Ein Buch, bei dem ich vollkommen hin und her gerissen bin. Hin und her gerissen zwischen der Faszination der Geschichte und den für mich nervigen Stilelementen der Autorin.
Hauptkritikpunkt ist: Der Gebrauch des für die meisten Ohren grauenhaften rheinischen Dialektes in der wörtlichen Rede. Ist
dieser schon akustisch für das ungeübte Ohr schwer zu verstehen, wird es zur mühsamen…mehrEin Buch, bei dem ich vollkommen hin und her gerissen bin. Hin und her gerissen zwischen der Faszination der Geschichte und den für mich nervigen Stilelementen der Autorin.
Hauptkritikpunkt ist: Der Gebrauch des für die meisten Ohren grauenhaften rheinischen Dialektes in der wörtlichen Rede. Ist dieser schon akustisch für das ungeübte Ohr schwer zu verstehen, wird es zur mühsamen Buchstabiererei, soll man solchen auch noch lesen. Die teilweisen Übersetzungen in den Fußnoten machen es nicht unbedingt besser, stören sie doch ebenso sehr den Lesefluss.
In aller Regel mag ich viel wörtliche Rede in Erzählungen, da diese die Geschichte lebendiger gestalten. Hier jedoch war ich froh um jeden Satz, der ohne auskommt.
Zweiter großer Kritikpunkt sind die ausschweifenden und langatmigen Beschreibungen, in denen sich die Autorin gerne ergeht. So schafft sie es z.B. einmal über eine halbe Seite im Detail die Einrichtung eines Wohnzimmers zu beschreiben. Möglicherweise ist es ja das, was man Ulla Hahn als großes lyrisches Talent zuspricht. Vielleicht habe ich einfach keinen Sinn für Lyrik, aber auf mich wirken Ulla Hahns Ausschweifungen einfach wie ein krampfhafter Versuch, lyrisch zu sein, was aber in zähes Geschwafel abdriftet. Auch das macht das Lesen des Buches nicht unbedingt kurzweiliger.
Weiterhin hat mich gestört, dass öfter mal der Satzbau schlicht und ergreifend falsch ist. Und hier kann man das nicht mal auf den Übersetzer schieben. Oft genug werden hierdurch Ulla Hahns Aussagen missverständlich und man weiß nicht so genau, was sie eigentlich will. Ich habe die Stellen dann immer wieder gelesen, in der Hoffnung den Sinn doch noch zu erfassen, aber manche Sätze bleiben auch nach dem 5. Lesen einfach falsch.
Die Geschichte, die Ulla Hahn erzählt, hat mir sehr gut gefallen, wenngleich mich die teilweise doch überzogen dargestellte Glorifizierung der Protagonistin etwas abgestoßen hat – umso mehr, da der Roman ja stark autobiografisch geprägt sein soll.
Ähnlich wie in „Tannöd“ wird übertriebener Katholizismus aufs Korn genommen und die Identifikation und Rechtfertigung der angeblichen Gutmenschen durch ihren Glauben kritisiert. Auch hier wird gezeigt, dass Glauben und Ein-guter-Mensch-sein nicht gleichzusetzen ist mit blindem Glaubenseifer, Festhalten und stumpfen Ausführen an und von festgelegten Ritualen und der Verurteilung Andersdenkender. Christliche Nächstenliebe und Toleranz vom Feinsten....
Hillas Verständnis von Sexualität ist für uns aufgeklärte Menschen heute nicht mehr vorstellbar. Unglaublich, dass man früher junge Menschen so sich selbst überlassen hat. Hillas Naivität in dieser Frage ruft ein verwundertes Kopfschütteln hervor. Ich fragte mich andauernd, ob sie wohl irgendwann wissen wird, worum es geht?
Ausgesprochen gut gefallen hat mir, wie die Autorin den Kreis schließt: „Lommer jonn“. Das hätte aber für meinen Geschmack an rheinischem Dialekt vollkommen ausgereicht.
Noch ringe ich mit mir, ob ich den zweiten Teil der Geschichte „Aufbruch“ lesen soll. Einerseits interessiert mich schon, wie es mit Hilla weitergeht, aber ein zweites Mal möchte ich mir diesen Mix aus Möchtegern-Lyrik und Gruseldialekt eigentlich nicht antun. Mal sehen....
Fazit:
Das wäre ein durchaus empfehlenswertes Buch, würde sich Ulla Hahn einfach auf die durchaus erzählenswerte Geschichte beschränken, ihre lyrischen Ausschweifungen auf ein Minimum reduzieren und auf diesen unverständlichen Dialekt verzichten.