmen, um in dieses Buch zu kommen. Es ist herausfordernd geschrieben, auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau. Also stellte ich zunächst einige Fragen an den Autor - über Tante Google. Und siehe da, Professor Engell spricht mündlich klar und verständlich, ein sympathischer Mensch mit dem lustvollen Zwang, Dinge wirklich erklären zu wollen. Besonders das FAZ Interview auf der Buchmesse Frankfurt ist zu empfehlen. Zudem gibt es eine Vorlesungsreihe auf radiolotte, ganz hervorragend.
In diesem Buch wird die Philosophie des Fernsehens in seinem Bezug zur Welt und der menschlichen Existenz ergründet, seine Geschichte erzählt, um die Absichten und Beziehungen zwischen Absender und Empfänger zu deuten und zu verstehen. Um den häufigen Ansprache-Stil zu verdeutlichen, hier zwei Saetze von Seite 11: „Das Einschalten jedoch lässt das Gerät „zuhanden“ sein: Es ist handhabbar und mit uns verbunden. Es bindet uns jetzt in die Welt ein, sodass unser Dasein als ein „In-der-Welt-Sein“ hervortritt.“
Abstrahiert man von diesen Heidegger-Texten, die in sich durchaus gelungen sind, und konzentriert sich auf Zentrales (im Verbund mit dem FAZ Interview und radiolotte Vorlesungen) entfaltet das Buch erst seine Stärke.
Mir war z.B. nicht klar, dass Fernsehen zu Beginn immer live war, es zeichnete nichts auf, es war ein reines Übertragungsmedium und wurde sozusagen von einer Bühne gesendet, bei der es unterschiedliche Unter-Bühnen gab: z.B. drei Handlungsbühnen und eine Werbeecke, in denen live gesendet und zwischen diesen hin- und her geschaltet wurde.
Es war dies das Goldene Zeitalter des Fernsehens in den USA und reichte von ca. 1948 bis 1960. Damals wurde also auch Werbung live aufgeführt. Der Billy Wilder Film „Das verflixte siebte Jahr“ enthält eine Parodie auf diese Art der Reklame: Marylin Monroe nutzte darin ihren Zahnpasta Auftritt, um vor einem angeblichen Sex-Unhold zu warnen.
Aber man wollte dieses Live-Fernsehen aussehen lassen wie aufgezeichnet, alles war genau geprobt und musste 100% sitzen! „Die Zuschauer sollten denken, es handele sich eben um die Aufzeichnung eine eingespielten , in seinem Verlauf bereits feststehenden und prinzipiell so auch wiederholbaren Geschehens.“
Daneben gab es aber auch echte Live-Events, die als solche so angekündigt wurden. Man konnte also dabei sein, fern sehen, während irgendwo anders etwas geschieht, vor allem Sport-, aber auch Staatsakte, royale Hochzeiten und Konzerte etc. Das Fernsehen zeigt diese Veranstaltungen im Stil des „Instant Composing des Jazz“ (nach Umberto Ecco) mit einer Vielzahl von Perspektiven, der Zuschauer nimmt so strukturiert und kunstvoll in Szene gesetzt Teil an einer Welt-Erfahrung. „Sie ist ein gewisses Analogon zur Erschlosssenheit der Welt in Heideggers Daseinsanalyse.“
Wir schreiten mit diesem Buch durch die Möglichkeiten des Fernsehens, z.B. Serien, Instant Replay, All-Bild, Remote Control, Flow, Second Screens, Reality, History zu den Abschaltbildern. Tatsächlich macht es das Fernsehen dem Zuschauer schwer, wieder abzuschalten, schreibt Lorenz Engell. Mag sein, die Techniken dafür sind raffiniert. Und doch habe ich Fernsehen weitgehend ausgeblendet, oftmals ist es für uns nur noch ein Hintergrundrauschen zum Einschlafen und die Nachrichten oder den hundersten hochmoralisch aufgeladenen Krimi NICHT zu sehen, ist das beste Anti-Depressiva. Das schnellste Medium zu meiden, also das Fernsehen, lässt die innere Welt wieder auferstehen, jene, die man mit Büchern genießen kann.