Statt 25,00 €**
21,99 €
**Preis der gedruckten Ausgabe (Gebundenes Buch)

inkl. MwSt. und vom Verlag festgesetzt.
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Format: ePub

Junge Menschen brechen auf der Straße das Recht und berufen sich dabei auf das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem die Lebenden nicht das Recht haben, die Freiheit künftiger Generationen zu halbieren. Die Bundesregierung hält sich nicht an das Pariser Abkommen und stößt zugleich an die Grenzen des Wachstums und der Schuldenbremse, weil die Kosten der Klimakrise und des Klimawandels zugleich aufgebracht werden müssen. Es ist ein Widerspruch entstanden zwischen Demokratie und Ökologie, zwischen dem unabwendbaren Zeitdruck und der anscheinend gottgegebenen Langsamkeit der…mehr

Produktbeschreibung
Junge Menschen brechen auf der Straße das Recht und berufen sich dabei auf das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem die Lebenden nicht das Recht haben, die Freiheit künftiger Generationen zu halbieren. Die Bundesregierung hält sich nicht an das Pariser Abkommen und stößt zugleich an die Grenzen des Wachstums und der Schuldenbremse, weil die Kosten der Klimakrise und des Klimawandels zugleich aufgebracht werden müssen. Es ist ein Widerspruch entstanden zwischen Demokratie und Ökologie, zwischen dem unabwendbaren Zeitdruck und der anscheinend gottgegebenen Langsamkeit der Demokratie. Die Historikerin Hedwig Richter und der ZEIT-Journalist Bernd Ulrich wollen diesen Widerspruch überwinden und zeigen, wie eine notwendige Revolution zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen einhergehen kann mit der notwendigen Verteidigung und Entfaltung der Demokratie. Dazu schauen sie zurück und in die Zukunft. Sie fragen nach der dunklen Seite der Demokratiegeschichte, nach den oft zerstörerischen sozialen und fossilen Bedingungen, unter denen sich unsere Demokratie in Deutschland und anderswo entfaltet hat. Und sie entwerfen eine Zukunft, die auch den kommenden Generationen die Gestaltungsfreiheiten garantieren, die für eine Demokratie essenziell sind.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in BG, B, A, EW, DK, CZ, D, CY, H, HR, GR, F, FIN, E, LT, I, IRL, NL, M, L, LR, S, R, P, PL, SK, SLO ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Hedwig Richter, geb. 1973, ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München. Zuletzt erschien von ihr »Aufbruch in die Moderne. Reform und Massenpolitisierung im Kaiserreich« (Suhrkamp, 2021). Bernd Ulrich, geboren 1960 in Essen, Redakteur der ZEIT. Für seine journalistische Arbeit erhielt er 2013 den Henri-Nannen-Preis und 2015 den Theodor-Wolff-Preis. Durch seine jahrzehntelange journalistische Arbeit ist er eine der bekanntesten und einflussreichsten Stimmen zum Thema Klima/Energie-Politik. Bei KiWi erschienen bisher: »Sagt uns die Wahrheit! Was die Politiker verschweigen und warum« (2015), »Guten Morgen, Abendland – Der Westen am Beginn einer neuen Epoche« (2017) und »Alles wird anders. Das Zeitalter der Ökologie« (2019).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Dass sich ein prächtig dotierter Redaktionshierarch der Zeit und eine bestimmt auch ganz gut abgesicherte Münchner Universitätsprofessorin exponieren, wenn sie den Verzicht predigen, darf sie nicht wundern. Entsprechend boshaft liest sich Jakob Hayners Kritik ihres neuesten Manifests, das zum Verzicht auf Fleisch und Flüge und viele weitere Wohltaten des heutigen Lebens rät - um dem Ökozid vorzubeugen. Hayner staunt nicht schlecht, dass die beiden mit dieser Idee der Einschränkungen von Freiheit sogar die Demokratie retten wollen. Spezialregimes, wie sie in der Coronazeit errichtet wurden, so sein Verdacht, sollen nun zur neuen Normalität werden. Und übrigens handelt es sich bei der Revolution, die die beiden großtönend als absolut notwendig propagieren, "um eine Revolution nicht von der Bevölkerung gegen die Eliten", sondern umgekehrt! Eine "konservative Revolution" also, stellt Hayner süffisant fest. Etwas anderes fällt ihm in dem Buch noch unangenehm auf: Die Autoren kritisieren, "dass das 20. Jahrhundert zum Medium der Verdrängung des 21. geworden ist". Damit meinen sie offenbar, dass man von einer angeblichen Fixierung auf vergangene Genozide Abstand nehmen soll, um wohlgemut die von ihnen gemeinte Revolution zu lancieren. Die ahnen wohl nicht, wie sehr das nach 20. Jahrhundert klingt, fürchtet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.04.2024

Nur noch kurz die Welt retten
Hedwig Richter und Bernd Ulrich analysieren in ihrer Streitschrift „Demokratie und Revolution“ scharf,
was in der Klimapolitik schiefläuft – und skizzieren einen Weg aus der Selbstzerstörung.
VON JOACHIM KÄPPNER
Das Minimum, das wissenschaftlich notwendig ist, um den Klimawandel zu bekämpfen, übersteigt das Maximum des politisch Machbaren“: So klar und unerbittlich hat Al Gore, einst US-Vizepräsident unter Bill Clinton und nun Kämpfer für die Umwelt, die Grenzen der Politik beim Klimaschutz beschrieben. Das Schlimme daran: „Die Politik“, die ja in der freien Welt gleichbedeutend ist mit demokratisch gewählten Regierungen, setzt sich diese Grenzen selbst.
Mit diesem Widerspruch setzen sich Hedwig Richter, Historikerin an der Münchner Bundeswehr-Universität, und der Zeit-Journalist Bernd Ulrich in ihrem Buch „Demokratie und Revolution. Wege aus der selbstverschuldeten ökologischen Unmündigkeit“ auseinander. Darin fordern sie natürlich keine Revolution im marxistischen Sinne, die das System der Demokratie hinwegfegen möge, sondern einen klimapolitischen Richtungswechsel; allerdings einen so grundsätzlichen, dass er einer Revolution gleichkommen würde.
Wenn die Demokratie also die beste aller politischen Welten ist, ein normatives, wertegeleitetes Menschheitsprojekt, ein lernendes und verbesserungsfähiges System – warum, fragt das Autorenduo hier eindringlich, lernt es dann aus den erschreckenden Klimadaten nicht und verbessert sich nicht, oder jedenfalls nicht genug: „Warum findet die Demokratie den Weg aus der Selbstzerstörung nicht?“
Was geschieht, ist zu spät und zu wenig, wie Richter und Ulrich schonungslos analysieren: „Wir können uns einreden, was wir wollen, aber im Sommer 2023 betrug die Wassertemperatur bei den Florida Keys 39,44 Grad, das ist so heiß wie Badewasser – und es ist präzedenzlos. Der fossile Ausstieg geht nicht schnell genug, die Meere sind dabei, zu kollabieren, eine Million Arten sind aktuell von der Auslöschung bedroht.“ Das Buch hat die Wucht einer Streitschrift, unterlegt mit wissenschaftlicher Gelehrsamkeit und Debattenlust, mitunter etwas viel davon. So findet sich in einem Ausflug in die Demokratiegeschichte die kühne These: „Faschismus und Populismus lauern im Gemäuer der Demokratie (…) und wenn es schiefgeht, ergreifen sie die Herrschaft im Haus und legen Feuer ins Gebälk. Nationalsozialismus und Faschismus sind aus demokratisierten Gesellschaften hervorgegangen.“
Das ist eine Kernaussage von Hedwig Richters früherem Buch „Demokratie – Eine deutsche Affäre“, und zu sagen, dass die Kollegenschaft darauf verwundert reagiert hätte, wäre noch eine freundliche Untertreibung. Heinrich August Winkler, einer der prominentesten deutschen Zeithistoriker, schrieb in der Zeitschrift Merkur, „wie anders als mit Unkenntnis lässt es sich erklären“, dass Hedwig Richter das „Fortwirken spezifisch deutscher Vorurteile gegen die Demokratie“ vor 1933 ignoriere, die ins Scheitern der Republik und den Nationalsozialismus führten.
Man könnte auch so sagen: Faschismus und Rechtsextremismus sind nicht Kinder (oder Untermieter) der Demokratie, sondern deren Todfeinde; sie wohnen geistig auch nicht im Haus der Republik, sondern zünden es von außen an, sobald die Bewohner des Hauses zu schläfrig oder zu unentschlossen sind.
Hedwig Richters These überzeugt auch hier nicht, aber glücklicherweise geht es im neuen Buch vor allem um Gegenwart und Zukunft der Demokratie. Eine zentrale Aussage (und wie gern möchte man ihr widersprechen, allerdings wird sie beinahe täglich bestätigt): Zu viele Menschen betrachten das Ausmaß von Verzicht, der nötig wäre, um diesen Prozess der Selbstzerstörung aufzuhalten, als Zumutung – und viele Politiker der demokratischen Welt bestätigen ihre Wählerschaft darin.
Der mächtig angeschwollene Rechtspopulismus, der sich ja weder um die Wissenschaft noch um die Wirklichkeit schert, sucht sein Heil in offener Verleugnung. Gravierender noch wirkt sich aus, wenn auch innerhalb des demokratischen Spektrums entschiedene Politik für die Klimaziele als eine Art Menschenrechtsverletzung dargestellt wird, aus taktischen Motiven der Parteipolitik – man denke nur an die Hysterie rund um „Habecks Heizungshammer“.
Dennoch hätte die Ampelregierung wenig Grund, mit diesem Buch eine höhere Weisheit ihrer Klimapolitik zu belegen. Ganz im Gegenteil. Auch hier fällt das Zwischenzeugnis verheerend aus. Vereinfacht gesagt lautet der Vorwurf von Ulrich und Richter: Statt den Menschen zu erklären, worauf es ankommt, sie zu überzeugen und zu motivieren, gaukelt ihnen die Regierung vor, es sei alles in Ordnung und niemand müsse sich einschränken: „Ein großer Teil der Bevölkerung kann mitgenommen und mitgerissen werden, wenn die Politik überzeugend agiert. Man scheint das in der hasenfüßig gewordenen deutschen Demokratie vergessen zu haben.“ Hörte man dieser Tage den FDP-Verkehrsminister zum Klimakompromiss der Ampel sprechen, trifft diese Analyse in gruseliger Präzision zu: Hasenfüßigerweise definierte Volker Wissing „modernen Klimaschutz“ eben so, dass „er nicht zu Freiheitseinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger führt“. Speziell der Bundeskanzler mit seiner fürsorglich-paternalistischen Attitüde („You’ll never walk alone“) kommt hier gar nicht gut weg: „Olaf Scholz ist einer der entschiedensten Vertreter der These, dass Klimapolitik vollkommen zumutungslos sein muss.“
Es ist natürlich nicht ganz gerecht, aber auch sicher nicht ganz falsch, wenn dem SPD-Kanzler bescheinigt wird: „Die Hypochondrie des Volkes ist der Maßstab aller Klimapolitik – nicht etwa die Klimaziele.“ Die Politik aber könne die Warnungen der Wissenschaftler vor der Erderwärmung nur in konkrete Gegenmaßnahmen verwandeln, „wenn sie sich vor dem Volk nicht so fürchtet, wie es derzeit der Fall ist“.
Das Buch ist lebendig, ja lebhaft geschrieben, auch wenn der Wert von exzentrischen Formulierungen wie „Sofaschismus“ oder „posttriumphale Demokratien“ doch überschaubar ist (sehr hübsch dagegen die Sottise gegen das Dauergejammer vieler Menschen, wenn ihre Anspruchshaltungen nicht umgehend befriedigt werden: „Das Quengeln ist die Revolution unserer Zeit“.) Es lohnt vor allem wegen der scharfen Analyse dessen, was schiefläuft in der Klimapolitik, und enthüllt viele Mechanismen der Selbstberuhigung: So habe die Umweltgesetzgebung, so gut sie gemeint war, gewirkt wie „ein Sedativum, sie hat die Zerstörung in der Regel nicht aufgehalten, sondern meist nur verlangsamt, aber dafür die Gesellschaften beruhigt, die darüber lernten, die gute Absicht für die Tat zu nehmen, das gestiegene Umweltbewusstsein mit einer verbesserten Umwelt zu verwechseln und über die punktuellen Fortschritte die globalen Verschlechterungen zu übersehen.“
Das liest sich umso glaubwürdiger, weil Richter und Ulrich keinen Alarmismus betreiben. So feiern sie das internationale Pariser Klimaabkommen 2015, in dem sich die Völkergemeinschaft „besonnen und zur Selbstmäßigung verpflichtet“ habe: „Der Traum der Universalität schien hier konkrete Formen anzunehmen.“ Aber schon jetzt, keine zehn Jahre später, hinken die Nationen ihren selbst gesteckten Zielen weit hinterher.
Das Buch erlaubt sich einige Exkurse, nicht immer zum Vorteil seiner Stringenz, ist aber insgesamt eine geistreiche und lohnende Lektüre. Seine Botschaft ist klar, laut und für jedermann verständlich: Ihr – die Demokratien und ihre Bürgerinnen und Bürger – habt es doch selbst in der Hand, eure Zukunft zu retten. Und ob wir, die Adressaten dieser Botschaft, dafür genügend tun? Das sollte sich jeder selbst ehrlich beantworten.
Das Zwischenzeugnis
der Ampel fällt auch
hier verheerend aus
Gefährdetes Korallenriff an der Küste von Key Largo im Juni vergangenen Jahres. Wegen der hohen Wassertemperaturen verloren die Korallen ihre Farbe so früh wie noch nie.
Foto: Liv Williamson / University of Miami Coral Reef Futures Lab / AP
Hedwig Richter, Bernd Ulrich: Demokratie und Revolution – Wege aus der selbstverschuldeten ökologischen Unmündigkeit.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 368 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2024

Plädoyer für politische Zumutungen
Zwei Autoren, starke Thesen. Aber auf dem ökonomischen Auge sind sie zumindest partiell blind

Wenn sich eine führende Historikerin und ein meinungsstarker Publizist zusammentun, um über die Folgen der ökologischen Krisen zu schreiben, klingt das nach dem Versuch eines großen Wurfs. Hedwig Richter und Bernd Ulrich sind so etwas wie eine Supergroup der Nachhaltigkeit. Die Geschichte sei dominant für unser Handeln und Menschenbild, unser Zeitalter so schnelllebig, dass ein Chronist des Jetzt Einsichten liefern könne.

Richter und Ulrich machen sich einen stimmigen Reim auf die Transformation. Davon zeugen seine Einlassungen in der Wochenzeitung "Die Zeit" und ihre Gastbeiträge, Vorträge und Tweets. Sie begreifen die Klima- und Biodiversitätskrise als die zentrale Herausforderung unserer Epoche. Deshalb nennen sie diese das ökologische Jahrhundert.

Bürger und Politik müssten eine neue Denkart mit neuem Vokabular erlernen. Die Kämpfe des 20. Jahrhunderts, die durch den Konflikt von Kapital und Arbeit und den Widerstreit der Nationalismen bestimmt waren, seien nicht vorbei. Das defekte Mensch-Natur-Verhältnis aber folge der Logik einer Grammatik des 21. Jahrhunderts.

Das ist augenöffnend, doch eine solche Zäsur birgt für Autoren ein Risiko. Wer Geschichtsschreibung in dem Moment betreibt, in dem sie sich ereignet, läuft Gefahr, falsch zu gewichten. Die Autoren sind sich dessen bewusst. Die Grammatik des 21. Jahrhunderts müsse im Gehen geschrieben werden, räumen sie ein. Ihre Leitfrage lautet: Warum gelingt es Industrieländern nicht, sich von der ökologischen Selbstzerstörung zu befreien? Der Buchtitel ist ein Versprechen auf Abhilfe.

Zentraler Aspekt ist der Befund, dass Normalität die Quelle der ökologischen Katastrophe sei. Ändere sich das Verhalten nicht schnell, werde die Nachhaltigkeitswende scheitern. Doch die Politik setze auf Normalitätssimulation, um das zu verschleiern. Besonders kritisch bewerten sie Bundeskanzler Scholz und seine SPD, die einen zumutungsfreien Ausweg anstreben, wo aus ihrer Sicht politische Zumutungen erforderlich sind.

Ihre Erzählung funktioniert gut, wenn sie sich auf heimischem Terrain bewegen: in der historischen Aufarbeitung des fossilen Wohlstandsmodells und in der politischen Bewertung handelnder Personen. Besonders stark ist das Kapitel zur sozialen Frage der Ökokrisen, in dem sie ihr eigenes Milieu analysieren. Es lasse sich Wasserkisten von schlechter gebildeten und bezahlten Menschen in den vierten Stock der Altbauwohnung schleppen, um ihnen dann zu erklären, wie schlecht billiges Fleisch und Flüge nach "Malle" seien. So werde ihm der Vorwurf der Heuchelei gemacht. "Es ist schwer vorstellbar, wie sich die westlichen Gesellschaften aus der ökologischen Unmündigkeit und Bedrückung befreien sollen, wenn die akademische Mittelschicht sich in ihren Einstellungen und Konsumstandards nicht grundlegend ändert." Verzicht werde zur Voraussetzung künftiger Freiheit.

Über 320 Seiten breiten Richter und Ulrich interessante Beobachtungen zur Körperlichkeit der Politik, zum Verschiebebahnhof Beschlussosphäre und zu populistischen Verheißungen aus. Am kontroversesten äußern sich die bekennenden Veganer zum Fleischkonsum. Sie glauben, die Wende zur Nachhaltigkeit werde nur mit pflanzlicher Ernährung und einer Abkehr von der Massentierhaltung gelingen. Gut begründet, aber man kann auch anderer Meinung sein.

Nicht so gut gelingt die simultane Geschichtsschreibung in Themenfeldern, in denen die Autoren nicht zu Hause sind. So erklären sie vorzeitig das Modell Markt-Technik-Preissetzung für gescheitert - in einem Moment, in dem es zu spürbar sinkenden Emissionen in der Industrie führt. Mit ihrer Kritik am Ökonomischen ist auch ihre viel zu wohlwollende Sicht auf Wirtschaftsminister Robert Habeck und seine planungsverliebten Staatssekretäre zu erklären. Deren Versuch, Bürger in erneuerbare Heizungstechniken zu drängen, sei ein "Wetterleuchten einer anderen ökologischen Kommunikation und Politik" gewesen.

Dass er "zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt ernstlich Klimapolitik betrieben" habe, mag für den privaten Heizungskeller gelten. Ein Mittelständler, der seit zwanzig Jahren immer knapper werdende Emissionsrechte erwirbt und nun auch preislich Gründe hat, seine Energieversorgung umzustellen, wird das nicht nachvollziehen können.

Bei Richter und Ulrich kommt die Konstruktivität des Ökonomischen nur in Klischees vor. Am spürbarsten in einer Passage, in der sie Adam Smiths Marktphilosophie widerlegen wollen. Auf zweieinhalb Seiten nennen sie die Metapher der "unsichtbaren Hand" häufiger als Smith in seinem moraltheologisch-ökonomischem Gesamtwerk (und da jeweils in anderer Bedeutung). Ökonomische Perspektiven (etwa von Daron Acemoglu, Robert Solow oder Nicholas Stern) hätten ihrer Übersicht zur Umweltgeschichte nicht geschadet. Auch den Umbau des Finanzwesens durch den europäischen Green Deal streifen sie nur.

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Autoren einen wesentlichen Debattenbeitrag leisten. Ihnen geht es mehr darum, aufzuzeigen, wo der Westen falsch abgebogen ist, als darum, durch welche Schubser er auf die Spur zurückzubringen ist. Ihnen schwebt eine besondere Form von Revolution vor: Kein maskuliner Revolutionskitsch, der allzu oft in der Geschichte folgenlos blieb. Stattdessen: eine Revolution im Sinne von Die-Welt-neu-sehen.

Nicht immer ist erkennbar, warum mehr Tempo einen nachhaltigeren Effekt haben soll als effektive Instrumente. Aber Bürger und Politik darauf zu verpflichten, die Tiefe der Zäsur genauer zu erfassen, das gelingt ihnen. PHILIPP KROHN

Hedwig Richter/ Bernd Ulrich: Demokratie und Revolution: Wege aus der selbstverschuldeten ökologischen Unmündigkeit.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 368 S., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Das Buch ist anregend, lebhaft geschrieben und provokant. Ein Weckruf, Richter und Ulrich hoffen auf Bürger und Politiker, die sich einsetzen.« Roland Mischke Aachener Zeitung 20240521