Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Im Dickicht der Dokumente: Christoph Ernst beschreibt die Forstentwicklung an der Mosel
Die Wälder auf den Bergen von Eifel und Hunsrück sind durch jahrhundertealte Forstwirtschaft geprägt. Zahlreiche schriftliche Quellen aus dem achtzehnten Jahrhundert dokumentieren die vielfältigen Versuche zur Waldgestaltung: Edikte, Gesetze, Rechnungsbücher, Prozeßakten. Der Historiker Christoph Ernst hat diese Dokumente in Archiven aufgespürt, ihren Inhalt erfaßt, die Texte geordnet, sie schließlich zur Basis einer umfassenden Studie zur Waldentwicklung an der Mosel gemacht. Nach grundlegenden Kapiteln geht er zunächst auf die Ziele der Waldentwicklung, dann auf deren Praxis, schließlich auf die Konfliktfälle ein, die sich zwischen den Waldnutzern ergaben.
Der Autor gliedert sein Buch nach Aussagen, die den Holzproduktionswald, den Landwirtschaftswald und den Jagdwald betreffen. Dieses Vorgehen mag sich aus den Themen der schriftlichen Quellen in den Archiven ergeben haben. In ihnen geht es meist um die Durchsetzung eines einzelnen Zieles der Waldentwicklung, entweder der Holzproduktion, der Jagd oder der Landwirtschaft. Aus Tabellen wird die Entwicklung der Holzpreise erkennbar; der Autor konnte eine nahezu lückenlose Serie von Forstkassenrechnungen aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts auswerten. Offenbar trieben die verschiedenen Waldnutzer die Holzpreise geschickt in die Höhe, indem sie angaben, Holz sei knapp, was der Realität nicht unbedingt entsprochen haben muß. Die Einteilung der Kapitel nach den verschiedenen Nutzungsabsichten ist vielleicht aus historischem Blickwinkel einleuchtend. Wer aber etwas über ein konkretes Waldgebiet, beispielsweise den Schwarzwälder Hochwald, erfahren will, muß sich sämtliche Details darüber mühsam im Buch zusammensuchen. Es gibt zwar ein Register, es ist aber unvollständig: Der Ort Kröv ist darin nur zweimal, im Text aber häufiger genannt, das oft erwähnte Kröver Reich taucht im Register nicht auf.
Ein weiterer Einwand: Das Kardinalproblem der damaligen Waldnutzung war, daß mehrere Formen der Waldnutzung auf der gleichen Fläche stattfinden sollten und sich die einzelnen Nutzer ständig in die Quere kamen. Daher wurden so viele Edikte zum Waldschutz erlassen, daher zogen Grundherren, Jäger und Bauern so oft vor Gericht, um Nutzungskonflikte zu lösen. Und daher sind in den Archiven derart viele Prozeßakten überliefert. Holzproduktionswälder, Landwirtschaftswälder und Jagdwälder gab es real nicht, sondern von ihnen war nur in schriftlichen Urkunden die Rede. Es fehlt eine klare Definition, was der Autor unter Wald versteht. Ist dies eine Fläche mit hohen Bäumen oder lediglich ein Gebiet, in dem Bäume stehen sollen? Dies müßte man wissen, wenn man klären will, ob es im achtzehnten Jahrhundert wirklich an Holz mangelte oder ob man bei der Erwähnung des Holzmangels lediglich befürchtete, daß künftig kein Holz mehr verfügbar sein könnte.
Im Schlußkapitel schreibt Christoph Ernst: "Gerade die Frage der Konstruktion von Natur erlaubt es, ähnlich wie die Geschlechter- oder Nationalstaatskonstruktion, anschaulich-konkrete Auswirkungen der Konzeptionen zu ermitteln." Welchen Naturbegriff man auch immer zugrunde legen mag, man kann Natur nicht so konstruieren wie einen Nationalstaat. Wie die Wälder am Anfang der Entwicklung aussahen, wissen wir auch nach der Auswertung noch so vieler schriftlicher Urkunden nicht genau. Wir verdanken Christoph Ernst das mit großem Fleiß zusammengetragene Kompendium der Waldgeschichte in den Ländern an der Mosel. Aber was war der Wald, als die Entwicklung begann: Realität oder ein Wunschbild?
HANSJÖRG KÜSTER
Christoph Ernst: "Den Wald entwickeln". Ein Politik- und Konfliktfeld in Hunsrück und Eifel im 18. Jahrhundert. Oldenbourg Verlag, München 2000. 408 S., geb., 128,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Hansjörg Küster, in: FAZ 17.10.2001