Die Methode der systemischen Aufstellung - von Bert Hellinger ursprünglich für die Familientherapie angewendet - wird mittlerweile verstärkt auch in Unternehmen und Organisationen angewendet. Bei einer systemischen Aufstellung (auch Organisationsaufstellung genannt) versucht man, die Struktur einer Gruppe mittels Stellvertretern abzubilden. Dadurch erhält man Aufschluss über Spannungen, Krisenfelder oder Machtverteilung innerhalb dieser Gruppe - beispielsweise einer Abteilung oder Firma. Menschen, Teams und Unternehmen sind erfolgreich, wenn sie - ähnlich wie beim Fußball - "gut aufgestellt" sind, also an ihrem richtigen Platz stehen und entsprechend ihrer Leistung und Position anerkannt werden. Systemische Stimmigkeit erzeugt Synergie.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2001Bücher im Blick
HELMUT SAIGER (Hg.): Konturen der Wissensgesellschaft. Fakten, Konzepte, Strategien. Z_punkt, Essen 2001.
In der Debatte um den rasanten Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft geraten immer wieder Begriffe in den Blickpunkt, unter deren Dach unübersichtliche und unüberschaubare Wirklichkeiten Platz finden sollen. „New Economy”, „Lebenslanges Lernen”, „Globalisierung” sind nur einige Beispiele dafür. Doch viele Menschen packen ganz unterschiedliche Inhalte und Erfahrungen in diese Begriffe.
Die Essener Z_Punkt GmbH, ein Büro für Zukunftsgestaltung, hat den Begriff „Wissensgesellschaft” unter die Lupe genommen – ein Musterbeispiel unter diesen Gummiwörtern. Heraus gekommen ist ein erstklassiges Dossier, leider aber zum horrenden Preis von 250Mark. Dass die Publikation ein hoch aktuelles Thema aufgreift, steht indes außer Frage: In den nächsten drei Jahren werden weltweit mehr Informationen erzeugt als in den letzten 300000 Jahren zusammen; und die vorliegende SZ- Wochenendausgabe enthält mehr Informationen, „als ein Mensch des 17. Jahrhunderts vermutlich in seinem ganzen Leben aufgenommen hat”. Doch Informationen müssen, so die Autoren, „richtig erschlossen, verteilt und kommuniziert” werden. Erst dadurch entsteht Wissen, mit dem Menschen etwas anfangen und danach handeln können.
Doch wo gerinnen Informationen zu Wissen? An Millionen verschiedener Orte, besonders aber im World Wide Web. Menschen brauchen einen Zugang dazu, der ihnen jedoch vielfach verwehrt bleibt – ob in Afrika, das weniger Internetzugänge besitzt als Lettland, oder in Plattenbausiedlungen mit hoher Arbeitslosigkeit. Das Dossier beschreibt bewusst beide Seiten der Medaille: das Erfolgsgeheimnis des Wissensmanagements für die Unternehmen von morgen ebenso wie die digitale Kluft bei den Zugangsmöglichkeiten. Hier liegt der besondere Wert der Publikation: Analysen an den Bruchstellen des Übergangs in die Wissensgesellschaft – positiv wie negativ. Die neuen Workaholics unter den Arbeitskraftunternehmern finden ebenso Erwähnung wie die Vier-Tage-Arbeiter bei VW. Die Kernthese über letztere lautet übrigens: „Der Anteil der Erwerbsarbeit am Zeitbudget der wachen Lebenszeit wird auf weniger als zehn Prozent sinken.” Die Autoren sehen dabei immer den Menschen im Mittelpunkt des Geschehens: Persönliche Selbstentfaltung, Mitwirkung und Mitgestaltung auf allen Ebenen sind Ziele einer bürgerorientierten Wissensgesellschaft. Ein emanzipatorischer Ansatz: „Die Chance der Wissensgesellschaft”, so ihre Folgerung und ihr Aufruf, „liegt in einer Unternehmens- und Gesellschaftskultur, die ihre Handlungsbasis von ein paar tausend Organisationen und Abteilungen auf ein paar Millionen Bürger und Mitarbeiter ausdehnt.”
Peter Felixberger
KLAUS-PETER HORN, REGINE BRICK: Das verborgene Netzwerk der Macht. Systemische Aufstellung in Unternehmen und Organisationen. 234 Seiten. Gabal Verlag, Offenbach 2001.
Ein lebendes Tableau: Menschen, die fast beziehungslos im Raum stehen, in verschiedene Richtungen blicken und sich dabei alles andere als wohl fühlen. Das ist die Ausgangslage, wenn ein Unternehmer die Struktur seiner Firma verbessern will und sich dabei der so genannten „Systemischen Aufstellung” bedient. Die Kommunikationsstörung zwischen den Teilen des Systems – hier durch Stellvertreter repräsentiert – kann behoben werden: Die Stellvertreter gruppieren sich so lange um, bis jeder meint, am richtigen Platz zu stehen. Dieses Ergebnis ist nichts anderes als die Visualisierung der nötigen Änderungen im sozialen System. Werden die neuen Beziehungen auch im realen Unternehmen geknüpft – so die Grundannahme des ganzen Konzepts – ist seine Funktion gerettet.
Die Verfasser räumen ein, dass es noch keinem gelungen sei, zu erklären, wie die Systemische Aufstellung eigentlich wirkt. Da seien eben – irgendwie – die emotionale Intelligenz und die Tätigkeit der rechten Gehirnhälfte gefordert. Der Begründer der Methode, Bert Hellinger, sprach von „Tiefe”, „verborgener Ordnung” und „kollektivem Gedächtnis”. Wie er haben sich auch alle anderen im Buch genannten Vordenker des Verfahrens mit Soziologie, Gruppendynamik und Kommunikation beschäftigt.
Das Buch macht mit einer psychologischen Methode bekannt, die vielleicht eine Alternative bieten könnte zu harten Einschnitten in betriebliche Strukturen, zu Controlling und Schwarz-Weiß-Malerei. Trotz mancher Unklarheit im theoretischen Fundament besticht der zutiefst menschliche Ansatz dieser Vorgehensweise, die mal nicht aus den USA, sondern aus Deutschland stammt.
Denn die Systemische Aufstellung bezieht die „weiblichen” Fähigkeiten, die Soft Skills, mit in die Arbeitswelt ein – und rückt die Stellung der Mitarbeiter auf der Bedeutungsskala zurecht.
Anne Weber
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HELMUT SAIGER (Hg.): Konturen der Wissensgesellschaft. Fakten, Konzepte, Strategien. Z_punkt, Essen 2001.
In der Debatte um den rasanten Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft geraten immer wieder Begriffe in den Blickpunkt, unter deren Dach unübersichtliche und unüberschaubare Wirklichkeiten Platz finden sollen. „New Economy”, „Lebenslanges Lernen”, „Globalisierung” sind nur einige Beispiele dafür. Doch viele Menschen packen ganz unterschiedliche Inhalte und Erfahrungen in diese Begriffe.
Die Essener Z_Punkt GmbH, ein Büro für Zukunftsgestaltung, hat den Begriff „Wissensgesellschaft” unter die Lupe genommen – ein Musterbeispiel unter diesen Gummiwörtern. Heraus gekommen ist ein erstklassiges Dossier, leider aber zum horrenden Preis von 250Mark. Dass die Publikation ein hoch aktuelles Thema aufgreift, steht indes außer Frage: In den nächsten drei Jahren werden weltweit mehr Informationen erzeugt als in den letzten 300000 Jahren zusammen; und die vorliegende SZ- Wochenendausgabe enthält mehr Informationen, „als ein Mensch des 17. Jahrhunderts vermutlich in seinem ganzen Leben aufgenommen hat”. Doch Informationen müssen, so die Autoren, „richtig erschlossen, verteilt und kommuniziert” werden. Erst dadurch entsteht Wissen, mit dem Menschen etwas anfangen und danach handeln können.
Doch wo gerinnen Informationen zu Wissen? An Millionen verschiedener Orte, besonders aber im World Wide Web. Menschen brauchen einen Zugang dazu, der ihnen jedoch vielfach verwehrt bleibt – ob in Afrika, das weniger Internetzugänge besitzt als Lettland, oder in Plattenbausiedlungen mit hoher Arbeitslosigkeit. Das Dossier beschreibt bewusst beide Seiten der Medaille: das Erfolgsgeheimnis des Wissensmanagements für die Unternehmen von morgen ebenso wie die digitale Kluft bei den Zugangsmöglichkeiten. Hier liegt der besondere Wert der Publikation: Analysen an den Bruchstellen des Übergangs in die Wissensgesellschaft – positiv wie negativ. Die neuen Workaholics unter den Arbeitskraftunternehmern finden ebenso Erwähnung wie die Vier-Tage-Arbeiter bei VW. Die Kernthese über letztere lautet übrigens: „Der Anteil der Erwerbsarbeit am Zeitbudget der wachen Lebenszeit wird auf weniger als zehn Prozent sinken.” Die Autoren sehen dabei immer den Menschen im Mittelpunkt des Geschehens: Persönliche Selbstentfaltung, Mitwirkung und Mitgestaltung auf allen Ebenen sind Ziele einer bürgerorientierten Wissensgesellschaft. Ein emanzipatorischer Ansatz: „Die Chance der Wissensgesellschaft”, so ihre Folgerung und ihr Aufruf, „liegt in einer Unternehmens- und Gesellschaftskultur, die ihre Handlungsbasis von ein paar tausend Organisationen und Abteilungen auf ein paar Millionen Bürger und Mitarbeiter ausdehnt.”
Peter Felixberger
KLAUS-PETER HORN, REGINE BRICK: Das verborgene Netzwerk der Macht. Systemische Aufstellung in Unternehmen und Organisationen. 234 Seiten. Gabal Verlag, Offenbach 2001.
Ein lebendes Tableau: Menschen, die fast beziehungslos im Raum stehen, in verschiedene Richtungen blicken und sich dabei alles andere als wohl fühlen. Das ist die Ausgangslage, wenn ein Unternehmer die Struktur seiner Firma verbessern will und sich dabei der so genannten „Systemischen Aufstellung” bedient. Die Kommunikationsstörung zwischen den Teilen des Systems – hier durch Stellvertreter repräsentiert – kann behoben werden: Die Stellvertreter gruppieren sich so lange um, bis jeder meint, am richtigen Platz zu stehen. Dieses Ergebnis ist nichts anderes als die Visualisierung der nötigen Änderungen im sozialen System. Werden die neuen Beziehungen auch im realen Unternehmen geknüpft – so die Grundannahme des ganzen Konzepts – ist seine Funktion gerettet.
Die Verfasser räumen ein, dass es noch keinem gelungen sei, zu erklären, wie die Systemische Aufstellung eigentlich wirkt. Da seien eben – irgendwie – die emotionale Intelligenz und die Tätigkeit der rechten Gehirnhälfte gefordert. Der Begründer der Methode, Bert Hellinger, sprach von „Tiefe”, „verborgener Ordnung” und „kollektivem Gedächtnis”. Wie er haben sich auch alle anderen im Buch genannten Vordenker des Verfahrens mit Soziologie, Gruppendynamik und Kommunikation beschäftigt.
Das Buch macht mit einer psychologischen Methode bekannt, die vielleicht eine Alternative bieten könnte zu harten Einschnitten in betriebliche Strukturen, zu Controlling und Schwarz-Weiß-Malerei. Trotz mancher Unklarheit im theoretischen Fundament besticht der zutiefst menschliche Ansatz dieser Vorgehensweise, die mal nicht aus den USA, sondern aus Deutschland stammt.
Denn die Systemische Aufstellung bezieht die „weiblichen” Fähigkeiten, die Soft Skills, mit in die Arbeitswelt ein – und rückt die Stellung der Mitarbeiter auf der Bedeutungsskala zurecht.
Anne Weber
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