Australien, 1954: Irene Bobs liebt schnelle Rennen. Ihr Ehemann ist der beste Autoverkäufer im Südosten. Gemeinsam wollen sie am Redex Reliability Trial teilnehmen, dem härtesten Autorennen Australiens. Über 10.000 Meilen rund um den Fünften Kontinent - eine Route, die kaum ein Wagen überlebt. Begleitet werden sie von Willi Bachhuber, einem unergründlichen schlacksigen Blondschopf mit einem Faible für Kartographie. Zielsicher navigiert er sie über kreuzende Flussläufe, unwegsame Pfade und gefährliche Abkürzungen durch das Outback - und bringt sie doch vom geplanten Weg ab. Weg von dem weißen Australien, und hin zum Ursprung des Landes und den vergessenen Aboriginies. »Careys bester Roman seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten. Wer hätte gedacht, dass ein Autorennen so spannend sein könnte.« The Guardian »Ein beeindruckendes und notwendiges Werk.« Elizabeth Strout »Ein Buch über kulturelle Identität, Familie und die Fähigkeit des Mitgefühls. Als solches ist es hochrelevant für unsere Zeit.« Irish Times »Ein wilder, außergewöhnlicher und magischer Ritt! Peter Carey verdient den Nobelpreis in Literatur dafür, dass er uns das Herz erfrischt.« The Daily Telegraph
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Martin Halter wird nicht glücklich mit Peter Careys Geschichte eines waghalsigen Autorennens durchs Outback, das den Leser zur Geschichte Australiens und der Tragödie seiner Ureinwohner führen soll. Zwar bietet der Autor laut Halter durchaus erzählerische Klasse, wenn er von den Mythen der Aborigines und ihrem kreativen Widerstand berichtet und verzichtet dankenswerterweise auf moralische Belehrungen. Die "gemütlich-humorvolle" Renngeschichte will aber partout nicht zum Drama der australischen Ureinwohner passen, findet der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2019Wenn der Navigator die Orientierung verliert
Autofahren auf dem Rücksitz weißer Geschichte: Peter Carey erzählt in "Das schnellste Rennen ihres Lebens" zum ersten Mal in seinem Werk vom Völkermord an den Aborigines.
Das Redex Reliability Trial, eine Zuverlässigkeitsprüfung für Tourenwagen quer durch Australien, gehört zu den härtesten Autorennen der Welt: 10 000 Meilen auf staubigen Wüstenpisten zehren an den Kräften von Fahrern und Motoren. Das Team um Titch Bobs, seine energische Frau Irene und ihren Navigator, den belesenen, kartenkundigen Pfarrersohn Willi Bachhuber, meistert die äußeren Hindernisse - Reifenpannen, Feder- und Achsbrüche, mörderische Hitze - mit Bravour. Selbst die riskanten Fahrmanöver, Schimpftiraden und Sprengstoffattentate, mit denen Titchs tollkühner Vater seine Rivalen ausbremsen will, werfen das Trio nicht aus der Bahn. Wenn da nur nicht die inneren Spannungen im GM Holden FJ wären. Titch, der großmäulige Autoverkäufer, versteht seine Teilnahme am Redex vor allem als Bewerbung für den vakanten Posten eines Ford-Händlers. Seine couragierte Beifahrerin fährt auch für die Befreiung der Frau aus den Ketten der Männer - und für Willi, den Nachbarn, der so viel freundlicher, anständiger und leiser als ihr Gatte ist. Aber der unfehlbare Kartenleser verliert zunehmend die Orientierung: Der Navigator fährt ein Rennen, dessen Ziel er beim Start noch kennt, eine Zuverlässigkeitsprüfung, die ihn zurück zu seine verschütteten Wurzeln führt. Ungeachtet seines deutschen Namens, seiner blonden Haare und seines Nebenberufs als Dauerkandidat einer Quizshow ist der "Kraut" nämlich ein Halbblut. Weil er nichts davon wissen wollte, verließ er seine Frau und ihr auffällig dunkelhäutiges Kind. Wenn er jetzt bei der Rallye in Bars nach seiner "Hundemarke" gefragt wird, beginnt er zu ahnen, wer seine wahren Brüder und Schwestern sind.
Der zweimal mit dem Booker-Preis ausgezeichnete Peter Carey hat sich, etwa in "Illywhacker" (1985), "Oscar und Lucinda" (1988) und "Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang", immer wieder mit der Geschichte seines Heimatlandes auseinandergesetzt, aber bislang nie explizit mit der Tragödie der Ureinwohner. Seit der "Entdeckung" durch Captain Cook wurden die Aborigines von den weißen Siedlern gedemütigt, vergewaltigt, ausgebeutet, ihrer Menschenrechte und bis vor wenigen Jahrzehnten noch selbst ihrer Kinder beraubt. Wie mit dieser historischen Schuld umzugehen sei, ist bis heute hoch umstritten. Als Carey 1988 einmal die weißen Australier als "Profiteure eines Genozids" bezeichnete, erntete er wütende Proteste.
In seinem vierzehnten Roman nun, mit dem Carey nach schwächeren Büchern wie "Die Chemie der Tränen" und "Amnesia" über weite Strecken wieder an seine alte Klasse anknüpft, gibt der alte weiße Mann zum ersten Mal das Steuer der Erzählung ab und setzt sich als Landkartenleser auf den Rücksitz der Geschichte: Beraten von Aborigines, Historikern, Ethnologen und Anthropologen, erzählt Carey mit 75 erstmals von der großen Kultur und dem traurigen Schicksal der Aborigines. Bachhuber, geboren aus der Vergewaltigung einer Eingeborenen durch einen Rinderbaron, wird beim Redex unsanft auf eine Route gelotst, die auch an den Killing Fields, Friedhöfen und Höhlenverstecken der Aborigines vorbeiführt. Bisher war Willi immer auf der Flucht; er floh aus seiner Ehe, aus Bacchus Marsh, aus dem Schuldienst, vor Irenes Liebe und Titchs Eifersucht, letztlich vor sich selbst. Weit draußen im Outback, gestrandet auf der Farm, wo er geboren wurde, beginnt er erstmals so etwas wie Heimat und einen Sinn in seinem Leben zu finden. Der geschasste Lehrer, der ewige Quizkandidat unterrichtet schwarze Kinder und lernt im Gegenzug von ihnen und weisen Alten wie Doc Battery, dem Autoheiler, was er selbst verloren oder vergessen hat: Die Kunst der Ahnen, die Landkarte der Traumpfade zu lesen und so "das Land zu singen", ihre Songlines, Mythen und Kosmologien, ihr eigenwilliges Pidgin, in dem die Frau als "er" figuriert (eine Herausforderung für jeden Übersetzer), nicht zuletzt die Kreativität, mit der sie Geschichten aus der Bibel und Cooks Logbuch zu Fabeln des Widerstands umdichten.
Carey begegnet Schuld und Scham der Weißen nicht mit kulturanthropologischen Belehrungen oder moralischen Appellen. Er erzählt die Geschichte und die Geschichten der Ureinwohner in einem leichten, fast heiteren Tonfall. Man muss nicht alles glauben, was der schlitzohrige Punkawallah über die Bedeutung eines Autos für aboriginale Magie oder die Arche Noah als Rettungswagen seines Volkes schwadroniert: Der Trickster nutzt nur das schlechte Gewissen der weißen Herren und die Naivität der Ethnologen aus. Aber bei seinem Versuch, den dunklen Tunnel der australischen Geschichte von zwei Seiten aus anzubohren, verfehlt Carey die Mitte. "Das schnellste Rennen ihres Lebens" (im Original: "A Long Way from Home") leidet nicht nur unter einem missglückten Titel, sondern auch unter einer gewissen konstruktionsbedingten Unwucht. Der Roman erzählt zunächst lang und gemütlich-humorvoll breit Vorgeschichte und Verlauf des Redex-Rennens und biegt erst im letzten Drittel mit einer scharfen Kurve zu seinem eigentlichen Thema ab: Die schmerzhafte Einsicht der weißen Herren, "dass unsere Heimat ein fremdes Land ist und wir uns bisher das Recht nicht verdient haben, ihre Sprache zu sprechen".
Carey wurde 1943 in Bacchus Marsh geboren und sah das Redex Trial 1954 mit eigenen Augen; sein Vater war GM-Vertragshändler, seine Mutter resolut und technisch beschlagen wie Irene, sein Großvater ein tollkühner Pilot wie Dan. Er kennt die Kleinstadtdramen der fünfziger Jahre, den latenten Rassismus im Hinterland, die Bedeutung des Automobils für die Eroberung des leeren australischen Raums und die Emanzipation der Pionierfrauen. Aber trotz aller erzählerischen Leichtigkeit und autobiographischen Wärme bleibt die Autorallye im Busch ein Fremdkörper im Drama der Ureinwohner. Tollkühne Männer und zupackende Frauen in ihren rasenden Kisten, Intrigen, Havarien und Boxenstopps: Das muntere Treiben im Fahrerlager passt zu den Spuren des Völkermords wie Titchs Jaguar XK 120 zu einer holperigen Schlaglochpiste im Outback.
MARTIN HALTER
Peter Carey: "Das schnellste Rennen ihres Lebens". Roman.
Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019. 464 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Autofahren auf dem Rücksitz weißer Geschichte: Peter Carey erzählt in "Das schnellste Rennen ihres Lebens" zum ersten Mal in seinem Werk vom Völkermord an den Aborigines.
Das Redex Reliability Trial, eine Zuverlässigkeitsprüfung für Tourenwagen quer durch Australien, gehört zu den härtesten Autorennen der Welt: 10 000 Meilen auf staubigen Wüstenpisten zehren an den Kräften von Fahrern und Motoren. Das Team um Titch Bobs, seine energische Frau Irene und ihren Navigator, den belesenen, kartenkundigen Pfarrersohn Willi Bachhuber, meistert die äußeren Hindernisse - Reifenpannen, Feder- und Achsbrüche, mörderische Hitze - mit Bravour. Selbst die riskanten Fahrmanöver, Schimpftiraden und Sprengstoffattentate, mit denen Titchs tollkühner Vater seine Rivalen ausbremsen will, werfen das Trio nicht aus der Bahn. Wenn da nur nicht die inneren Spannungen im GM Holden FJ wären. Titch, der großmäulige Autoverkäufer, versteht seine Teilnahme am Redex vor allem als Bewerbung für den vakanten Posten eines Ford-Händlers. Seine couragierte Beifahrerin fährt auch für die Befreiung der Frau aus den Ketten der Männer - und für Willi, den Nachbarn, der so viel freundlicher, anständiger und leiser als ihr Gatte ist. Aber der unfehlbare Kartenleser verliert zunehmend die Orientierung: Der Navigator fährt ein Rennen, dessen Ziel er beim Start noch kennt, eine Zuverlässigkeitsprüfung, die ihn zurück zu seine verschütteten Wurzeln führt. Ungeachtet seines deutschen Namens, seiner blonden Haare und seines Nebenberufs als Dauerkandidat einer Quizshow ist der "Kraut" nämlich ein Halbblut. Weil er nichts davon wissen wollte, verließ er seine Frau und ihr auffällig dunkelhäutiges Kind. Wenn er jetzt bei der Rallye in Bars nach seiner "Hundemarke" gefragt wird, beginnt er zu ahnen, wer seine wahren Brüder und Schwestern sind.
Der zweimal mit dem Booker-Preis ausgezeichnete Peter Carey hat sich, etwa in "Illywhacker" (1985), "Oscar und Lucinda" (1988) und "Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang", immer wieder mit der Geschichte seines Heimatlandes auseinandergesetzt, aber bislang nie explizit mit der Tragödie der Ureinwohner. Seit der "Entdeckung" durch Captain Cook wurden die Aborigines von den weißen Siedlern gedemütigt, vergewaltigt, ausgebeutet, ihrer Menschenrechte und bis vor wenigen Jahrzehnten noch selbst ihrer Kinder beraubt. Wie mit dieser historischen Schuld umzugehen sei, ist bis heute hoch umstritten. Als Carey 1988 einmal die weißen Australier als "Profiteure eines Genozids" bezeichnete, erntete er wütende Proteste.
In seinem vierzehnten Roman nun, mit dem Carey nach schwächeren Büchern wie "Die Chemie der Tränen" und "Amnesia" über weite Strecken wieder an seine alte Klasse anknüpft, gibt der alte weiße Mann zum ersten Mal das Steuer der Erzählung ab und setzt sich als Landkartenleser auf den Rücksitz der Geschichte: Beraten von Aborigines, Historikern, Ethnologen und Anthropologen, erzählt Carey mit 75 erstmals von der großen Kultur und dem traurigen Schicksal der Aborigines. Bachhuber, geboren aus der Vergewaltigung einer Eingeborenen durch einen Rinderbaron, wird beim Redex unsanft auf eine Route gelotst, die auch an den Killing Fields, Friedhöfen und Höhlenverstecken der Aborigines vorbeiführt. Bisher war Willi immer auf der Flucht; er floh aus seiner Ehe, aus Bacchus Marsh, aus dem Schuldienst, vor Irenes Liebe und Titchs Eifersucht, letztlich vor sich selbst. Weit draußen im Outback, gestrandet auf der Farm, wo er geboren wurde, beginnt er erstmals so etwas wie Heimat und einen Sinn in seinem Leben zu finden. Der geschasste Lehrer, der ewige Quizkandidat unterrichtet schwarze Kinder und lernt im Gegenzug von ihnen und weisen Alten wie Doc Battery, dem Autoheiler, was er selbst verloren oder vergessen hat: Die Kunst der Ahnen, die Landkarte der Traumpfade zu lesen und so "das Land zu singen", ihre Songlines, Mythen und Kosmologien, ihr eigenwilliges Pidgin, in dem die Frau als "er" figuriert (eine Herausforderung für jeden Übersetzer), nicht zuletzt die Kreativität, mit der sie Geschichten aus der Bibel und Cooks Logbuch zu Fabeln des Widerstands umdichten.
Carey begegnet Schuld und Scham der Weißen nicht mit kulturanthropologischen Belehrungen oder moralischen Appellen. Er erzählt die Geschichte und die Geschichten der Ureinwohner in einem leichten, fast heiteren Tonfall. Man muss nicht alles glauben, was der schlitzohrige Punkawallah über die Bedeutung eines Autos für aboriginale Magie oder die Arche Noah als Rettungswagen seines Volkes schwadroniert: Der Trickster nutzt nur das schlechte Gewissen der weißen Herren und die Naivität der Ethnologen aus. Aber bei seinem Versuch, den dunklen Tunnel der australischen Geschichte von zwei Seiten aus anzubohren, verfehlt Carey die Mitte. "Das schnellste Rennen ihres Lebens" (im Original: "A Long Way from Home") leidet nicht nur unter einem missglückten Titel, sondern auch unter einer gewissen konstruktionsbedingten Unwucht. Der Roman erzählt zunächst lang und gemütlich-humorvoll breit Vorgeschichte und Verlauf des Redex-Rennens und biegt erst im letzten Drittel mit einer scharfen Kurve zu seinem eigentlichen Thema ab: Die schmerzhafte Einsicht der weißen Herren, "dass unsere Heimat ein fremdes Land ist und wir uns bisher das Recht nicht verdient haben, ihre Sprache zu sprechen".
Carey wurde 1943 in Bacchus Marsh geboren und sah das Redex Trial 1954 mit eigenen Augen; sein Vater war GM-Vertragshändler, seine Mutter resolut und technisch beschlagen wie Irene, sein Großvater ein tollkühner Pilot wie Dan. Er kennt die Kleinstadtdramen der fünfziger Jahre, den latenten Rassismus im Hinterland, die Bedeutung des Automobils für die Eroberung des leeren australischen Raums und die Emanzipation der Pionierfrauen. Aber trotz aller erzählerischen Leichtigkeit und autobiographischen Wärme bleibt die Autorallye im Busch ein Fremdkörper im Drama der Ureinwohner. Tollkühne Männer und zupackende Frauen in ihren rasenden Kisten, Intrigen, Havarien und Boxenstopps: Das muntere Treiben im Fahrerlager passt zu den Spuren des Völkermords wie Titchs Jaguar XK 120 zu einer holperigen Schlaglochpiste im Outback.
MARTIN HALTER
Peter Carey: "Das schnellste Rennen ihres Lebens". Roman.
Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019. 464 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Peter Carey ist ein Meister des Pikaresken, aber er weiß doch auch, wann er den staubtrockenen, ironischen, manchmal spöttischen Ton zurücknimmt. Sylvia Staude Frankfurter Rundschau 20190803