Moria. Das Flüchtlingslager auf Lesbos steht inzwischen sinnbildlich für das, was falsch läuft in der europäischen Flüchtlingspolitik. Helge-Ulrike Hyams kam im Herbst 2019 mit einer NGO hierher. Einen Winter lang hat sie mit Geflüchteten aus aller Welt gelebt und gesprochen, hat zugehört und seelische Unterstützung geleistet, bis im März der Sitz ihrer Organisation abbrannte, ein halbes Jahr bevor auch Moria in Flammen aufging. Helge-Ulrike Hyams zeichnet aus nächster Nähe das Porträt eines Ortes und seiner Menschen – jener, die hier ausharren müssen, der Volunteers und der Einheimischen. Es ist ein einmaliger Blick in das Innenleben und die Lebensumstände, die Sorgen und Hoffnungen von Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa wollen, wo so viele vor ihnen Angst haben. Moria hat viele Gesichter.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Martin Gerner folgt dem Bericht der freiwilligen Helferin Helge-Ulrike Hyams, die zehn Monate im Lager Moria auf Lesbos gearbeitet hat, mit atemlosen Interesse. Vom Betrieb ihrer NGO, der eigenen Überforderung und Grenzen, der von Missverständnissen geprägten Auseinandersetzung mit Flüchtlingen und Einheimischen erzählt die Autorin laut Gerner mit intimer Kenntnis, einfühlsam und mit dem Bewusstsein, dass ihre Erfahrungen jungen Freiwilligen nützlich sein dürften. Hyams Rat zu mehr Selbstkritik bei den Helfern, bleibt Gerner im Gedächtnis.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2023Vom Trauma junger Flüchtlinge
Helge-Ulrike Hyams war Flüchtlingshelferin in dem Lager auf der griechischen Insel Lesbos und schildert hier den Winter 2019. Auch wenn das ein Jahr später durch ein Feuer zerstörte Camp aus den Schlagzeilen verschwunden ist, lohnt die Lektüre. Zu verdanken ist dies der stilistischen Eleganz der Autorin. Die emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften schildert angenehm unaufgeregt, dafür mit seismographischer Genauigkeit die seelische Verfasstheit ihrer syrischen und afghanischen Schützlinge. Ihr Hauptinteresse gilt den vielen jungen alleinstehenden Männern und Kindern, die sie als besonders traumatisiert erlebt. Deren Geschichten nachzuerzählen und sie damit dem Vergessen zu entreißen, hat sie sich zur Aufgabe gemacht. Eine verdienstvolle Arbeit, sind doch die geschilderten Schicksale von zeitloser Relevanz, wie aktuell Berichte kriegsvertriebener Ukrainer zeigen. Die von der Autorin vielfach beobachtete Resilienz der Geflüchteten in dem Elendslager Moria, ihre trotz widrigster Umstände nicht nachlassende Hoffnung auf eine bessere Zukunft, sieht sie als Beweis für die Widerstandskraft der menschlichen Psyche unter außergewöhnlichen Belastungen. Diesen Schluss zog auch der jüdischstämmige Psychologe Viktor Frankl, dessen Haftberichte aus vier Konzentrationslagern die Autorin offenbar zu ihrem Bericht inspirierten. Übertrieben erscheint ihr Vergleich von Moria mit einem KZ der Nazizeit. Trost hingegen mag der Leser in der Erkenntnis finden, die Frankl und Hyams teilen: dass Menschen in schwierigsten Situation über sich selbst hinauswachsen. Nag.
"Denk ich an Moria - ein Winter auf
Lesbos" von Helge-Ulrike Hyams. Berenberg Verlag, Berlin 2022. 160 Seiten. Gebunden,
16 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Helge-Ulrike Hyams war Flüchtlingshelferin in dem Lager auf der griechischen Insel Lesbos und schildert hier den Winter 2019. Auch wenn das ein Jahr später durch ein Feuer zerstörte Camp aus den Schlagzeilen verschwunden ist, lohnt die Lektüre. Zu verdanken ist dies der stilistischen Eleganz der Autorin. Die emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften schildert angenehm unaufgeregt, dafür mit seismographischer Genauigkeit die seelische Verfasstheit ihrer syrischen und afghanischen Schützlinge. Ihr Hauptinteresse gilt den vielen jungen alleinstehenden Männern und Kindern, die sie als besonders traumatisiert erlebt. Deren Geschichten nachzuerzählen und sie damit dem Vergessen zu entreißen, hat sie sich zur Aufgabe gemacht. Eine verdienstvolle Arbeit, sind doch die geschilderten Schicksale von zeitloser Relevanz, wie aktuell Berichte kriegsvertriebener Ukrainer zeigen. Die von der Autorin vielfach beobachtete Resilienz der Geflüchteten in dem Elendslager Moria, ihre trotz widrigster Umstände nicht nachlassende Hoffnung auf eine bessere Zukunft, sieht sie als Beweis für die Widerstandskraft der menschlichen Psyche unter außergewöhnlichen Belastungen. Diesen Schluss zog auch der jüdischstämmige Psychologe Viktor Frankl, dessen Haftberichte aus vier Konzentrationslagern die Autorin offenbar zu ihrem Bericht inspirierten. Übertrieben erscheint ihr Vergleich von Moria mit einem KZ der Nazizeit. Trost hingegen mag der Leser in der Erkenntnis finden, die Frankl und Hyams teilen: dass Menschen in schwierigsten Situation über sich selbst hinauswachsen. Nag.
"Denk ich an Moria - ein Winter auf
Lesbos" von Helge-Ulrike Hyams. Berenberg Verlag, Berlin 2022. 160 Seiten. Gebunden,
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