Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: sehr gut (1,0), Freie Universität Berlin (Philosophie und Geisteswissenschaften), Veranstaltung: Kurzformen der Prosa, Sprache: Deutsch, Abstract: Ludwig Tieck lässt seine Erzählrunde, gewissermaßen als Sprachrohr seiner selbst, in den Rahmengesprächen der Märchen aus dem "Phantasus" , noch bevor die von Clara ungeduldig erwarteten "Mährchen" (S. 7) erzählt werden, Aufschlussreiches mitteilen. Es heißt: Noch seltsamer, sagte Ernst, daß so wenige Menschen den wundervollen Schauer, die Beängstigung empfinden, oder sich gestehn, die in manchen Stunden die Natur unserem Herzen erregt. Nicht bloß auf den ausgestorbenen Höhen des Gotthard erregt sich unser Gemüth zum Grauen, [...] sondern selbst die schönste Gegend hat Gespenster, die durch unser Herz schreiten, sie kann so seltsame Ahndungen, so verwirrte Schatten durch unsre Phantasie jagen, daß wir ihr entfliehen, und uns in das Getümmel der Welt hinein retten möchten. Auf diese Weise entstehn nun wohl auch in unserm Innern Gedichte und Mährchen, indem wir die ungeheure Leere, das furchtbare Chaos, mit Gestalten bevölkern, und kunstmäßig den unerfreulichen Raum schmücken; diese Gebilde aber können dann freilich nicht den Charakter ihres Erzeugers verläugnen. In diesen Natur-Mährchen mischt sich das Liebliche mit dem Schrecklichen, das Seltsame mit dem Kindischen, und verwirrt unsre Phantasie bis zum poetischen Wahnsinn, um diesen selbst nur in unserm Innern zu lösen und frei zu machen. (S. 14f.) - Ein "Natur-Mährchen", indem sich "das Liebliche mit dem Schrecklichen" mischt und unsere Phantasie bis zum "poetischen Wahnsinn" verwirrt!? Zweifellos mutet diese "Mährchen"-Auffassung in erster Annäherung recht ungewöhnlich an; allerdings steuert sie zugleich bereits Wesentliches zu Tiecks Poetologie bei.
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