Anfang des 19. Jahrhunderts galt ein Sturm noch als Strafgericht Gottes, und wer wissen wollte, wie das Wetter wird, hielt sich Frösche im Glas. Erst die unerschrockene Neugier aufgeklärter Geister vermochte es, die Dogmen des (Aber-)Glaubens hinter sich zu lassen und die Geheimnisse der Atmosphäre zu lüften. Eine Gruppe von Wissenschaftspionieren machte sich Anfang des 19. Jahrhunderts daran, Wolken zu klassifizieren, die Stärke des Windes zu beschreiben und im Heißluftballon eisige Höhen zu erforschen. Manch einer zahlte einen hohen Preis dafür - Existenzen wurden ruiniert, Reputationen zerstört, Konkurrenten aus dem Weg geräumt. Anschaulich und kenntnisreich erzählt Peter Moore die Geschichte von den stürmischen Anfängen der Wetterprognose.
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buecher-magazin.deSchlechtes Wetter kommt in der Regel aus England zu uns, daher scheint es nur fair, dass die Engländer seit dem frühen 19. Jahrhundert viel Mühe darauf verwendet haben, es zumindest zu erklären. Dieses faszinierende Kapitel der Wissenschaftsgeschichte ist in Moores "Wetter-Experiment", von den frühen Beobachtungen Beauforts bis zu ersten Vorhersageversuchen rund 100 Jahre später, facettenreich dargestellt. Dabei lernt man durchaus einiges über das Wetter und die Anfänge der modernen Meteorologie, fast spannender ist aber die Darstellung der Wissenschaftskultur dieser Epoche. Damals war Forschung häufig eine Freizeitaktivität gehobener Kreise, betrieben von Menschen, die nicht so recht in heutige Labore passen würden. Und so haben wagemutige Abenteurer, verschrobene Lords und sogar Künstler einen gewichtigen Anteil daran, dass es heute Vorhersagen gibt, über die wir uns ärgern können. Ihre Persönlichkeiten und Leidenschaften, Ideen, Irrtümer und Intrigen sind ein so wichtiger Teil von Moores Buch, dass das Wetter, wie so oft, in den Hintergrund tritt. Durch Moores plastische Sprache wird die Zeit für den Leser anschaulich. Die Vielzahl der Biografien und Exkurse ist ein wenig verwirrend, aber das schmälert das Vergnügen an der Lektüre nicht im Geringsten.
© BÜCHERmagazin, Jens Dannenberg
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Jennifer Stötzel begnügt sich im wesentlichen mit Nacherzählung des Gelesenen, resümiert auf kleinem Raum die Geschichte der tollkühnen Pioniere, die sich oft zum Gespött ihrer Mitwelt machten, weil sie die Idee hatten, das Wetter voraussagbar zu machen. Der Telegraf half ihnen bald dabei, dann wurden Korrespondentennetze aufgebaut und erste Wetterkarten gezeichnet - alles im 19. Jahrhundert. Das Buch schildert Stötzel als sehr instruktiv, manchmal in den Biografien zu ausführlich - und allerdings ausschließlich auf den britischen Beitrag zur Disziplin fokussiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2016Als die Wetterkundler ins Königreich der Daten aufbrachen
Sturmforscher, Ballonfahrer und Regenmacher: Peter Moore erzählt die turbulente Geschichte der Meteorologie, die sich im neunzehnten Jahrhundert an die Prognostik des Wetters herantastet.
Der Mann, der den Wolken ihre Namen gab, konnte kaum glauben, wie nachlässig die Royal Society war, wenn es um das Wetter ging. Luke Howard hatte ein System zur Benennung der Wolken entworfen, mit dem Meteorologen bis heute arbeiten. In seiner Studie "The Climate of London" (1818) kritisierte er die von der britischen Gelehrtengesellschaft erhobenen Daten als so mangelhaft, dass er riet, "die entsprechenden Aufzeichnungen gleich ganz aus ihren Berichten zu streichen". John Daniell, Chemiker und Wetterforscher, knüpfte 1823 daran an, rügte die völlig unprofessionelle Handhabung der Messgeräte, wunderte sich über verdächtig gleichförmige Angaben zur Windstärke, die in 669 von 730 Fällen denselben Wert aufwiesen, und lästerte, dass sich Ablesezeiten danach richteten, "wann der Beobachter eine Mütze Schlaf nehmen will".
Peter Moores Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Wetterkunde folgt deren Entwicklung im neunzehnten Jahrhundert auf vielen Ebenen, von der Beschreibung des Wetters und seiner Sichtbarmachung durch Karten und Wolkenbilder, über den technologischen Wandel, der das Sammeln und Übermitteln von Wetterdaten revolutionierte, bis zur Vernetzung der Forscher. Der britische Sachbuchautor beweist dabei gutes Gespür für starke Quellenzitate, bringt den Lesern in einfühlsamen Porträts Akteure nahe, hat mit abenteuerlichen Ballonfahrten und großspurig versprochener Regenmacherei auch Stoffe wie für einen Wissenschaftsroman im Geiste Daniel Kehlmanns zur Hand.
Mit "Cirrus", "Cumulus" und "Stratus" (Schleier-, Haufen- und Schichtwolken) bezeichnete Howard drei Grundformen der Wolken. Wie er den Himmel durch Namen ordnete, so malte John Constable diesen in seinen Landschaftsbildern und Wolkenskizzen auf eine Weise, die künstlerischen und wissenschaftlichen Anspruch verband. Als er in einer Windmühle seines Vaters arbeitete, hatte Constable den Wind einzuschätzen gelernt und wurde so laut Moore "ganz von selbst zu einem Wetterbeobachter".
Grundlegende Erkenntnisse (und heftigen Streit) über Stürme trugen die Amerikaner William Redfield und James Espy zur international vernetzten Meteorologie bei. Redfield erkannte die Wirbelstruktur von Stürmen wie Hurrikanen und fand Zustimmung in England. Espy dagegen sah aufsteigende Luft im Zentrum als wesentlichen Faktor und zog französische Forscher auf seine Seite. Der Wunsch, das Wetter zu verstehen, setzte sich bei Espy fort im Versuch, es zu verändern. Er brannte fünf Hektar Wald in Virginia nieder, um Regen zu erzeugen, aber ohne Erfolg. Als Sturmforscher jedoch lagen die Rivalen beide in Teilen richtig, sie hätten nur ihre Ansätze verknüpfen müssen.
Zum empirischen, theoretischen und institutionellen Fortschritt der Wetterforschung kamen innovative Darstellungsformen meteorologischer Daten hinzu. Bei der Analyse von Stürmen hielt Elias Loomis, Professor für Mathematik und Naturkunde in Ohio, die Wetterlage im Abstand von je zwölf Stunden auf farblich codierten Karten fest. Gelingen konnte diese visuelle Revolution nur, weil er mit Wetterbeobachtern zusammenarbeitete, aus deren Daten sich der Wetterverlauf weiträumig rekonstruieren ließ. Martialisch rief er dazu auf, "mit dem Guerillakrieg" der Einzelforschung aufzuhören und stattdessen "zu einem gemeinsamen meteorologischen Kreuzzug aufzubrechen".
Die von Loomis beschworene Vernetzung war eine Frage technischer Möglichkeiten. Die Technikgeschichte der Meteorologie umfasst für Moore daher nicht nur die Erfindung und Verbesserung von Messgeräten, sondern auch die Beschleunigung der Kommunikation, die mit der Eisenbahn begann und durch den Telegraphen einen spektakulären Schub erhielt. So wertete das Königliche Observatorium in Greenwich etwa Wetterberichte aus, die täglich per Zug von fünfzig Bahnhöfen kamen. Als bei der Londoner Weltausstellung von 1851 die erste tagesaktuelle Wetterkarte Großbritanniens zu sehen war, trafen die Daten dafür per Telegraph ein.
Im August 1854 wurde Robert FitzRoy der Leiter der neuen Meteorologischen Abteilung der britischen Handelsbehörde. Er war der Kapitän der "Beagle" auf der fünfjährigen Expedition mit Charles Darwin gewesen, hatte später im Parlament gesessen und für zwei Jahre glücklos als Gouverneur von Neuseeland amtiert. Seine Abteilung, außer ihm bloß zwei Schreiber und ein Zeichner, sollte Windkarten erstellen, um die Fahrtzeiten von Schiffen zu verkürzen. Aber FitzRoy erläuterte Kapitänen auch in einer praktischen Broschüre, wie sie durch Instrumente und Kenntnis der Zeichen des Wetters auf dessen weiteren Verlauf schließen konnten.
Nachdem der Untergang der "Royal Charter" bei einer Sturmkatastrophe im Oktober 1859 mehr als vierhundertfünfzig Opfer gefordert hatte, konnte FitzRoy die Handelsbehörde vom Bedarf für ein Warnsystem überzeugen. Weithin sichtbar wurden Kegel und Tonnen gehisst, um Stürme und deren erwartete Richtung anzukündigen. Da ihm das Sammeln und Auswerten der Wetterdaten nun im großen Maßstab die Einschätzung des kommenden Wetters ermöglichte, meldete FitzRoy bald auch Prognosen an Zeitungen. Nicht nur Seeleute wollen schließlich wissen, wie das Wetter wird.
Und dann stiegen Wetterforscher gar in den Himmel auf. James Glaisher vom Greenwicher Observatorium unternahm mit dem Ballonfahrer Henry Coxwell eine Reihe von Luftreisen zur Erforschung der Atmosphäre und wurde einer der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit, über den die Presse begeistert berichtete. Espy zog in Amerika mit seinen Vortragsreisen und Regenversprechen ebenso die Aufmerksamkeit der Zeitungen auf sich - und ihren Spott, genau wie Glaisher und FitzRoy oft vom Satireblatt "Punch" veralbert wurden. Auch das erfährt man aus Moores Buch: Der Meteorologe als Medienphänomen ist eine Figur mit langer historischer Tradition.
THORSTEN GRÄBE.
Peter Moore: "Das Wetter-Experiment". Von Himmelsbeobachtern und den Pionieren der Meteorologie.
Aus dem Englischen von Michael Hein. Mareverlag, Hamburg 2016. 560 S., Abb., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sturmforscher, Ballonfahrer und Regenmacher: Peter Moore erzählt die turbulente Geschichte der Meteorologie, die sich im neunzehnten Jahrhundert an die Prognostik des Wetters herantastet.
Der Mann, der den Wolken ihre Namen gab, konnte kaum glauben, wie nachlässig die Royal Society war, wenn es um das Wetter ging. Luke Howard hatte ein System zur Benennung der Wolken entworfen, mit dem Meteorologen bis heute arbeiten. In seiner Studie "The Climate of London" (1818) kritisierte er die von der britischen Gelehrtengesellschaft erhobenen Daten als so mangelhaft, dass er riet, "die entsprechenden Aufzeichnungen gleich ganz aus ihren Berichten zu streichen". John Daniell, Chemiker und Wetterforscher, knüpfte 1823 daran an, rügte die völlig unprofessionelle Handhabung der Messgeräte, wunderte sich über verdächtig gleichförmige Angaben zur Windstärke, die in 669 von 730 Fällen denselben Wert aufwiesen, und lästerte, dass sich Ablesezeiten danach richteten, "wann der Beobachter eine Mütze Schlaf nehmen will".
Peter Moores Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Wetterkunde folgt deren Entwicklung im neunzehnten Jahrhundert auf vielen Ebenen, von der Beschreibung des Wetters und seiner Sichtbarmachung durch Karten und Wolkenbilder, über den technologischen Wandel, der das Sammeln und Übermitteln von Wetterdaten revolutionierte, bis zur Vernetzung der Forscher. Der britische Sachbuchautor beweist dabei gutes Gespür für starke Quellenzitate, bringt den Lesern in einfühlsamen Porträts Akteure nahe, hat mit abenteuerlichen Ballonfahrten und großspurig versprochener Regenmacherei auch Stoffe wie für einen Wissenschaftsroman im Geiste Daniel Kehlmanns zur Hand.
Mit "Cirrus", "Cumulus" und "Stratus" (Schleier-, Haufen- und Schichtwolken) bezeichnete Howard drei Grundformen der Wolken. Wie er den Himmel durch Namen ordnete, so malte John Constable diesen in seinen Landschaftsbildern und Wolkenskizzen auf eine Weise, die künstlerischen und wissenschaftlichen Anspruch verband. Als er in einer Windmühle seines Vaters arbeitete, hatte Constable den Wind einzuschätzen gelernt und wurde so laut Moore "ganz von selbst zu einem Wetterbeobachter".
Grundlegende Erkenntnisse (und heftigen Streit) über Stürme trugen die Amerikaner William Redfield und James Espy zur international vernetzten Meteorologie bei. Redfield erkannte die Wirbelstruktur von Stürmen wie Hurrikanen und fand Zustimmung in England. Espy dagegen sah aufsteigende Luft im Zentrum als wesentlichen Faktor und zog französische Forscher auf seine Seite. Der Wunsch, das Wetter zu verstehen, setzte sich bei Espy fort im Versuch, es zu verändern. Er brannte fünf Hektar Wald in Virginia nieder, um Regen zu erzeugen, aber ohne Erfolg. Als Sturmforscher jedoch lagen die Rivalen beide in Teilen richtig, sie hätten nur ihre Ansätze verknüpfen müssen.
Zum empirischen, theoretischen und institutionellen Fortschritt der Wetterforschung kamen innovative Darstellungsformen meteorologischer Daten hinzu. Bei der Analyse von Stürmen hielt Elias Loomis, Professor für Mathematik und Naturkunde in Ohio, die Wetterlage im Abstand von je zwölf Stunden auf farblich codierten Karten fest. Gelingen konnte diese visuelle Revolution nur, weil er mit Wetterbeobachtern zusammenarbeitete, aus deren Daten sich der Wetterverlauf weiträumig rekonstruieren ließ. Martialisch rief er dazu auf, "mit dem Guerillakrieg" der Einzelforschung aufzuhören und stattdessen "zu einem gemeinsamen meteorologischen Kreuzzug aufzubrechen".
Die von Loomis beschworene Vernetzung war eine Frage technischer Möglichkeiten. Die Technikgeschichte der Meteorologie umfasst für Moore daher nicht nur die Erfindung und Verbesserung von Messgeräten, sondern auch die Beschleunigung der Kommunikation, die mit der Eisenbahn begann und durch den Telegraphen einen spektakulären Schub erhielt. So wertete das Königliche Observatorium in Greenwich etwa Wetterberichte aus, die täglich per Zug von fünfzig Bahnhöfen kamen. Als bei der Londoner Weltausstellung von 1851 die erste tagesaktuelle Wetterkarte Großbritanniens zu sehen war, trafen die Daten dafür per Telegraph ein.
Im August 1854 wurde Robert FitzRoy der Leiter der neuen Meteorologischen Abteilung der britischen Handelsbehörde. Er war der Kapitän der "Beagle" auf der fünfjährigen Expedition mit Charles Darwin gewesen, hatte später im Parlament gesessen und für zwei Jahre glücklos als Gouverneur von Neuseeland amtiert. Seine Abteilung, außer ihm bloß zwei Schreiber und ein Zeichner, sollte Windkarten erstellen, um die Fahrtzeiten von Schiffen zu verkürzen. Aber FitzRoy erläuterte Kapitänen auch in einer praktischen Broschüre, wie sie durch Instrumente und Kenntnis der Zeichen des Wetters auf dessen weiteren Verlauf schließen konnten.
Nachdem der Untergang der "Royal Charter" bei einer Sturmkatastrophe im Oktober 1859 mehr als vierhundertfünfzig Opfer gefordert hatte, konnte FitzRoy die Handelsbehörde vom Bedarf für ein Warnsystem überzeugen. Weithin sichtbar wurden Kegel und Tonnen gehisst, um Stürme und deren erwartete Richtung anzukündigen. Da ihm das Sammeln und Auswerten der Wetterdaten nun im großen Maßstab die Einschätzung des kommenden Wetters ermöglichte, meldete FitzRoy bald auch Prognosen an Zeitungen. Nicht nur Seeleute wollen schließlich wissen, wie das Wetter wird.
Und dann stiegen Wetterforscher gar in den Himmel auf. James Glaisher vom Greenwicher Observatorium unternahm mit dem Ballonfahrer Henry Coxwell eine Reihe von Luftreisen zur Erforschung der Atmosphäre und wurde einer der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit, über den die Presse begeistert berichtete. Espy zog in Amerika mit seinen Vortragsreisen und Regenversprechen ebenso die Aufmerksamkeit der Zeitungen auf sich - und ihren Spott, genau wie Glaisher und FitzRoy oft vom Satireblatt "Punch" veralbert wurden. Auch das erfährt man aus Moores Buch: Der Meteorologe als Medienphänomen ist eine Figur mit langer historischer Tradition.
THORSTEN GRÄBE.
Peter Moore: "Das Wetter-Experiment". Von Himmelsbeobachtern und den Pionieren der Meteorologie.
Aus dem Englischen von Michael Hein. Mareverlag, Hamburg 2016. 560 S., Abb., geb., 26,- [Euro].
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