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Wer die erschreckende Brutalität des russischen Geheimdienstes verstehen will, muss dieses Buch lesen. Nach intensiver Recherche in russischen und deutschen Archiven zeichnet Christian Neef ein neues Bild der Anfangsjahre der Sowjetischen Besatzungszone nach 1945. Mag auch stellenweise ein gutes Verhältnis zwischen den Russen und der ostdeutschen Bevölkerung geherrscht haben, die Regel war es nicht. Von Beginn an malträtierte der sowjetische Geheimdienst die Bewohner des besetzten Gebietes und konterkarierte damit die Politik der von Moskau eingesetzten Militärverwaltung. Als "Schattenregime"…mehr

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Produktbeschreibung
Wer die erschreckende Brutalität des russischen Geheimdienstes verstehen will, muss dieses Buch lesen. Nach intensiver Recherche in russischen und deutschen Archiven zeichnet Christian Neef ein neues Bild der Anfangsjahre der Sowjetischen Besatzungszone nach 1945. Mag auch stellenweise ein gutes Verhältnis zwischen den Russen und der ostdeutschen Bevölkerung geherrscht haben, die Regel war es nicht. Von Beginn an malträtierte der sowjetische Geheimdienst die Bewohner des besetzten Gebietes und konterkarierte damit die Politik der von Moskau eingesetzten Militärverwaltung. Als "Schattenregime" war das NKWD verantwortlich für die Verhaftung, Verschleppung und Ermordung von Menschen, die willkürlich als Abweichler oder gar Verräter gesehen wurden. Auch die Entführung wichtiger Wissenschaftler und materielle Demontagen geschahen auf geheimdienstliche Anweisung ¿ alles im Einvernehmen mit Stalin. Neef schildert diese Anfangsjahre, in denen Schrecken verbreitet und ein langfristiges Klima des Misstrauens aufgebaut wurde, und erklärt mit Blick auf deren Vor- und Nachgeschichte das Kontinuum von Angst und Gewalt, welches das russische Staatswesen damals wie heute kennzeichnet..

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Autorenporträt
Christian Neef studierte in Leipzig Journalistik und Geschichte. Der ausgewiesene Experte für Russland, Osteuropa sowie Afghanistan lebte 16 Jahre in Moskau. U.a war er zehn Jahre der stellvertretende Auslandschef des "Spiegel". Neef veröffentlichte mehrere Bücher zur russischen Geschichte, zuletzt "Der Trompeter von St. Petersburg".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2024

Stalins langer Arm im Osten Deutschlands

In der sowjetischen Zone

sollte ein stalinistisches Regime installiert werden: Die Geheimdienste spielten dabei eine wichtige Rolle, und erschreckend sind Parallelen zwischen 1945 und heute.

Von Daniela Münkel

Das Jahr 1999: Im August wird Wladimir Putin zum Ministerpräsidenten der Russischen Föderation ernannt, am 31. Dezember übernimmt er das Amt des Präsidenten. Kurz zuvor, am 20. Dezember, hielt der ehemalige KGB-Mann Putin auf einer Versammlung vor russischen Geheimdienstleuten eine Rede, in der er unter anderem Folgendes sagte: "Die Gruppe von Mitarbeitern des FSB [der russische Inlandsgeheimdienst, D.M.] die zur Arbeit in die Regierung abkommandiert wurde, hat die erste Etappe ihres Auftrages erfolgreich erfüllt." Was wahrscheinlich scherzhaft gemeint war, ist heute, 24 Jahre später, bittere Realität in Russland. Die Sicherheitsorgane kontrollieren das ganze Land, vom Justizapparat über die Verwaltungen bis hin zu den Medien. Jegliche oppositionelle Regungen werden im Keim erstickt. Wer sich dennoch nicht unterkriegen lässt und sich kritisch zum Putin-Regime äußert, muss damit rechnen, mit seinem Leben zu bezahlen, wie zuletzt Alexej Nawalnyj. Doch der Arm des russischen Geheimdienstes reicht auch weit über das eigene Land hinaus. So scheint er in Deutschland allgegenwärtig: Der Mord an dem Georgier Selimchan Changoschwili im August 2019 im Berliner Tiergarten, russische Agenten im Bundesnachrichtendienst (BND), Fake News und ständige Versuche, auf das politische Geschehen in der Bundesrepublik Einfluss zu nehmen, sind nur einige Beispiele. Auch das kürzlich bekannt gewordene abgehörte Gespräch zwischen Luftwaffenoffizieren gehört in diese Reihe.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit erlebte der Versuch russischer Geheimdienste, die Geschicke Deutschlands in ihrem Sinne zu lenken, seinen Höhepunkt. Im sowjetischen Herrschaftsbereich auf deutschem Boden, der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), wollten NKWD (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten) und andere russische Geheimdienste eine staatliche und gesellschaftliche Ordnung nach stalinistischen Vorstellungen installieren. Dabei verhielten sie sich "selbstherrlich und gnadenlos". Sie schreckten auch nicht davor zurück, die Politik der eigenen Militärregierung zu unterlaufen oder gar zu sabotieren. So kam es zu Machtkämpfen mit anderen Akteuren, vor allem mit der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), die die Geheimdienstler - auch durch die Unterstützung Stalins - nicht selten für sich entscheiden konnten. Diese Themenfelder bilden den Schwerpunkt des Buches von Christian Neef. Von den 24 Kapiteln des Buches widmen sich 21 der Zeit von 1945 bis 1949.

Nach eigener Angabe war Neefs Motivation, dieses Buch zu schreiben, dass das Thema wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert sei. Diese Lücke zu schließen scheint ihm nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen innenpolitischen Lage in Russland und dem Angriffskrieg auf die Ukraine geboten.

Ausgangspunkt für seine Darlegungen sind die 2016 in Moskau erschienenen Erinnerungen von Iwan Serow, dem Geheimdienstbevollmächtigten Stalins in der SBZ und späteren ersten Chef des KGB. Diese Erinnerungen werden durch Dokumente aus dem russischen Staatsarchiv ergänzt. Da das Thema insgesamt gut erforscht ist, konnte der Verfasser zudem auf eine breite Forschungsliteratur zurückgreifen. Nicht zuletzt deshalb liest man viel Altbekanntes: Mit "erprobten" Methoden aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren sowie aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges gingen die russischen Geheimdienste in der SBZ vor. Die Exzesse gegen die deutsche Bevölkerung wie willkürliche Erschießungen und Massenvergewaltigungen geraten genauso ins Blickfeld wie die Deportationen von deutschen Spezialisten, hier besonders von Ingenieuren und Atomwissenschaftlern. Gleiches gilt für die Reparationsleistungen, die Demontagen sowie die massive Einschränkung der Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung. Die Verfolgung von ehemaligen Nationalsozialisten und solchen, die man ohne Einzelfallprüfung per se dazu machte, wie größere Bauern, Fabrikbesitzer oder Kritiker der sowjetischen Herrschaft in Deutschland, wird ebenfalls ausführlich erörtert. Das Vorgehen gegen Sozialdemokraten nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED im Jahr 1946 sowie der neugründeten Blockparteien in der SBZ wird ebenso thematisiert wie die Verfolgung und Drangsalierung der eigenen Staatsangehörigen in Deutschland - hier vor allem von ehemaligen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die sich gegen ihre Repatriierung zur Wehr setzten.

Immer wieder greift Neef dabei die inneren Machtkämpfe zwischen und in den verschiedenen sowjetischen Geheimdiensten in Deutschland sowie mit der SMAD auf und zeichnet dabei ein Bild davon, wie "sehr sich Geheimdienste verselbständigen können, wenn sie allein ihren Vorstellungen von Kontrolle und Repression folgen".

Es folgt ein Kapitel über die Vorläufer der DDR-Staatssicherheit und deren Aufbau. Dass es gleich nach Kriegsende eine deutsche politische Polizei sowie andere Vorläuferorganisationen der Staatssicherheit in der SBZ gab und der Aufbau des 1950 gegründeten Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) nach sowjetischen Vorbild erfolgte, ist hinlänglich bekannt. Gleiches gilt für den sowjetischen Einfluss auf die Besetzung von Spitzenposten im MfS und auf die Arbeit der Staatssicherheit vor allem bis zum letzten Drittel der Fünfzigerjahre.

Die letzten Kapitel beleuchten den weiteren Lebensweg der wichtigsten russischen Protagonisten, den Umgang mit den Geheimdiensten nach dem Zusammenbruch der alten Sowjetunion und ihrer Renaissance seit Putins Machtantritt.

Abschließend schlägt der Autor einen Bogen ins Heute: Er analysiert den Geschichtsrevisionismus unter Putin und die Instrumentalisierung von Geschichte für russische Großmachtphantasien. Der ausgewiesene Russlandkenner Neef, der schon zu DDR-Zeiten Korrespondent in der Sowjetunion war und später für den "Spiegel" aus Moskau berichtete, legt mit "Das Schattenregime" eine gute und dichte Beschreibung des Wirkens und der Gräueltaten der sowjetischen Geheimdienste in Deutschland in der Zeit von 1945 bis 1949/50 vor. Die Stärken des Buches sind dabei nicht vornehmlich neue oder überraschende historische Erkenntnisse, sondern die immer wieder hergestellten Bezüge zur heutigen Situation in Russland sowie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Neef gelingt es, aufzuzeigen, welchen Einfluss und Macht die sowjetischen Geheimdienste in der Stalin-Ära in Deutschland hatten, und macht eindringlich klar, dass sie im System Putin längst wieder ihre alte Machtstellung zurückerobern konnten.

Christian Neef: "Das Schattenregime". Wie der sowjetische Geheimdienst nach 1945 Deutschland terrorisierte.

Propyläen Verlag, Berlin 2024.

320 S., geb., 28,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Neef gelingt es, aufzuzeigen, welchen Einfluss und Macht die sowietischen Geheimdienste in der Stalinära in Deutschland hatten, und macht eindringlich klar, dass sie im System Putin längst wieder ihre alte Machtstellung zurückerobern konnten.« Daniela Münkel Frankfurter Allgemeine Zeitung 20240316

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Keineswegs reißerisch ist dieses Buch, meint Rezensent Ralf Husemann, aber erschreckend ist es gleichwohl. Christian Neef stellt darin, lernen wir, die Aktivitäten sowjetischer Geheimdienste - vier an der Zahl, untereinander verfeindet - in der sowjetischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Entlang des Buches zählt Husemann Verschleppungs- und Ermordungsaktionen in diesem Zusammenhang auf, auch das Nazi-KZ Buchenwald wird für neue Terrorzwecke weiterbenutzt. Besonders wichtig ist für Husemanns Buch, lernen wir, der Geheimdienst-Bevollmächtigte Iwan Serow, auf dessen Aufzeichnungen - sowie weiteren Archivrecherchen - das Buch unter anderem basiert und dessen Karriere der Rezensent darstellt. Aktuell ist das Thema außerdem, meint Neef mit Blick auf Putins Russland laut Husemann, und auch den Rezensenten schaudert es, wenn er an den geheimdiensterprobten Mann im Kreml denkt.

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