Bereits 1978 war man auf einen bisher unbekannten Roman von Marcel Proust aufmerksam geworden, der dann in einer Einzelausgabe („Der Gleichgültige“) veröffentlicht wurde. Nun hat man in Archiven eine Reihe von frühen Erzählungen entdeckt, die (bis auf eine Ausnahme) bisher noch keine
Veröffentlichung erfahren haben. Proust hatte sie stets unter Verschluss gehalten. In allen diesen Texten geht es…mehrBereits 1978 war man auf einen bisher unbekannten Roman von Marcel Proust aufmerksam geworden, der dann in einer Einzelausgabe („Der Gleichgültige“) veröffentlicht wurde. Nun hat man in Archiven eine Reihe von frühen Erzählungen entdeckt, die (bis auf eine Ausnahme) bisher noch keine Veröffentlichung erfahren haben. Proust hatte sie stets unter Verschluss gehalten. In allen diesen Texten geht es um Homosexualität. Vielleicht ein Grund, warum Proust sie geheim gehalten hat.
Die Titelgeschichte „Der geheimnisvolle Briefschreiber“ ist eine abgeschlossene Erzählung, in der es um unerwiderte Liebe und unterdrückte Schuldgefühle geht. Dabei entpuppt sich ein mysteriöser Verehrer als Verehrerin, sodass sich Geheimnis und Geständnis verkehren. Im Mittelpunkt von „Erinnerungen eines Hauptmanns“ (bereits 1952 veröffentlicht) steht die stumme Begegnung von einem Hauptmann mit einem Gefreiten. Die Zuneigung zwischen den beiden Männern wird nur angedeutet, aber nie offen ausgesprochen. Möglicherweise geht der Text aus persönlichen Erlebnissen Prousts während seines Militärdienstes hervor. Die Erzählung „Jacques Lefelde (Der Fremde)“ gibt ebenfalls Rätsel auf, und da sie unvollendet ist, bleibt es auch ungelöst. Der rhetorische, humoristische Dialog „In der Hölle“ und der kurze Text „Nach der 8. Symphonie von Beethoven“, in dem sich Melodien mit Bildern verbinden, vervollständigen den Erzählband.
Die sehr ansprechende Neuerscheinung (im Schuber) wird durch eine Einführung von Luc Fraisse (Professor an der Universität Straßburg) sowie ausführliche Angaben zu den Quellen ergänzt.
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Für die vollständige Lesung des Hörverlages konnte der deutsch-französische Schauspieler Cédric Cavatore gewonnen werden, dem es mit seiner Zweisprachigkeit gelingt, die intimen Texte und Träume hörbar zu machen. Unbedingt erwähnenswert ist das umfangreiche Booklet, in dem Luc Fraisse (Professor an der Universität Straßburg) eine Einführung in die Erzählungen Prousts und deren Verbindungen zu seinem späteren Hauptwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gibt.