In Deceit on the Road to War, John M. Schuessler examines how U.S. presidents have deceived the American public about fundamental decisions of war and peace. Deception has been deliberate, he suggests, as presidents have sought to shift blame for war onto others in some cases and oversell its benefits in others. Such deceit is a natural outgrowth of the democratic process, in Schuessler's view, because elected leaders have powerful incentives to maximize domestic support for war and retain considerable ability to manipulate domestic audiences. They can exploit information and propaganda advantages to frame issues in misleading ways, cherry-pick supporting evidence, suppress damaging revelations, and otherwise skew the public debate to their benefit. These tactics are particularly effective before the outbreak of war, when the information gap between leaders and the public is greatest.
When resorting to deception, leaders take a calculated risk that the outcome of war will be favorable, expecting the public to adopt a forgiving attitude after victory is secured. The three cases featured in the book-Franklin Roosevelt and World War II, Lyndon Johnson and the Vietnam War, and George W. Bush and the Iraq War-test these claims. Schuessler concludes that democracies are not as constrained in their ability to go to war as we might believe and that deception cannot be ruled out in all cases as contrary to the national interest.
When resorting to deception, leaders take a calculated risk that the outcome of war will be favorable, expecting the public to adopt a forgiving attitude after victory is secured. The three cases featured in the book-Franklin Roosevelt and World War II, Lyndon Johnson and the Vietnam War, and George W. Bush and the Iraq War-test these claims. Schuessler concludes that democracies are not as constrained in their ability to go to war as we might believe and that deception cannot be ruled out in all cases as contrary to the national interest.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2016Mit Omas Nachthemd im Weißen Haus
Wie amerikanische Präsidenten sich vor Kriegen hin und wieder des Mittels der Täuschung bedienten
John M. Schuessler, Associate Professor für Strategie am Air War College der amerikanischen Luftwaffe in Montgomery, Alabama, will uns auf der Basis vorhandener Darstellungen zeigen, wie sehr Präsidenten der Vereinigten Staaten zum Mittel der Täuschung (deceit) greifen, wenn sie die Nation in einen Krieg führen wollen - in der erklärten Absicht, diesen Krieg auch zu gewinnen. Das ist aus seiner Sicht nicht grundsätzlich zu verurteilen. Man muss nur unterscheiden zwischen einer "guten" Täuschung, die am Ende zum Erfolg führt, und einer "schlechten" Täuschung, die das Gegenteil bewirkt. Das ist grundsätzlich keine besonders aufregende Erkenntnis, die auch nicht aufregender wird durch die von Schuessler eher willkürlich gewählten Beispiele F. D. Roosevelt, Lyndon B. Johnson und George W. Bush.
Mindestens zwei könnte man noch hinzufügen: Woodrow Wilson und Harry S. Truman. Wilson gewann die Wahl 1916 als Friedenspräsident mit dem Slogan: "Ich habe euch aus dem Krieg rausgehalten." Ein Jahr später war man im Krieg, der gewonnen wurde: eine "gute" Täuschung. Truman reagierte auf den Überfall des kommunistischen Nordkoreas auf den Süden mit einer "Polizeiaktion". Es gab keine Kriegserklärung, aber am Ende 35 000 tote amerikanische Soldaten: eine "schlechte" Täuschung.
Kommen wir zu F. D. Roosevelt. Lange vor dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor im Dezember 1941 war Roosevelt entschlossen, gegen Japan und das nationalsozialistische Deutschland vorzugehen. Gleichzeitig war er sich angesichts der weitverbreiteten Antikriegsstimmung im eigenen Land bewusst, dass er ohne ein "Pearl Harbor" keine Mehrheit für eine Kriegserklärung bekommen würde. Eher zurückhaltend übernimmt Schuessler die These, dass Roosevelts "unerklärter Krieg" im Atlantik gegen Deutschland und das Ölembargo gegen Japan dazu dienten, einen Zwischenfall zu provozieren, der den Kriegseintritt rechtfertigte. Roosevelt war demnach im Sommer 1941 für den Krieg und agierte entsprechend, während er sich bis zur Wahl im November 1940 öffentlich gegen einen Kriegseintritt ausgesprochen hatte und als Friedenspräsident gewählt worden war. Aber da lebenswichtige Interessen Washingtons auf dem Spiel standen und der Krieg ja bekanntlich gewonnen wurde, gehört Roosevelts Politik in die Kategorie der "guten" Täuschung auf "höchstem Niveau".
Bei Lyndon B. Johnson war das anders. Für ihn war Südvietnam - genauso wie für seinen Vorgänger John F. Kennedy - der erste Stein einer langen Dominoreihe. Würde dieser Stein fallen, würden auch die übrigen Staaten Südostasiens kommunistisch werden. Es hieß sogar, die Freiheit San Franciscos werde in Saigon verteidigt. Der Nationale Sicherheitsrat formulierte das im März 1964 so: "Ein Sieg der Kommunisten würde dem Ansehen der USA in der ganzen Welt Schaden zufügen. Der Konflikt ist ein Testfall dafür, wie die USA mit einem kommunistischen ,Befreiungskrieg' umgehen werden. Die gesamte US-Außenpolitik ist betroffen."
Die Täuschung bestand darin, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass den Vereinigten Staaten die Schritte zur "Amerikanisierung" des Krieges von den Kommunisten aufgezwungen wurden, dass das nun folgende Engagement in Vietnam keine grundlegende Änderung der Politik bedeutete - und dass ein Sieg in greifbarer Nähe war. Das begann mit der Tonking-Resolution als Reaktion auf angebliche nordvietnamesische Angriffe auf amerikanische Schiffe in der Bucht von Tonking Anfang August 1964. Johnson wurde daraufhin vom Kongress ermächtigt, alle notwendigen Maßnahmen einschließlich bewaffneter Gewalt zu treffen, um jeden Angriff gegen die Vereinigten Staaten zurückzuschlagen und weitere Aggressionen zu verhindern. Johnson meinte später, diese Resolution sei "wie Omas Nachthemd - sie deckt alles ab". Sie diente zur Rechtfertigung des amerikanischen Krieges in Vietnam, mit allem, was dazugehörte. Von nun an wurden für jede weitere amerikanische Eskalation die Kommunisten verantwortlich gemacht. Johnson scheiterte - es war eine "schlechte" Täuschung: Der Krieg ging genauso verloren wie das Vertrauen in den Präsidenten. Schuessler liefert auf 30 Seiten eine kurze Geschichte des Vietnam-Krieges - ohne wirklich Neues mitzuteilen.
Bleibt George W. Bush, der beim Irak-Krieg offensichtlich übertrieb ("overselling"). Das war dann die "ganz schlechte" Täuschung. Wo es keine Argumente für diesen Krieg gab, erfand man welche. Die konstruierte Verknüpfung von 9/11 und dem Irak war ein in der Öffentlichkeit "gut zu verkaufendes Argument" - so der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz. Die Kriegstreiber um Bush stellten Iraks Diktator Saddam Hussein in den Mittelpunkt des Weltterrorismus und behaupteten, er würde bald über Massenvernichtungswaffen verfügen. Bei Bush kam die Wildwestmentalität seiner Heimat Texas mit dem missionarischen Geist eines "neugeborenen" evangelischen Christen zusammen. Der Krieg gegen den Irak wurde aus seiner Sicht zum Schutz des amerikanischen Volkes und zur Beseitigung des Bösen geführt. Das Ergebnis ist bekannt.
Schuessler ist erstaunlich zurückhaltend bei der Beurteilung von Bush. Er verweist auf offizielle Untersuchungen, die den Präsidenten weitgehend freigesprochen haben. Bush habe die Bedrohung übertrieben, weil er den fehlerhaften Erkenntnissen der Geheimdienste zu sehr vertraut habe. Der Irak-Krieg sei demnach nicht das Ergebnis von Manipulation an der Spitze, sondern müsse dem Versagen der Geheimdienste angelastet werden. Vielleicht ist diese Wertung dem Dienstgeber des Associate Professors geschuldet.
ROLF STEININGER
John M. Schuessler: Deceit on the Road to War. Presidents, Politics, and American Democracy. Cornell University Press, Ithaca and London 2015. 176 S., 20,88 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie amerikanische Präsidenten sich vor Kriegen hin und wieder des Mittels der Täuschung bedienten
John M. Schuessler, Associate Professor für Strategie am Air War College der amerikanischen Luftwaffe in Montgomery, Alabama, will uns auf der Basis vorhandener Darstellungen zeigen, wie sehr Präsidenten der Vereinigten Staaten zum Mittel der Täuschung (deceit) greifen, wenn sie die Nation in einen Krieg führen wollen - in der erklärten Absicht, diesen Krieg auch zu gewinnen. Das ist aus seiner Sicht nicht grundsätzlich zu verurteilen. Man muss nur unterscheiden zwischen einer "guten" Täuschung, die am Ende zum Erfolg führt, und einer "schlechten" Täuschung, die das Gegenteil bewirkt. Das ist grundsätzlich keine besonders aufregende Erkenntnis, die auch nicht aufregender wird durch die von Schuessler eher willkürlich gewählten Beispiele F. D. Roosevelt, Lyndon B. Johnson und George W. Bush.
Mindestens zwei könnte man noch hinzufügen: Woodrow Wilson und Harry S. Truman. Wilson gewann die Wahl 1916 als Friedenspräsident mit dem Slogan: "Ich habe euch aus dem Krieg rausgehalten." Ein Jahr später war man im Krieg, der gewonnen wurde: eine "gute" Täuschung. Truman reagierte auf den Überfall des kommunistischen Nordkoreas auf den Süden mit einer "Polizeiaktion". Es gab keine Kriegserklärung, aber am Ende 35 000 tote amerikanische Soldaten: eine "schlechte" Täuschung.
Kommen wir zu F. D. Roosevelt. Lange vor dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor im Dezember 1941 war Roosevelt entschlossen, gegen Japan und das nationalsozialistische Deutschland vorzugehen. Gleichzeitig war er sich angesichts der weitverbreiteten Antikriegsstimmung im eigenen Land bewusst, dass er ohne ein "Pearl Harbor" keine Mehrheit für eine Kriegserklärung bekommen würde. Eher zurückhaltend übernimmt Schuessler die These, dass Roosevelts "unerklärter Krieg" im Atlantik gegen Deutschland und das Ölembargo gegen Japan dazu dienten, einen Zwischenfall zu provozieren, der den Kriegseintritt rechtfertigte. Roosevelt war demnach im Sommer 1941 für den Krieg und agierte entsprechend, während er sich bis zur Wahl im November 1940 öffentlich gegen einen Kriegseintritt ausgesprochen hatte und als Friedenspräsident gewählt worden war. Aber da lebenswichtige Interessen Washingtons auf dem Spiel standen und der Krieg ja bekanntlich gewonnen wurde, gehört Roosevelts Politik in die Kategorie der "guten" Täuschung auf "höchstem Niveau".
Bei Lyndon B. Johnson war das anders. Für ihn war Südvietnam - genauso wie für seinen Vorgänger John F. Kennedy - der erste Stein einer langen Dominoreihe. Würde dieser Stein fallen, würden auch die übrigen Staaten Südostasiens kommunistisch werden. Es hieß sogar, die Freiheit San Franciscos werde in Saigon verteidigt. Der Nationale Sicherheitsrat formulierte das im März 1964 so: "Ein Sieg der Kommunisten würde dem Ansehen der USA in der ganzen Welt Schaden zufügen. Der Konflikt ist ein Testfall dafür, wie die USA mit einem kommunistischen ,Befreiungskrieg' umgehen werden. Die gesamte US-Außenpolitik ist betroffen."
Die Täuschung bestand darin, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass den Vereinigten Staaten die Schritte zur "Amerikanisierung" des Krieges von den Kommunisten aufgezwungen wurden, dass das nun folgende Engagement in Vietnam keine grundlegende Änderung der Politik bedeutete - und dass ein Sieg in greifbarer Nähe war. Das begann mit der Tonking-Resolution als Reaktion auf angebliche nordvietnamesische Angriffe auf amerikanische Schiffe in der Bucht von Tonking Anfang August 1964. Johnson wurde daraufhin vom Kongress ermächtigt, alle notwendigen Maßnahmen einschließlich bewaffneter Gewalt zu treffen, um jeden Angriff gegen die Vereinigten Staaten zurückzuschlagen und weitere Aggressionen zu verhindern. Johnson meinte später, diese Resolution sei "wie Omas Nachthemd - sie deckt alles ab". Sie diente zur Rechtfertigung des amerikanischen Krieges in Vietnam, mit allem, was dazugehörte. Von nun an wurden für jede weitere amerikanische Eskalation die Kommunisten verantwortlich gemacht. Johnson scheiterte - es war eine "schlechte" Täuschung: Der Krieg ging genauso verloren wie das Vertrauen in den Präsidenten. Schuessler liefert auf 30 Seiten eine kurze Geschichte des Vietnam-Krieges - ohne wirklich Neues mitzuteilen.
Bleibt George W. Bush, der beim Irak-Krieg offensichtlich übertrieb ("overselling"). Das war dann die "ganz schlechte" Täuschung. Wo es keine Argumente für diesen Krieg gab, erfand man welche. Die konstruierte Verknüpfung von 9/11 und dem Irak war ein in der Öffentlichkeit "gut zu verkaufendes Argument" - so der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz. Die Kriegstreiber um Bush stellten Iraks Diktator Saddam Hussein in den Mittelpunkt des Weltterrorismus und behaupteten, er würde bald über Massenvernichtungswaffen verfügen. Bei Bush kam die Wildwestmentalität seiner Heimat Texas mit dem missionarischen Geist eines "neugeborenen" evangelischen Christen zusammen. Der Krieg gegen den Irak wurde aus seiner Sicht zum Schutz des amerikanischen Volkes und zur Beseitigung des Bösen geführt. Das Ergebnis ist bekannt.
Schuessler ist erstaunlich zurückhaltend bei der Beurteilung von Bush. Er verweist auf offizielle Untersuchungen, die den Präsidenten weitgehend freigesprochen haben. Bush habe die Bedrohung übertrieben, weil er den fehlerhaften Erkenntnissen der Geheimdienste zu sehr vertraut habe. Der Irak-Krieg sei demnach nicht das Ergebnis von Manipulation an der Spitze, sondern müsse dem Versagen der Geheimdienste angelastet werden. Vielleicht ist diese Wertung dem Dienstgeber des Associate Professors geschuldet.
ROLF STEININGER
John M. Schuessler: Deceit on the Road to War. Presidents, Politics, and American Democracy. Cornell University Press, Ithaca and London 2015. 176 S., 20,88 [Euro].
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