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Die DDR-(N)ostalgie der Ostdeutschen ist seit der Wiedervereinigung immer wieder Gegenstand des öffentlichen-medialen und wissenschaftlichen Diskurses. Die vorliegende Arbeit will durch Analysen des Niveaus, der Determinanten, der Entwicklung und der politischen Korrelate dieses Phänomens einen empirisch fundierten Beitrag zu der bisher stark normativ geprägten Debatte leisten. Insgesamt betrachtet lässt sich Zeitraum 1990 bis 2004 ein beachtliches bis hohes Maß an positiven Retrospektivbewertungen der DDR durch die Ostdeutschen nachweisen. Das Niveau von DDR-Nostalgie differiert allerdings in…mehr

Produktbeschreibung
Die DDR-(N)ostalgie der Ostdeutschen ist seit der Wiedervereinigung immer wieder Gegenstand des öffentlichen-medialen und wissenschaftlichen Diskurses. Die vorliegende Arbeit will durch Analysen des Niveaus, der Determinanten, der Entwicklung und der politischen Korrelate dieses Phänomens einen empirisch fundierten Beitrag zu der bisher stark normativ geprägten Debatte leisten. Insgesamt betrachtet lässt sich Zeitraum 1990 bis 2004 ein beachtliches bis hohes Maß an positiven Retrospektivbewertungen der DDR durch die Ostdeutschen nachweisen. Das Niveau von DDR-Nostalgie differiert allerdings in Bezug auf die jeweils betrachtete Dimension der positiven Orientierungen der neuen Bundesbürger gegenüber der ehemaligen DDR. Die Analyse der politischen Konnotationen zeigt, dass in der zeitlichen Perspektive alles in allem keine generelle Depolitisierung der positiven Orientierungen der Ostdeutschen gegenüber der ehemaligen DDR ermittelt werden kann. Im Hinblick auf den Stand der inneren Einheit und das politisch-kulturelle Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland zeigt sich, dass der Einigungsprozess und der Prozess der demokratischen Konsolidierung Ostdeutschlands als langfristige Projekte betrachtet werden müssen, die noch lange nicht abgeschlossen sind.

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Autorenporträt
Katja Neller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2008

Die Zurückgebliebenen
Erscheinungsformen und Ursachen von DDR-Nostalgie

Im Westen unseres Landes sind mehr Menschen von DDR-Totalnostalgie befallen als im Osten. Insgesamt 14 Prozent der befragten Westdeutschen möchten ihre "Brüder und Schwestern" lieber wieder hinter dem "antifaschistischen Schutzwall" wegsperren, während sich nur 8 Prozent der befragten ehemaligen DDR-Bürger mit einem solchen Ansinnen anfreunden könnten. Dem entspricht auch die in Ostdeutschland festgestellte Antipathie gegen alle hauptverantwortlichen SED-Führer. Das Politbüro will niemand wiederhaben, den ehemaligen DDR-Autoritäten weinen nur ganz wenige eine Träne nach.

Gleichwohl gibt es, wie Katja Nellers Studie über Erscheinungsformen und Ursachen von DDR-Nostalgie belegt, bedenkliche Phänomene von Rückfallsucht nach undemokratischen Verhältnissen. So lehnten nur 39 Prozent der befragten Ostdeutschen die Aussage ab, eine Diktatur sei unter Umständen die bessere Staatsform, während 68 Prozent der Westdeutschen einem solchen Gedanken nicht folgen mochten. Zu berücksichtigen ist freilich bei diesem Ergebnis, dass die "Vereinigungsverlierer" aus der früheren SED-Oberschicht bis heute noch immer als starrsinniges Milieu von DDR-Reaktionären meinungsbildenden Einfluss haben. Dafür nutzen sie ihren politischen Arm in der PDS/Linken, die ewiggestrigem Gedankengut einen festen Platz im ohnehin linksdrehenden öffentlich-rechtlichen Medienkarussell sichern konnte. Niemand rückt ihnen dort kernseifig zu Leibe, wenn sie mit diktaturbeschönigenden Reden in Talk- und Ostshows ihre DDR-Welterfahrung zum Maß aller Dinge erheben.

So kann es denn nicht wundern, dass bei Ostdeutschen, die sich besonders stark dem DDR-nostalgischen Milieu verhaftet fühlen, ein überdurchschnittlich hoher Konsum der öffentlich-rechtlichen DDR-Nostalgieshows des MDR und des früheren ORB festgestellt wurde. Diese Sender sorgten nach der Jahrtausendwende für einen sprunghaften Anstieg der ostdeutschen Sehnsüchte nach der heimeligen Honecker-Zeit. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) entspricht dieser Geisteshaltung in einigen Radiosendungen inzwischen derart, dass ausländische Radiohörer schon anfragten, welch bedeutende Partei denn die Berliner WASG sei, über deren Parteitag so ausführlich im Nachrichtenprogramm berichtet wurde wie weiland zu DDR-Zeiten über die SED. Ganz zu schweigen davon, dass sich der RBB inzwischen mindestens so antiamerikanisch aufführt wie zu DDR-Zeiten Radio Berlin International. Kaum zu glauben, dass aus dem West-Berliner Erbe in diese Rundfunkanstalt eine Institution überführt wurde, die früher einmal Sender Freies Berlin (SFB) hieß.

Während das öffentlich-rechtlich bestärkte ostdeutsche Fundamentalistenmilieu zwar gerne an allem und jedem herummäkelt, was der Westen zu bieten hat, möchte andererseits kaum jemand den seit 1989 hinzugewonnenen Wohlstand missen. Das westliche Wirtschaftssystem beurteilen die meisten Ostdeutschen positiver als ihre frühere Planwirtschaft. Trotzdem meinen 38 Prozent der befragten Ostdeutschen, die DDR habe mehr positive als negative Seiten gehabt. Man könnte das vielleicht im Sinne der altdeutschen Mentalitätsbestände noch als hoffnungslosen Idealismus in eine nationalgeschichtliche Traditionslinie einbinden, wenn diese Haltungen nicht so stark mit "der Abgrenzung von den Westdeutschen" und einer unklaren Haltung zu Gesamtdeutschland verbunden wäre, wie Katja Neller dies ermittelt hat. Doch sie fand andererseits auch heraus, dass die Zahl der hartgesottenen Demokratiegegner in Ostdeutschland unbedeutend ist. Es besteht also Grund zum Optimismus.

1963, achtzehn Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des Nationalsozialismus, stand die alte Bundesrepublik auch nicht auf annähernd festem Grund wie die Zivilgesellschaften in den Königreichen Großbritannien oder Schweden. Etwa ein Fünftel der damals befragten Westbürger sah im Nationalsozialismus noch immer eine gute Idee, die nur schlecht umgesetzt worden sei. Weit mehr, nämlich ein Drittel, der befragten Ostbürger denken heute noch so über den Realsozialismus.

Die mit zahlreichen soziologischen Schaubildern untermalten Befunde weisen auf ernste Gesinnungsdefizite in den Gebieten jenseits der Elbe hin. Das zweite Wirtschaftswunder ist dort noch nicht vollbracht. Mit mehr Demokratie wollen sich die materiell noch zurückgebliebenen ehemaligen DDR-Bewohner aber nicht abspeisen lassen. Sie haben sich 1990 für das westliche Modell entschieden und für die seinerzeit versprochenen blühenden Landschaften. In vielen Gebieten sind diese Ankündigungen schon zur Realität geworden, in anderen Gegenden aber auch nicht. Den Zurückgebliebenen muss weiter geholfen werden. Wenn dies gelingt, erledigen sich die rückwärtsgewandten Ressentiments von selbst. Kritisch bleibt zu den zahlreichen von Katja Neller aufbereiteten und ausgewerteten Meinungsumfragen anzumerken, dass die Fragebatterien im Ost-Einsatz all jene mobilen Ex-DDR-Menschen nicht erreichen konnten, die ihren mürrischen Landsleuten seit 1990 den Rücken gekehrt haben, um im Westen ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Immerhin rund 1,2 Millionen Ostdeutsche gehören dieser Go-West-Population an, deren Meinungen die vorliegenden Umfragewerte vermutlich deutlich zum Besseren gewendet hätten.

JOCHEN STAADT

Katja Neller: DDR-Nostalgie. Dimensionen der Orientierungen der Ostdeutschen gegenüber der ehemaligen DDR, ihre Ursachen und politischen Konnotationen. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007. 375 S., 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Vorsichtig schaut sich Jochen Staadt die von Katja Neller zusammengestellten und ausgewerteten statistischen Erhebungen an: der ostalgische Fundamentalismus flößt ihm durchaus Angst ein. Für Staadt weisen Nellers "soziologische Schaubilder" und Befunde hin auf "ernste Gesinnungsdefizite" im Osten. Wie gut, meint er, dass es da noch die stark demokratisch orientierte "Go-West-Population" der 1,2 Millionen ehemaligen Ostdeutschlandbewohner gibt. Die kommt in Nellers Studie und damit in den Umfragewerten nämlich nicht vor.

© Perlentaucher Medien GmbH