„Diese Erinnerungen sollten Pflichtlektüre sein.“ (Daniel Kehlmann) – Ein bewegendes Dokument von Ernst Lothar, Autor des internationalen Erfolgs „Der Engel mit der Posaune“.
„Der Tag, an dem Österreich-Ungarn unterging, traf mich ins Herz … etwas Unersetzliches war gestorben.“ Ernst Lothar war ein Kind des Habsburgerreiches und blieb es bis zu seinem Ende. In der Ersten Österreichischen Republik machte er sich einen Namen als Theaterkritiker, und bis zu seiner Emigration leitete er gemeinsam mit Max Reinhardt das Theater in der Josefstadt. Nach Kriegsende kehrte er als Entnazifizierungsoffizier zurück und übernahm trotz Anfeindungen führende Positionen am Burgtheater und bei den von ihm mitbegründeten Salzburger Festspielen. „Es ist schwer möglich, diesen genialen kindlichen Menschen nicht ins Herz zu schließen“, schreibt Daniel Kehlmann in seinem Nachwort zu "Das Wunder des Überlebens": „Diese Erinnerungen sollten Pflichtlektüre sein.“
„Der Tag, an dem Österreich-Ungarn unterging, traf mich ins Herz … etwas Unersetzliches war gestorben.“ Ernst Lothar war ein Kind des Habsburgerreiches und blieb es bis zu seinem Ende. In der Ersten Österreichischen Republik machte er sich einen Namen als Theaterkritiker, und bis zu seiner Emigration leitete er gemeinsam mit Max Reinhardt das Theater in der Josefstadt. Nach Kriegsende kehrte er als Entnazifizierungsoffizier zurück und übernahm trotz Anfeindungen führende Positionen am Burgtheater und bei den von ihm mitbegründeten Salzburger Festspielen. „Es ist schwer möglich, diesen genialen kindlichen Menschen nicht ins Herz zu schließen“, schreibt Daniel Kehlmann in seinem Nachwort zu "Das Wunder des Überlebens": „Diese Erinnerungen sollten Pflichtlektüre sein.“
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2020An die Salzach muss gepilgert werden
Gründlicher Erzähler und Geburtshelfer der Salzburger Festspiele: Ernst Lothars Erinnerungen
Wenn die Salzburger Festspiele in diesem Sommer ihr hundertjähriges Bestehen begehen, wird dabei vor allem der drei berühmten Gründungsväter Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss gedacht werden. Aber es gibt noch einige weniger bekannte Helfer für die Erfolgsgeschichte dieses Festivals. Zu ihnen gehört der Schriftsteller und Regisseur Ernst Lothar. Er arbeitete als Beamter die rechtlichen Grundlagen für die Salzburger Festspiele aus, die er sich als international ausstrahlendes "Zentrum angestrebter Vollkommenheit" vorstellte, ermöglicht durch die "Konzentrierung der bedeutendsten künstlerischen Anreger", weshalb die Reise an die Salzach wie "eine Pilgerfahrt" sein sollte.
Ernst Lothar wurde 1890 als Ernst Müller in Brünn als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren. Unwillig studierte er auf Wunsch des Vaters in Wien Jura, schrieb dort jedoch lieber im Kaffeehaus an seinem ersten Roman. Ab 1910 änderte er seinen Familiennamen in Lothar, um sich von seinem Bruder Hans, ebenfalls Schriftsteller, abzugrenzen. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg, dann Staatsanwalt, ehe er sich mit Mitte dreißig als "Hofrat" pensionieren ließ und sich ganz den Künsten widmete. Er wurde Theaterkritiker - sein Großonkel war der einflussreiche Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick - und entwickelte in seinen Artikeln eine Kompetenz, die man zwar "widerwillig", aber letztlich aufmerksam billigte.
Nach einer Kritik eines Stücks von Franz Grillparzer schlug ihm Hugo von Hofmannsthal vor, selbst Regisseur zu werden. Das war Lothar auch bald als Gast am Burgtheater vergönnt, dessen Ensemble ihn bereits zuvor gebeten hatte, die Direktion des Hauses zu übernehmen, was allerdings an politischen Ränken scheiterte - obwohl er den Regie-Star Max Reinhardt für zwei bis drei Inszenierungen pro Saison mitbringen wollte. Das Verhältnis der beiden war von hoher Wertschätzung geprägt. Auf Vorschlag Reinhardts wurde Lothar Nachfolger für das Wiener Theater in der Josefstadt und leitete das Haus von 1935 bis 1938 finanziell wie künstlerisch höchst erfolgreich. Reinhardt traf er in Amerika wieder, wohin beide, ihrer jüdischen Herkunft wegen, vor den Nationalsozialisten exiliert waren. Am 30. November 1943 hielt er die Gedächtnisrede bei der Trauerfeier für Max Reinhardt in der New Yorker Carnegie Hall.
Bis dahin war es ein schwieriger Weg gewesen. Ernst Lothar, der überzeugte Österreicher, hatte seine Heimat verloren, seine Muttersprache und wegen Krankheiten zwei Kinder. Davon erzählt er in seinen 1960 veröffentlichten Erinnerungen, die nun noch einmal erschienen sind. In den Vereinigten Staaten musste Lothar sich eine Reputation von null an aufbauen. Mit Raoul Auernheimer hatte er in New York ein "Austrian Theatre" gegründet, das sich indes nicht lange halten konnte. Statt am Theater verdiente er sein Geld danach auf Vortragsreisen und als Dozent am Colorado College sowie mit seinen im Exil verfassten Romanen, die in den Vereinigten Staaten ein großes Lesepublikum fanden. Als "lebenslänglicher Europäer" sehnte er sich stets nach Österreich, ungeachtet der befürchteten Probleme: "Übrigens kehre ich nicht zu Leuten zurück, sondern zu einer Landschaft, die ich zum Leben brauche."
1946 kommt Lothar als amerikanischer Offizier im Dienst der Siegermacht Amerika zurück in seine Heimat, um dort für die Entnazifizierung im kulturellen Sektor zu sorgen. Zwar fühlt er sich endlich zu Hause, doch täuscht er sich nicht darüber, dass er als Emigrant wenig wohlgelitten ist: Den Amerikanern ist er zu nachsichtig, den Österreichern zu streng. Sie wollen nicht an ihre Schuld erinnert werden, lieber "unter sich bleiben" und ihr "angegriffenes Gewissen schonen".
Fast zerrissen zwischen den verschiedenen Anforderungen gibt er die amerikanische Staatsbürgerschaft schließlich auf und wird wieder Österreicher, obwohl er sieht, dass der Antisemitismus nach wie vor sämtliche Gesellschaftsschichten durchdringt. Er arbeitet abermals als Regisseur und ist maßgeblich an der Wiederbelebung der Salzburger Festspiele beteiligt, zu deren Direktorium er zeitweise gehört.
Ernst Lothar ist ein gründlicher und geduldiger Erzähler, der die Dinge von allen Seiten zu betrachten versteht. Wie ein guter Regisseur, der sich in die Tiefenstrukturen eines Theaterstücks versenkt, urteilt er erst, nachdem er sich ausführlich mit der Alltagswirklichkeit in den Vereinigten Staaten oder im Nachkriegsösterreich beschäftigt hat. Beim Neustart versucht er etwa zu vergessen, wie sich frühere Kollegen und Mitarbeiter während seiner Emigration verhalten haben: "Keiner hat das bisschen Mut gehabt, dir eine Zeile zu schreiben oder die Botschaft zu schicken, wir denken an dich, wie geht es dir. Nicht einer." Etliche Seiten danach korrigiert er sich und lobt ausgerechnet die Schauspielerin Paula Wessely, die wegen ihres Mitwirkens in dem nationalsozialistischen Propagandafilm "Heimkehr" 1945 einige Monate mit Auftrittsverbot belegt war: "Sie war die Einzige gewesen, es kam uns jetzt in Erinnerung, als sie plötzlich dastand; ,wir leben davon', hatte sie Adrienne nach Paris geschrieben, ,was Reinhardt und Ihr uns hinterlassen habt!'" Ob bei Herbert von Karajan, Werner Krauß oder bei belasteten Mitgliedern der Wiener Philharmoniker, überall wird Lothar mit den ästhetisch-ethischen Folgen und Verwerfungen der NS-Zeit konfrontiert. An seinem idealisierten Österreich-Bild ändert das nichts, denn es verdankt sich weniger der schnöden Realität als der Kunst Franz Grillparzers, Hugo von Hofmannsthals und Arthur Schnitzlers, den Wasserspielen im Schlossgarten von Hellbrunn und dem "Blick auf die Festung Hohensalzburg" als "Sieg Mozarts über die Kerker".
Ernst Lothar verstarb 1974 in Wien. Es ist entschieden an der Zeit, ihn wieder zu lesen oder sich seine grandiose Inszenierung von Schnitzlers "Das weite Land" (1959) anzusehen, die zum Glück als DVD in der Edition Burgtheater erhältlich ist.
IRENE BAZINGER.
Ernst Lothar: "Das Wunder des Überlebens". Erinnerungen.
Mit einem Nachwort von Daniel Kehlmann. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2020. 384 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gründlicher Erzähler und Geburtshelfer der Salzburger Festspiele: Ernst Lothars Erinnerungen
Wenn die Salzburger Festspiele in diesem Sommer ihr hundertjähriges Bestehen begehen, wird dabei vor allem der drei berühmten Gründungsväter Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss gedacht werden. Aber es gibt noch einige weniger bekannte Helfer für die Erfolgsgeschichte dieses Festivals. Zu ihnen gehört der Schriftsteller und Regisseur Ernst Lothar. Er arbeitete als Beamter die rechtlichen Grundlagen für die Salzburger Festspiele aus, die er sich als international ausstrahlendes "Zentrum angestrebter Vollkommenheit" vorstellte, ermöglicht durch die "Konzentrierung der bedeutendsten künstlerischen Anreger", weshalb die Reise an die Salzach wie "eine Pilgerfahrt" sein sollte.
Ernst Lothar wurde 1890 als Ernst Müller in Brünn als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren. Unwillig studierte er auf Wunsch des Vaters in Wien Jura, schrieb dort jedoch lieber im Kaffeehaus an seinem ersten Roman. Ab 1910 änderte er seinen Familiennamen in Lothar, um sich von seinem Bruder Hans, ebenfalls Schriftsteller, abzugrenzen. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg, dann Staatsanwalt, ehe er sich mit Mitte dreißig als "Hofrat" pensionieren ließ und sich ganz den Künsten widmete. Er wurde Theaterkritiker - sein Großonkel war der einflussreiche Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick - und entwickelte in seinen Artikeln eine Kompetenz, die man zwar "widerwillig", aber letztlich aufmerksam billigte.
Nach einer Kritik eines Stücks von Franz Grillparzer schlug ihm Hugo von Hofmannsthal vor, selbst Regisseur zu werden. Das war Lothar auch bald als Gast am Burgtheater vergönnt, dessen Ensemble ihn bereits zuvor gebeten hatte, die Direktion des Hauses zu übernehmen, was allerdings an politischen Ränken scheiterte - obwohl er den Regie-Star Max Reinhardt für zwei bis drei Inszenierungen pro Saison mitbringen wollte. Das Verhältnis der beiden war von hoher Wertschätzung geprägt. Auf Vorschlag Reinhardts wurde Lothar Nachfolger für das Wiener Theater in der Josefstadt und leitete das Haus von 1935 bis 1938 finanziell wie künstlerisch höchst erfolgreich. Reinhardt traf er in Amerika wieder, wohin beide, ihrer jüdischen Herkunft wegen, vor den Nationalsozialisten exiliert waren. Am 30. November 1943 hielt er die Gedächtnisrede bei der Trauerfeier für Max Reinhardt in der New Yorker Carnegie Hall.
Bis dahin war es ein schwieriger Weg gewesen. Ernst Lothar, der überzeugte Österreicher, hatte seine Heimat verloren, seine Muttersprache und wegen Krankheiten zwei Kinder. Davon erzählt er in seinen 1960 veröffentlichten Erinnerungen, die nun noch einmal erschienen sind. In den Vereinigten Staaten musste Lothar sich eine Reputation von null an aufbauen. Mit Raoul Auernheimer hatte er in New York ein "Austrian Theatre" gegründet, das sich indes nicht lange halten konnte. Statt am Theater verdiente er sein Geld danach auf Vortragsreisen und als Dozent am Colorado College sowie mit seinen im Exil verfassten Romanen, die in den Vereinigten Staaten ein großes Lesepublikum fanden. Als "lebenslänglicher Europäer" sehnte er sich stets nach Österreich, ungeachtet der befürchteten Probleme: "Übrigens kehre ich nicht zu Leuten zurück, sondern zu einer Landschaft, die ich zum Leben brauche."
1946 kommt Lothar als amerikanischer Offizier im Dienst der Siegermacht Amerika zurück in seine Heimat, um dort für die Entnazifizierung im kulturellen Sektor zu sorgen. Zwar fühlt er sich endlich zu Hause, doch täuscht er sich nicht darüber, dass er als Emigrant wenig wohlgelitten ist: Den Amerikanern ist er zu nachsichtig, den Österreichern zu streng. Sie wollen nicht an ihre Schuld erinnert werden, lieber "unter sich bleiben" und ihr "angegriffenes Gewissen schonen".
Fast zerrissen zwischen den verschiedenen Anforderungen gibt er die amerikanische Staatsbürgerschaft schließlich auf und wird wieder Österreicher, obwohl er sieht, dass der Antisemitismus nach wie vor sämtliche Gesellschaftsschichten durchdringt. Er arbeitet abermals als Regisseur und ist maßgeblich an der Wiederbelebung der Salzburger Festspiele beteiligt, zu deren Direktorium er zeitweise gehört.
Ernst Lothar ist ein gründlicher und geduldiger Erzähler, der die Dinge von allen Seiten zu betrachten versteht. Wie ein guter Regisseur, der sich in die Tiefenstrukturen eines Theaterstücks versenkt, urteilt er erst, nachdem er sich ausführlich mit der Alltagswirklichkeit in den Vereinigten Staaten oder im Nachkriegsösterreich beschäftigt hat. Beim Neustart versucht er etwa zu vergessen, wie sich frühere Kollegen und Mitarbeiter während seiner Emigration verhalten haben: "Keiner hat das bisschen Mut gehabt, dir eine Zeile zu schreiben oder die Botschaft zu schicken, wir denken an dich, wie geht es dir. Nicht einer." Etliche Seiten danach korrigiert er sich und lobt ausgerechnet die Schauspielerin Paula Wessely, die wegen ihres Mitwirkens in dem nationalsozialistischen Propagandafilm "Heimkehr" 1945 einige Monate mit Auftrittsverbot belegt war: "Sie war die Einzige gewesen, es kam uns jetzt in Erinnerung, als sie plötzlich dastand; ,wir leben davon', hatte sie Adrienne nach Paris geschrieben, ,was Reinhardt und Ihr uns hinterlassen habt!'" Ob bei Herbert von Karajan, Werner Krauß oder bei belasteten Mitgliedern der Wiener Philharmoniker, überall wird Lothar mit den ästhetisch-ethischen Folgen und Verwerfungen der NS-Zeit konfrontiert. An seinem idealisierten Österreich-Bild ändert das nichts, denn es verdankt sich weniger der schnöden Realität als der Kunst Franz Grillparzers, Hugo von Hofmannsthals und Arthur Schnitzlers, den Wasserspielen im Schlossgarten von Hellbrunn und dem "Blick auf die Festung Hohensalzburg" als "Sieg Mozarts über die Kerker".
Ernst Lothar verstarb 1974 in Wien. Es ist entschieden an der Zeit, ihn wieder zu lesen oder sich seine grandiose Inszenierung von Schnitzlers "Das weite Land" (1959) anzusehen, die zum Glück als DVD in der Edition Burgtheater erhältlich ist.
IRENE BAZINGER.
Ernst Lothar: "Das Wunder des Überlebens". Erinnerungen.
Mit einem Nachwort von Daniel Kehlmann. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2020. 384 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2020Die besten Seiten des Sommers
Alles verloren,
Welt gewonnen
In der Wiener Berggasse fragte nach dem Untergang Österreich-Ungarns ein junger Mann, 1890 in Brünn geboren, den berühmtesten Österreicher, wie man ohne das Land leben könne, für das man gelebt habe. Dr. Freud sprach von Kindern, die nach dem Tod der Mutter, der „Heimat, die man hat“, doch weitermachen, und sagte, dass er selbst mit dem Torso des untergegangenen Gebildes weiterleben werde und sich „einbilden, dass es das Ganze sei“. Der junge Mann, Ernst Lothar, hat dann die Wiener Internationale Messe ins Leben gerufen, gemeinsam mit Hofmannsthal und Reinhardt die Salzburger Festspiele begründet, war Kritiker, Schriftsteller, Theaterregisseur. Nach dem „Anschluss“ musste er fliehen, was um ein Haar missglückt wäre. Im Alter von 49 Jahren emigrierte er in die USA, baute sich dort ein neues Leben auf, wurde amerikanischer Staatsbürger und ging nach dem Zweiten Weltkrieg doch wieder nach Österreich zurück. Seine Erinnerungen sind erstmals 1960 erschienen, ein Jahrhundertbuch wie Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern“. Grandios ist es zu lesen, wie dieser österreichische Patriot sich in Amerika verliebte. Ernst Lothars Patriotismus hat nichts Enges, Keifendes, er ist vielmehr etwas ganz Seltenes: freigiebig, verschwenderisch, offenherzig.
JENS BISKY
Ernst Lothar:
Das Wunder des
Überlebens.
Erinnerungen.
Zsolnay Verlag, Wien
2020. 384 Seiten,
25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Alles verloren,
Welt gewonnen
In der Wiener Berggasse fragte nach dem Untergang Österreich-Ungarns ein junger Mann, 1890 in Brünn geboren, den berühmtesten Österreicher, wie man ohne das Land leben könne, für das man gelebt habe. Dr. Freud sprach von Kindern, die nach dem Tod der Mutter, der „Heimat, die man hat“, doch weitermachen, und sagte, dass er selbst mit dem Torso des untergegangenen Gebildes weiterleben werde und sich „einbilden, dass es das Ganze sei“. Der junge Mann, Ernst Lothar, hat dann die Wiener Internationale Messe ins Leben gerufen, gemeinsam mit Hofmannsthal und Reinhardt die Salzburger Festspiele begründet, war Kritiker, Schriftsteller, Theaterregisseur. Nach dem „Anschluss“ musste er fliehen, was um ein Haar missglückt wäre. Im Alter von 49 Jahren emigrierte er in die USA, baute sich dort ein neues Leben auf, wurde amerikanischer Staatsbürger und ging nach dem Zweiten Weltkrieg doch wieder nach Österreich zurück. Seine Erinnerungen sind erstmals 1960 erschienen, ein Jahrhundertbuch wie Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern“. Grandios ist es zu lesen, wie dieser österreichische Patriot sich in Amerika verliebte. Ernst Lothars Patriotismus hat nichts Enges, Keifendes, er ist vielmehr etwas ganz Seltenes: freigiebig, verschwenderisch, offenherzig.
JENS BISKY
Ernst Lothar:
Das Wunder des
Überlebens.
Erinnerungen.
Zsolnay Verlag, Wien
2020. 384 Seiten,
25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Lothars Erinnerungen sind ein fesselndes, eindringlich formuliertes Zeitdokument mit Einblicken in die österreichische Historie, den Kulturbetrieb und das Leben im Exil. Nicht zuletzt aber spricht die einnehmende Persönlichkeit des Autors aus der Lektüre und macht sie ungemein berührend." Orpheus, Karin Coper, Mai/Juni 2021
"Die Sprache Ernst Lothars ist bisweilen überschwänglich. Aber nur selten wirkt das Pathos hohl, vielmehr genießt man die vielen bildkräftigen und pointierten Formulierungen. 'Das Wunder des Überlebens', erstmals erschienen 1960, liest sich heute als bedeutendes Stück Kulturgeschichte Österreichs und der Emigration." Wolfgang Schneider, Tagesspiegel, 02.11.20
"Ein Jahrhundertbuch wie Stefan Zweigs 'Die Welt von Gestern'." Jens Bisky, Süddeutsche Zeitung, 18.07.20
"Lothars Autobiographie erlaubt nun aber noch einen ganz anderen Zugang zu seinem interessanten literarischen Werk. ... Sie liefert auch, gerade in ihren Brüchen, einen Beitrag zu der seit einiger Zeit verdächtigerweise verbreiteten Heimatdebatte." Jan Koneffke, Deutschlandfunk Büchermarkt, 05.07.20
"Ernst Lothar ist ein gründlicher und geduldiger Erzähler. ... Es ist entschieden an der Zeit, ihn wieder zu lesen." Irene Bazinger, FAZ, 27.05.20
"Eine Rückschau auf sein bemerkenswertes Leben als Theaterleiter, Regisseur, Romancier, Kritiker und Privatmann. ... Zugleich ist es neben dem Privaten eine Kulturgeschichte des Vor- und Nachkriegswien" Günther Haller, Die Presse, 31.07.20
"An vielen Sätzen dieses Buches wird deutlich, wie Nachdenken über Kunst und Theater sogar in den Grauen des 20. Jahrhunderts tröstende Erkenntnis bringen kann." Salzburger Nachrichten, 18.07.20
"Eine Kulturgeschichte Wiens der Vor- und Nachkriegszeit, aber auch ein ergreifend geschriebener Emigrations- und Rückkehrroman." Andrea Roedig, Deutschlandfunk Kultur, 23.04.20
"In seinem einfühlsamen Nachwort hat Daniel Kehlmann diese Erinnerungen zur 'Pflichtlektüre' erhoben. Da kann man ihm gerne beipflichten." Walter Klier, Wiener Zeitung, 25.04.20
"Die Schilderungen der Abgründe des Exils, des Neubeginns als Niemand in der Großstadt New York sind beeindruckend. Die Erzählung der Flucht aus Wien in die Schweiz ist von höchster Spannung." Wolfgang Straub, Ö1, 26.04.20
"Die Sprache Ernst Lothars ist bisweilen überschwänglich. Aber nur selten wirkt das Pathos hohl, vielmehr genießt man die vielen bildkräftigen und pointierten Formulierungen. 'Das Wunder des Überlebens', erstmals erschienen 1960, liest sich heute als bedeutendes Stück Kulturgeschichte Österreichs und der Emigration." Wolfgang Schneider, Tagesspiegel, 02.11.20
"Ein Jahrhundertbuch wie Stefan Zweigs 'Die Welt von Gestern'." Jens Bisky, Süddeutsche Zeitung, 18.07.20
"Lothars Autobiographie erlaubt nun aber noch einen ganz anderen Zugang zu seinem interessanten literarischen Werk. ... Sie liefert auch, gerade in ihren Brüchen, einen Beitrag zu der seit einiger Zeit verdächtigerweise verbreiteten Heimatdebatte." Jan Koneffke, Deutschlandfunk Büchermarkt, 05.07.20
"Ernst Lothar ist ein gründlicher und geduldiger Erzähler. ... Es ist entschieden an der Zeit, ihn wieder zu lesen." Irene Bazinger, FAZ, 27.05.20
"Eine Rückschau auf sein bemerkenswertes Leben als Theaterleiter, Regisseur, Romancier, Kritiker und Privatmann. ... Zugleich ist es neben dem Privaten eine Kulturgeschichte des Vor- und Nachkriegswien" Günther Haller, Die Presse, 31.07.20
"An vielen Sätzen dieses Buches wird deutlich, wie Nachdenken über Kunst und Theater sogar in den Grauen des 20. Jahrhunderts tröstende Erkenntnis bringen kann." Salzburger Nachrichten, 18.07.20
"Eine Kulturgeschichte Wiens der Vor- und Nachkriegszeit, aber auch ein ergreifend geschriebener Emigrations- und Rückkehrroman." Andrea Roedig, Deutschlandfunk Kultur, 23.04.20
"In seinem einfühlsamen Nachwort hat Daniel Kehlmann diese Erinnerungen zur 'Pflichtlektüre' erhoben. Da kann man ihm gerne beipflichten." Walter Klier, Wiener Zeitung, 25.04.20
"Die Schilderungen der Abgründe des Exils, des Neubeginns als Niemand in der Großstadt New York sind beeindruckend. Die Erzählung der Flucht aus Wien in die Schweiz ist von höchster Spannung." Wolfgang Straub, Ö1, 26.04.20