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BEVÖLKERUNGSPOLITIK. Wie kann eine alternde Gesellschaft wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleiben? Der sächsische Ministerpräsident Milbradt wirft diese Frage im vorliegenden Sammelband auf, der die Ergebnisse eines internationalen Kongresses dokumentiert. Bestechend an dem Band ist die bevölkerungspolitische Akzentsetzung. Allerdings erfolgt sie zu einem Zeitpunkt, wo sich das Boot bereits gefährlich den Stromschnellen nähert. Der Bielefelder Demograph Herwig Birg belegt die gesellschaftliche Polarisierung in zwei Drittel Kinderhabende und ein Drittel Kinderlose, die sich in den letzten gut drei Jahrzehnten aufgetan hat und sozusagen eine demographische Gerechtigkeitslücke entstehen ließ. Der Generationenvertrag wird zunehmend nicht mehr erfüllt. So liegt es nahe, dem kinderwilligen Teil der jungen Generation besonders bei der Verwirklichung zusätzlicher Kinderwünsche zu helfen. Eine kompensatorische Einwanderungspolitik wäre dagegen absurd. Schon eine geringe Erhöhung der Geburtenrate schlage sich nach 20 Jahren auf dem Arbeitsmarkt ökonomisch relevant nieder, wobei ohnehin mit einer stetigen, aber mäßigen Zuwanderung zu rechnen sei. Der französische Demograph Gérard-François Dumont ist von der gravierenden, negativen Bedeutung der niedrigen Geburtenrate für die gesamte Wirtschaftsdynamik überzeugt. Die Fähigkeit zur Innovation sei geschwächt. Alternde Gesellschaften setzen stärker auf Sicherheit als auf Entscheidungsfreudigkeit. Die Kosten der beruflichen Weiter-/Ausbildung lohnen sich aus Sicht der Unternehmen bei älteren Belegschaften viel weniger. Kranken- und Altersversicherungssysteme werden enorm strapaziert. Das Familiennetz schrumpft. Die Landflucht nimmt zu. Frankreich hat in Europa am ehesten entsprechende Erfahrungen gesammelt. Claus Kretz berichtet von einer repräsentativen Befragung im Landkreis Karlsruhe. Dort haben betroffene Eltern mit Kindern unter drei Jahren am stärksten für finanzielle Zuwendungen (450 Euro monatlich) plädiert, weit vor der Forderung nach dem Ausbau institutioneller Betreuungsmöglichkeiten. Der Tatsache, daß eine enorme Lücke besteht zwischen Kinderwunsch (2,2 Kinder im Durchschnitt) und der realisierten Geburtenzahl (von 1,4 Kindern), stellt einen Skandal dar, der gleichwohl öffentlich eher beschwiegen wird. (Christian Leipert [Herausgeber]: Demographie und Wohlstand. Neuer Stellenwert für Familie in Wirtschaft und Gesellschaft. Verlag Leske+Budrich, Opladen 2003. 304 Seiten, 24,90 [Euro].)
TILMAN MAYER
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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