Auch eine Jugendrevolte bleibt nicht ewig jung, die Revolutionärinnen beginnen die Haare zu färben, dann hören sie damit wieder auf und beugen sich über ihre Patientenverfügung. Sie sitzen am Fenster und schauen von oben auf das Leben, das nicht mehr ihres ist. Es findet in weissen Turnschuhen statt, mit blossen Knöcheln in überlangen Mänteln, Jogging-Dresses und Strickmützen. Seit Jahrzehnten wirft Isolde Schaad ihr Argusauge auf die akuten gesellschaftlichen Vorgänge, ihre eigene Generation eingeschlossen. Ein satirisches Auge, wenn die Bürogemeinschaft, die über vollen Aschenbechern den Journalismus revolutioniert, dann in die Falle der eigenen Fantasie tappt. In kaltem Licht erscheint der frühe Tod der Jahrhundertkünstlerin Sophie Taeuber-Arp, wenn ein lokales MeToo-Komitee ihn als Kriminalfall aufrollt. Ob nun eine ältere Dame am Grab der besten Freundin um die ausbleibenden Tränen bittet oder überm Ozean ein berühmter Grossschriftsteller den ersten Tag nach dem Schreiben begeht, immer erfrischt das Erzählen von Isolde Schaad mit maliziösem Humor und menschenfreundlicher Ironie. Und dazwischen funkt als Warnung vor der ausbleibenden Genderkorrektheit die allerneueste Auflage des Grossen Duden.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Paul Jandl empfiehlt Isolde Schaads Geschichten über letzte Dinge und die Kunst des Aufhörens. Als "Nummernrevue der Verluste" lesen sich die Erzählungen laut Jandl mal wie geballte Fäuste, mal wie zarte Fingerchen, ohne dass das zum Widerspruch führte. So in der dem Leben abgeschauten Geschichte über einen journalistischen Hochstapler aus der Schweiz, in einem Text über Sophie Taeuber-Arp, der Feminismus-Debatten wälzt, oder im Titelstück, einer elegischen Mutter-Tochter-Story, wie Jandl erklärt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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