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Christine Lavant, die große österreichische Lyrikerin, ist als Prosaautorin neu zu entdecken. Ihre ganz unvergleichliche Erzählung »Das Wechselbälgchen« - jetzt wieder lieferbar. Zitha ist vom Schicksal geschlagen. Sie ist das uneheliche Kind einer Bauernmagd, geistig zurückgeblieben und körperlich entstellt. Die Leute im Dorf, die so katholisch wie abergläubisch befangen sind, haben für das traurige Schicksal des Mädchens eine einfache Erklärung: Böse Geister haben der unglücklichen Magd nach der Geburt das Kind geraubt und ihr stattdessen ein verhextes Mädchen untergeschoben. Einen…mehr

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Produktbeschreibung
Christine Lavant, die große österreichische Lyrikerin, ist als Prosaautorin neu zu entdecken. Ihre ganz unvergleichliche Erzählung »Das Wechselbälgchen« - jetzt wieder lieferbar. Zitha ist vom Schicksal geschlagen. Sie ist das uneheliche Kind einer Bauernmagd, geistig zurückgeblieben und körperlich entstellt. Die Leute im Dorf, die so katholisch wie abergläubisch befangen sind, haben für das traurige Schicksal des Mädchens eine einfache Erklärung: Böse Geister haben der unglücklichen Magd nach der Geburt das Kind geraubt und ihr stattdessen ein verhextes Mädchen untergeschoben. Einen Wechselbalg, wie er aus Sagen und Gespenstergeschichten der Alpengegenden bekannt ist. Er werde das ganze Dorf ins Unglück stürzen, heißt es. So nimmt der kollektive Wahn seinen Lauf, gegen den auch die Liebe der Mutter nichts auszurichten vermag. Schließlich wird dem Mädchen sogar nach dem Leben getrachtet. Christine Lavant beschreibt die Ausgrenzung einer Schwachen aus der dörflichen Gemeinschaft mit großer Eindringlichkeit. Die erst 1998 posthum veröffentlichte Erzählung steht auch für die Gefährdung unserer Zivilisation, die sich nicht zuletzt zu Lebzeiten Christine Lavants in der »Vernichtung unwerten Lebens« durch die Nationalsozialisten gezeigt hat. Nachdem »Das Wechselbälgchen« längere Zeit vergriffen war, erscheint die Erzählung nun erstmals im Wallstein Verlag, herausgegeben von Klaus Amann, der eine kommentierte Werkausgabe von Christine Lavant vorbereitet.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Christine Lavant (1915-1973), geb. in St. Stefan im Lavanttal (Kärnten) als neuntes Kind eines Bergmanns, war Lyrikerin und Erzählerin. Ihre Schulbildung musste sie aus gesundheitlichen Gründen früh abbrechen. Jahrzehntelang bestritt sie den Familienunterhalt als Strickerin. Sie erhielt u. a. den Georg-Trakl-Preis (1954 und 1964) und den Großen Österreichischen Staatspreis (1970). Klaus Amann, geb. 1949, studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Wien, ist Professor für Geschichte und Theorie des Literarischen Lebens und Leiter des Robert Musil-Instituts Klagenfurt. Er publizierte u.a. Bücher über Adalbert Stifter, Robert Musil und Ingeborg Bachmann und ist Mitherausgeber der kommentierten digitalen Gesamtausgabe von Robert Musil.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die unglückliche Editionsgeschichte dieses Textes hat laut Franz Haas nun ein Ende. Die vorliegende Ausgabe der Erzählung von Christine Lavant, jener lange verkannten, 1915 geborenen Autodidaktin aus dem Kärnter Lavanttal, funkelt für Haas dunkel vor sprachlicher Dichte und einer Geschichte, die den Rezensenten mitten ins Herz der Finsternis führt - in Mitteleuropa zu Beginn des 20. Jahrhunderts allerdings. So eigenwillig die Sprache, so konkret und historisch, meint Haas, sind die Umstände, unter denen die Bauernmagd Wrga in der Geschichte eine behinderte Tochter zur Welt bringt: Patriarchat, unvorstellbare Armut, Aberglauben, Nazi-Euthanasie. Alles auf 60 Seiten, die Haas wie ein ganzer großer Roman erscheinen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2013

Aufs Fensterbrett gelagert
Christine Lavants Erzählung "Das Wechselbälgchen"

Ein vor Jahren erschienenes Postkartenbuch zeigt die österreichische Schriftstellerin und Künstlerin Christine Lavant in verschiedenen Zusammenhängen. Man sieht die 1915 in Kärnten geborene Dichterin oft mit einem Kopftuch und tiefen Augenringen, die der mit ihr befreundete Künstler Werner Berg in einem Holzschnitt noch betonte, so dass Christine Lavant darauf fast so gespenstisch aussieht wie eine Figur von Edvard Munch.

Am eindruckvollsten aber ist eine Fotografie, auf der sie gar nicht zu sehen ist, sondern nur ihr Schlaf- und Arbeitsraum im Hause der Freundin, bei der sie immer wieder wohnte, wenn sie nicht gerade im Krankenheim war. Man sieht ihr mit einer Wolldecke überworfenes Bett, auf dem Nachttisch eine große Packung Zigaretten, Bücher und eine einstielige Blume - und im Vordergrund eine große Schale, in der Strickzeug liegt. Wenn man weiß, dass Christine Lavant ihren Lebensunterhalt mit Stricken zu verdienen versuchte, erhält die Strickarbeit im Zentrum des Bildes eine besondere Bedeutung. Und als sie dann mit Preisen gewürdigt wurde - unter anderem erhielt sie 1954 den Georg-Trakl-Preis und 1970 den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur -, war das Stricken Symbol fürs eiserne Ringen einer Autorin, die immer wieder vergessen zu werden droht.

Bei Suhrkamp konnte man Christine Lavant, geborene Thonhauser, 1987 mit Gedichten entdecken. Thomas Bernhard zeichnete als Herausgeber und schrieb: "Es ist das elementare Zeugnis eines von allen guten Geistern missbrauchten Menschen als große Dichtung, die in der Welt noch nicht so, wie sie es verdient, bekannt ist." Er meinte wohl die Armut, auch ein Leben mit Krankheiten, das die Autorin begleitete - Skrofeln, Lungentuberkulose, eine Mittelohrentzündung, wobei sie fast erblindete und ertaubte. Er muss aber auch die eigenwillige Sprache im Blick gehabt haben, Zeilen wie: "Während ich, Betrübte, schreibe, / funkelt in der Vollmondscheibe / jenes Wort, das ich betrachte, / seit die Taube mich verlachte, / weil ich aus dem Wasserspiegel / ohne Namen, ohne Siegel / in die Einschicht trat. / Wäre nicht die Saat / der Betrachtung groß geworden, / müßt ich Mond und Taube morden, / die mich ständig überlisten / und in meinem Schlafbaum nisten, / der davon verdorrt."

Inzwischen kümmert sich der Wallstein Verlag um den Nachlass der 1973 gestorbenen Autorin und startet mit einem ersten Band, der die Lyrikerin als kraftvolle Erzählerin entdecken lässt: "Das Wechselbälgchen" muss um 1945 entstanden sein, wurde erst 1997 im Archiv entdeckt und 1998 erstmals in einer heute vergriffenen Ausgabe publiziert. Jetzt gibt es eine kommentierte Neuausgabe jener archaischen, aus dem kargen Kärnten herausgemeißelten Parabel über das traurige Schicksal von Zitha, einem geistig zurückgebliebenen Mädchen, uneheliches Kind einer Bauernmagd, die im katholischen und abergläubischen Milieu nicht Fuß fassen kann.

Die Erzählung führt tief hinein ins abgeschottete Lavanttal, das im selbstgewählten Künstlernamen der Autorin anklingt. Als eines von neun Kindern wuchs Christine Lavant hier auf, der Sonne wegen oft aufs Fensterbrett gelagert, von wo sie alle Gespräche verfolgen konnte. Die Mutter war im Dorf eine Art "Beichtiger". Man lud alle Probleme bei ihr ab, und sie "verwandelte" alles mit einer "strahlenden, fast übermütigen Demut". Diese Erfahrung mag Christine Lavant dazu inspiriert haben, das ganz andere Schicksal der einäugigen Bauernmagd Wrga und ihres hinterm Ofen hausenden, abgeschobenen, schwachen Kindes literarisch zu formen.

Es schlägt einem dunkel entgegen wie eine uralte Sage, mit stark überzeichnetem Personal, dem Knecht "von den gläsernen Grenzbergen" aus dem slowenischen Teil Kärntens, der in fremder Sprache flucht und immer einen Abwehrspruch auf den Lippen hat, und der Magd, die hellauf lacht, bis man ihre "Schelchzähne" sehen kann. Lavant nutzt Dialekt ebenso wie fremd klingende Wörter, "Saukaschpel" für Schweinetrank oder die "Truta-Mora" für den weiblichen Druckgeist, der sich nachts auf die Brust der Schlafenden setzt und den Atem nimmt. Und so entsteht aus den Elementen eine magische, irrationale, dörfliche Kapsel mit eigenen gnadenlosen Gesetzen. Man kann die Erzählung, wie Klaus Amann im Nachwort schreibt, als "Parabel über die Besessenheit", die Vernichtung "unwerten Lebens" im Nationalsozialismus, lesen. Sie wirkt zeitlos und rauh, sehr direkt, stringent komponiert und entwickelt einen sonderbaren Sog.

ANJA HIRSCH.

Christine Lavant: "Das Wechselbälgchen".

Erzählung.

Hrsg. und mit einem Nachwort von Klaus Amann. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 104 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Mit großer Eindringlichkeit, direkt, rau und zeitlos beschreibt Christine Lavant die Ausgrenzung einer Schwachen aus der Dorfgemeinschaft.« (Österreichischer Rundfunk, 27.02.2016) »Lavant ist und bleibt eine Ausnahmedichterin.« (Gerhard Strejeck, Wiener Zeitung Extra, 02./03.07.2016)
»Kaum eine Erzählung hat den Ehrentitel anrührend so sehr verdient, wie diese. Nur wenige verstehen zu erzählen wie Lavant. (...) Diese so schlicht auftretende Erzählung ist alles andere als eben dies. Sie ist kunstvoll und vielschichtig.« (Rolf Löchel, literaturkritik.de, November 2012) »Dieser kleine Band macht Vorfreude auf die nächsten Ausgaben. Da ist womöglich eine große Dichterin zu entdecken.« (Lothar Struck, Glanz&Elend, 6.11.2012) »die erzählerische Kraft von Christine Lavant übt einen Sog aus, der in die Abgründe menschlicher Untiefen führt.« (Jürgen Heimlich, www.sandammeer.at, September 2012) »Mit großer Eindringlichkeit erzählt Lavant von Ausgrenzung (...)« (Marianne Fischer, Kleine Zeitung, 24.09.2012) »Christine Lavant (...) spürt Geschichten auf, die von archaischer Wucht sind und doch ganz gegenwärtig.« (Carola Wiemers, Deutschlandradio, 06.09.2012)